Es erinnert ihn an die Probleme durch den massiven Maisbedarf für die Stromgewinnung in Biogasanlagen.
Die Monokulturen haben eine neue Wortschöpfung hervorgebracht: Vermaisung. In Ländern wie Niedersachsen wird auf fast jedem zweiten Acker Mais angebaut, was die Böden auslaugt und dem
Getreideanbau für die Brotproduktion Konkurrenz machen kann.
Ein paar Kilometer weiter: große Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Viehställen. Der Solarboom treibt den Strompreis der Bürger.
Der CDU-Minister ist auf dem Weg zur Nordseeküste, «Energiewende vor Ort» lautet das Motto seiner viertägigen Sommerreise. Erster Halt bei der Seehundstation Friedrichskoog.
Mit Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) füttert Altmaier Seehunde, das gibt schöne Bilder. Dann klettert er kurz auf eine Seehundwaage, 141 Kilo blitzen an der blauen Digitalanzeige kurz auf. «Die Waage ist nicht geeicht», meint der gut genährte Saarländer.
Aber die Waage ist ein gutes Bild, auf Schritt und Tritt wird der 54-Jährige damit konfrontiert, dass er bei den Problemen der Energiewende abwägen muss.
Was tun gegen die Konkurrenz von Tank und Teller, die durch tausende Biogasanlagen verschärft wird? Den Biosprit E10 und die Biomasse-Förderung abschaffen? Wie soll dann mehr für den
Klimaschutz getan werden? Und würde dann nicht die Bioenergie-Branche gegen die Wand gefahren?
Altmaier will sich zum Ruf von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) nach einem E10-Aus wegen der Rekordstände bei Getreidepreisen bisher nicht äußern.
Intern aber rechnet sein Ministerium längst durch, ob es wirklich einen Zusammenhang zwischen E10 und Nahrungskrisen geben könnte. Er bleibt seiner Art treu, nicht auf jede Forderung eines FDP-Ministers zu reagieren, so schweigt er auch zum Ruf der Liberalen nach einer Abschaffung der von allen Bürgern über den Strompreis zu zahlenden Ökostrom-Förderung. Altmaiers Credo: Substanz statt Schnellschüsse.
An der Küste stellt sich die Frage, wie Windparks in der Nordsee gebaut werden können, ohne dass Seehunde und Schweinswale vor Lärm krank werden. «Hier wird uns die Verletzlichkeit der Natur vor Augen geführt», betont Altmaier.
Der Landrat von Dithmarschen, Jörn Klimant, klagt zudem, dass in Schleswig-Holstein bereits jährlich zweistellige Millionenbeträge Entschädigung für Windparks gezahlt werden müssen, die mangels Netzen ihren Strom nicht einspeisen können. Der Ausbau müsste mit dem Netzausbau synchronisiert werden.
Altmaier muss auch hier wägen. Nachdem er Montag im neonfarbenen Schutzanzug per Helikopter auf der Plattform im Offshore-Windpark Alpha Ventus eingeschwebt ist, redet er Tacheles.
Zum einen müssen die Seekabel zur Realisierung bestehender Projekte schneller kommen, Wartezeiten von 50 Monaten seien ein Unding. Und zum anderen könnten Nord und Süd nicht auf Teufel kaum raus eigene Wind-Ausbaupläne verfolgen. Bis zu 60 Prozent liegen die Pläne über dem Bedarf.
Ihn erwarten harte Gespräche mit den Ländern, um die Pläne etwas einzudampfen. Er warnt vor einem Förder-Wettlauf zwischen See- und Landwindparks.
Allerdings können die Mühlen auf See 4.500 Stunden Strom liefern, im Süden teils nur 1.700 Stunden. Schon jetzt droht eine soziale Schieflage bei den Strompreisen, weil Einkommensschwache Milliarden für die Solar- und Windstromförderung mitzahlen müssen.
«Ich bin ein lernendes System», sagt Altmaier. Er wägt und hofft zusammen mit den 16 Ländern noch 2012 auf einen Konsens in den grundlegenden Fragen, wie die Wende möglichst kostengünstig und ohne zuviel Windkraft ausgesteuert werden kann.
Je tiefer er bohrt, desto größer werden die Probleme. Ist das nicht zum Verzweifeln? «Für mich ist das ein Jungbrunnen», sagt Altmaier. Von Interessenskonflikten will er sich nicht zerreiben lassen.
Für die Fotografen posiert er im Watt, gern zeigt er auf irgendetwas. Die hochgekrempelte schwarze Anzughose ist ganz vermatscht. Nun zeigt er im Abendlicht mit dem Finger auf das Watt hinaus. Dummerweise genau auf die einzige deutsche Ölbohrplattform Mittelplate.
Aber irgendwie passt es auch. Er will Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnen und sieht sich daher auch als Wirtschaftspolitiker. Der zweite Energiewendeminister wird ob des Windmachers Altmaier immer mehr an den Rand gedrängt.
Denn Altmaier hat kein Problem damit, sich auch zur Ölförderung im Wattenmeer zu äußern. Auch wenn es eigentlich der Bereich von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ist.
Mit Blick auf RWE-Anträge für eine Förderausweitung sagt er, es gebe gute Gründe für die Ölförderung, um weniger abhängig von Importen zu sein. Auch hier müssten Chancen und Risiken abgewogen werden. Habeck muss da etwas schlucken - mehr Öl, so sieht seine Energiewende nicht aus. (dpa)