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24.04.2022 | 03:46 | Solarenergie 

Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende?

Freiburg - Wissenschaftler sehen ein großes Potential in der Agri-Photovoltaik (Agri-PV).

Agri-Photovoltaik
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme schätzt das Potential als groß ein - Auf 4 Prozent der deutschen Ackerfläche könnten 500 Terrawattstunden Strom erzeugt werden. (c) proplanta
Mit rund 4 % der deutschen Agrarflächen und hoch aufgeständerter Agri-PV könnten rund 500 TWh Strom erzeugt werden, was etwa dem heutigen Strombedarf in Deutschland entspreche, heißt es in einem Leitfaden des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE).

Beteiligt waren Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Universität Hohenheim, der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf sowie die BayWa r.e. und die Kanzlei Becker Büttner Held Rechtsanwälte (BBH). Mit Blick auf die Klimakrise, den Gewässerschutz und den Wunsch nach Ertragssteigerung sehen die Autoren in der kombinierten Nutzung landwirtschaftlicher Flächen sowohl für die Nahrungsmittelproduktion als auch die PV-Stromerzeugung die Chance, viele dieser Herausforderungen gleichzeitig zu adressieren (Dokumentation).

Die Betriebe erhielten mit der Agri-PV ferner die Möglichkeit, ihr Einkommen zu diversifizieren und innerbetriebliche Kreisläufe zu schließen. Als zentrale Faktoren werden hierbei eine verringerte Verdunstungsrate sowie der Schutz vor Hagel und Frost genannt. Allerdings ergäben sich auch Herausforderungen für die Produktion beim Einsatz von Agri-PV, stellen die Autoren fest und verweisen hierzu auf veränderte Lichtverhältnisse und die aufgrund der Aufständerung erschwerte Bewirtschaftung. Sie raten dazu, geeignete Kulturpflanzen mit dem passenden Anlagendesign zu verbinden.

Große Ertragsunterschiede bei Kartoffeln

Zum Beispiel wurde den Wissenschaftlern zufolge im Forschungsprojekt APV-RESOLA unter einer Agri-PV-Pilotanlage erfolgreich eine mehrgliedrige Fruchtfolge aus Kleegras, Winterweizen, Kartoffeln und Sellerie nach biodynamischen Prinzipien angebaut. Dabei habe sich gezeigt, dass der Einfluss der Agri-PV-Anlage auf den Ertrag stark von den Wetterbedingungen abhänge.

Bei den Kartoffeln etwa hätten die Ertragsdifferenzen unter Agri-PV im Vergleich zu einer Referenzfläche von minus 20 % im Jahr 2017 bis plus 11 % im trockenen und heißen Jahr 2018 variiert. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Bewirtschaftung unter einer Agri-PV-Anlage entsprechend der geografischen Lage und den lokalen Klimabedingungen die Verdunstung verringern und vor zu intensiver Sonneneinstrahlung schützen könne.

Dieser Aspekt werde vor dem Hintergrund sich häufender Hitzewellen in Mitteleuropa auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen. Bei Kartoffeln habe sich überdies gezeigt, dass der Anteil vermarktungsfähiger Ware durch Agri-PV steigen könne.

Praxisanlagen sinnvoll

Laut dem ISE-Bericht wird allerdings eine wirtschaftliche Umsetzung von Agri-PV hierzulande auf absehbare Zeit ohne die Schaffung entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen kaum möglich sein. Als wichtigste Stellschrauben werden Agrarsubventionen, genehmigungsrechtliche Aspekte und die Einspeisevergütung genannt.

Das gelte vor allem, da es sich bei der Agri-PV noch um eine sehr junge Technologie handle und es kaum Lern- und Skaleneffekte gebe, sie aber dennoch mit etablierten Techniken konkurrieren müsse. Für eine weitere Untersuchung der Agri-PV sehen die Autoren vor allem eine marktnahe Umsetzung von Praxisanlagen als sinnvoll an. Auf diese Weise könnten Erkenntnisse zur Akzeptanz, der Wirtschaftlichkeit und den Einsatzbereichen zusammen mit der Landwirtschaft und Solarunternehmen gewonnen werden.

Für 1.000-Felder-Programm

Die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für April 2022 vorgesehenen Innovationsausschreibungen zu besonderen Solaranlagen stellt für die Autoren mit hoher Wahrscheinlichkeit „keine zielgerichtete Förderung“ der Agri-PV dar. Stattdessen berge die Ausschreibung durch den Preiswettbewerb unter sehr vielen Anwendungen die Gefahr, dass der Markthochlauf verzögert werde und die Akzeptanz in der Bevölkerung für diese Technologie leide.

Eine Möglichkeit, Agri-PV gezielt zu fördern, könnte gemäß des Leitfadens die Schaffung eines eigenen Marktprämien - und Ausschreibungssegments für hoch aufgeständerte Anlagen oder ein „1.000-Felder-Programm Agri PV“ sein. „Dass die Agri-PV in die Regelausschreibungen des EEG aufgenommen werden soll und die Flächen nicht mehr aus der EU-Agrarförderung fallen, sind wichtige Voraussetzungen für den Ausbau der Agri-PV“, betont der Gruppenleiter Agri-PV am Fraunhofer ISE, Max Trommsdorff.

Bei der Ausgestaltung der EEG-Novelle ist es aus seiner Sicht nun wichtig, dass hoch aufgeständerte Anlagen in den ersten Jahren der Förderung eine realistische Chance erhalten und für sie im Wettbewerb mit herkömmlichen Freiflächenanlagen ein Zuschlag gewährt wird. Eine Prämie von 0,005 Euro pro Kilowattstunde erscheint laut Trommsdorff „dafür sicherlich nicht ausreichend“.

Nur geringe Beeinträchtigung

Für Landwirte ist aus rechtlicher Perspektive darüber hinaus relevant, ob eine landwirtschaftliche Fläche aufgrund der Nutzung von Agri-PV die Beihilfefähigkeit verliert. Dazu heißt es in dem Leitfaden, dass bei einer sachgemäßen Planung und Installation der Agri-PV-Anlage die landwirtschaftliche Nutzung einer Fläche nicht oder nur in sehr geringem Maß beeinträchtigt werde.

Das spreche dafür, dass eine Agri-PV-Anlage im Einklang mit den EU-rechtlichen Vorgaben für Direktzahlungen stehe. Die Vorgaben in der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung seien mittlerweile geändert worden. Im Durchführungs-Gesetz zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sei nunmehr festgelegt, dass der Ausschluss nicht gelte, wenn es sich um eine Agri-PV-Anlage handle.

Diese müsse per Definition auf einer landwirtschaftlichen Fläche zur Nutzung von solarer Strahlungsenergie errichtet sein, die eine Bearbeitung der Fläche unter Einsatz üblicher landwirtschaftlicher Methoden, Maschinen und Geräte nicht ausschließe und die landwirtschaftlich nutzbare Fläche (LF) um maximal 15 % verringere. Förderfähig seien dann 85 % der landwirtschaftlichen Fläche. Diese Regelung der GAP-Direktzahlungen-Verordnung soll mit dem Inkrafttreten des GAP-Direktzahlungen-Gesetzes rechtsverbindlich werden.
AgE
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