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16.06.2022 | 04:39 | Waldschäden 

Waldumbau im Kampf gegen Käferfraß und Klimawandel

Jossgrund / Hammelburg - Alles hat angefangen mit einer kleinen Lücke. Inzwischen ist die kahle Fläche im Wald nahe Jossgrund im Spessart mehrere Fußballfelder groß. Baumstümpfe ragen aus dem Waldboden, den die Sonne aufheizt.

Waldumbau
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Immense Schäden durch Trockenheit, Borkenkäfer und Stürme zwingen zum Großumbau in den Wäldern. Das Personal dafür ist knapp, und die Zeit drängt, wie ein weiterer trockener Frühling zeigt. (c) proplanta
Drei Dürre-Sommer in Folge, Stürme und der Borkenkäfer haben hier zahlreiche Bäume so stark geschädigt, dass sie gefällt und aus dem Wald gebracht werden mussten. Wo die nur wenige Millimeter großen, schwarz-braunen Insekten auftauchen, ist schnelles Handeln gefragt, sonst befallen sie rasch auch umstehende Bäume.

«Der Käferfraß ist wie ein Flächenbrand», sagt Forstamtsleiter Christian Münch. Zusammen mit seinen rund 60 Mitarbeitern arbeitet er daran, den Wald besser gegen die Schädlinge und den Klimawandel zu wappnen.

Rund 19.000 Hektar Fläche umfasst das Forstamt Jossgrund (Main-Kinzig-Kreis) und damit den größten Teil des hessischen Spessarts entlang der Landesgrenze zu Bayern. Auch wenn es mittlerweile 10 bis 15 solcher entwaldeten Flächen gibt, die wie ein Mosaik in den elf zugehörigen Revierförstereien zu finden sind, ist die Situation im Spessart noch deutlich weniger dramatisch, als etwa in Nordhessen, sagt Münch.

Während dort vielerorts nichts ohne künstliche Wiederbewaldung durch das Pflanzen junger Bäumchen gehe, könne man im Spessart noch auf die Selbstverjüngungskräfte durch die natürliche Wiederbewaldung setzen. An vielen Stellen zeigt sich das frische Grün aus Eichen, Douglasien, Lärchen, Birken und Buchen bereits. Genau das ist auch die Mischung, in die Münch und Revierleiter Ben Schüssler ihre Hoffnungen setzen.

Nur die biologische Vielfalt mache den Wald widerstandsfähiger. «Wir brauchen einen bunten Blumenstrauß an Baumarten, weil wir nicht wissen, was die Zukunft bringt», sagt Münch.

Auch wenn sich die Natur im Spessart so gut es geht selbst hilft - viel Arbeit bleibt für die Forstwirte wie Martin Kaiser und seine Kollegen dennoch. Mit Pflegesäge und Hippe - ein Werkzeug mit sichelförmiger Klinge - rücken sie auf den Nachwuchs-Flächen weniger schön gewachsenen Bäumchen zu Leibe und sorgen dafür, dass alle genug Platz und Licht zum Wachsen bekommen.

Freitags ist das Borkenkäfer-Monitoring dran: Dann geht Schüssler mit den Forstwirten das Revier ab und achtet vor allem auf Bohrmehl - oft das einzige sichere Anzeichen, dass Borkenkäfer in die Rinde eingezogen sind und dort fressen. Befallene Bäume werden möglichst unmittelbar aufgearbeitet, mit am besten geeignet dafür sind Harvester, die beim Abschälen der Rinde auch die Brut der Borkenkäfer zumindest teilweise vernichten.

Mittlerweile gibt es für diese Arbeiten auch wieder genügend helfende Hände, wie Münch sagt. Vor allem 2019 sei der Markt leer gefegt gewesen, weil die katastrophale Dürre europaweit von den Alpen bis Norwegen und von der Normandie bis tief nach Polen massive Waldschäden anrichtete. Rettung für den hessischen Spessart sei ein Team aus Estland gewesen, das bei der Aufarbeitung half - und den Wald so auch vor noch größeren Schäden bewahrte.

Mittlerweile habe sich die Situation wieder etwas entspannt. Trotzdem bleibe der Fachkräftemangel ein drängendes Problem der Forstwirtschaft. An Schulen werbe man deshalb aktiv dafür, eine Ausbildung in dem Berufszweig zu beginnen, der viele Freiheiten biete, aber auch mit harter körperlicher Arbeit verbunden sei, sagt Münch. Hier sieht er auch den Knackpunkt, von dem sich so manche jungen Leute abschrecken lassen: «Viele wollen sich die Hände nicht schmutzig machen.»

Dabei braucht der Wald in Zeiten des Klimawandels auch künftig allen Einsatz versierter Fachleute, um bestehen zu können. Münch beispielsweise tauscht sich regelmäßig mit seinen bayerischen Kollegen aus dem Forstbetrieb Hammelburg (Landkreis Bad Kissingen) aus, etwa über den Waldschutz und länderübergreifende Jagdtermine.

Künftig werde immer stärker das Thema Wasser, kombiniert mit der Bodenbeschaffenheit am jeweiligen Standort, in den Fokus der Arbeit rücken, auch um die geeignete Baumart für den Wald der Zukunft auswählen zu können. Dass die Zeit dabei drängt, zeigt der erneut warme und trockene Frühling in diesem Jahr, der auch dem Landesbetrieb HessenForst große Sorgen bereitet.

«Die Neuanpflanzungen sind hochgradig gefährdet», sagt Münch. In seinem Forstamt sei die Schadfläche glücklicherweise noch so gering, dass bis zum hoffentlich regenreicheren Herbst mit weiteren Pflanzungen gewartet werden könne. Schon jetzt hätten viele seiner Kollegen Wetterstationen im Garten und achteten genau auf Niederschlagsmengen. «Der Förster wird immer mehr zu einem Wassermanager.»

Die Folgen des Klimawandels machen derweil nicht nur den Bäumen, sondern auch den Forstleute selbst zu schaffen, wie eine HessenForst-Sprecherin sagt: «Für viele meiner Kollegen ist der Beruf mehr eine Berufung. Den Wald, den sie viele Jahre, gar Jahrzehnte gepflegt und begleitet haben, in so kurzer Zeit absterben zu sehen, ist schwer. Kein lebender Förster hat je dieses Ausmaß an Waldschäden erlebt.»

Damit das nicht auch gesundheitlich an die Substanz gehe, wolle man mit einem Gesundheitsmanagementsystem vorbeugen und auch möglichen Überlastungen entgegenwirken.
dpa
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