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15.08.2018 | 06:34 | Netzausbau 

Ausbau der Stromnetze hinkt Erwartungen hinterher

Bonn - Damit die Energiewende gelingt, müssen Tausende Kilometer neue Stromleitungen gebaut werden - doch dabei gibt es massive Verzögerungen. Das verursacht Milliardenkosten, auch für die Verbraucher.

Netzausbau
Deutschland liegt im Verzug - beim Bau neuer Stromleitungen. Die aber sind nötig, damit Windstrom vom Norden in den Süden kommt. Minister Altmaier gibt nun den Krisenmanager. (c) proplanta
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will nun gegensteuern. Der CDU-Politiker stellte am Dienstag einen Aktionsplan vor, um den Ausbau der Stromnetze deutlich zu beschleunigen.

«Wir haben einen Rückstand erreicht, der politisches Handeln notwendig macht», sagte Altmaier bei der Bundesnetzagentur in Bonn zum Auftakt einer dreitägigen Reise mit Stationen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Sein Ziel sei es, bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 beim Netzausbau «entscheidend» voranzukommen. Es gehe um eine «große Kraftanstrengung».

Nach aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur sind von erforderlichen 7.700 Kilometern beim Netzausbau im Zuge der Energiewende derzeit 1.750 Kilometer genehmigt und nur 950 realisiert. «Der Netzausbau kommt nicht so schnell voran wie er nötig wäre», sagte der Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. Altmaier sagte: «Das ist keine Zahl, mit der man sich sehen lassen kann.»

Der Aktionsplan sieht zum einen vor, den Bau neuer Leitungen zu beschleunigen. Für jedes Vorhaben soll es künftig ein vorausschauendes Controlling geben mit regelmäßigen Treffen der Beteiligten. Daneben sollen Planungsverfahren kürzer und das Vorschlagsrecht der Länder für zeitraubende Alternativplanungen beschränkt werden. Zum anderen sollen die bestehenden Stromnetze optimiert und höher ausgelastet werden.

Im Zuge der Energiewende ist der Ausbau der erneuerbaren Energien enorm vorangeschritten, ihr Anteil soll weiter massiv steigen. Derzeit liegt ihr Anteil am Stromverbrauch bei 36 Prozent, bis 2030 soll er bei 65 Prozent liegen. Energiequellen wie Kohle, Gas und Atomkraft sollen von umweltfreundlichen Energieträgern wie Sonne und Wind ersetzt werden. Bis 2022 soll das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet sein.

Die Entwicklungen haben aber enorme Folgen für das Stromnetz, das an seine Kapazitätsgrenze zu kommen droht. Denn der Windstrom muss von den Küsten in die großen Industriezentren im Süden und Südwesten transportiert werden. Dafür sind Tausende Kilometer neue Stromleitungen nötig. Die zentralen Stromautobahnen Südlink und Südostlink, die Milliarden kosten, sollen bis 2025 fertig sein. Daneben sind zahlreiche andere neue Trassen geplant.

Gegen den Bau neuer Strom-Autobahnen und neuer Leitungen gibt es an vielen Orten Widerstand von Anwohnern, Landwirten und Umweltschützern. Es gibt zahlreiche Einwände von Bürgern, lange Planungs- und Genehmigungsverfahren - aber auch Streit unter Bundesländern über den Verlauf von Trassen.

Altmaier sagte, er wolle keine Schuldzuweisungen betreiben. Es komme nun darauf an, dass alle Beteiligten konstruktiv zusammenarbeiteten. Der Wirtschaftsminister kündigte für den 20. September in Berlin einen «Netzgipfel» mit seinen Ministerkollegen aus den Ländern an. Er will außerdem im Herbst ein Gesetz zur Beschleunigung des Netzausbaus vorlegen.

Altmaier sagte, er wolle den Netzausbau zur «Chefsache» machen und mit allen Beteiligten den Dialog suchen, auch mit Bürgerinitiativen. Beim Ausbau der Netze sei Deutschland im Verzug, das verursache Kosten für die Verbraucher.

Im Norden müssen immer wieder Gas- und Kohlekraftwerke heruntergefahren oder Windparks abgeschaltet werden, weil sonst mehr Strom produziert würde, als die Netze aufnehmen können. Damit in den Verbrauchszentren vor allem im Süden nicht die Lichter ausgehen, müssen dort konventionelle Reservekraftwerke hochgefahren werden. Das kostet viel Geld. Im vergangenen Jahr stiegen die Ausgaben für diese Noteingriffe auf einen Rekordwert von 1,4 Milliarden Euro.

Bundesnetzagentur-Chef Homann sagte, in den 20er Jahren könnten diese Kosten auf mehr als vier Milliarden Euro steigen, wenn der Netzausbau nicht gelinge. Die Kosten für die Noteingriffe werden über die sogenannten Netzentgelte auf den Strompreis umgelegt und landen am Ende beim Verbraucher.

Wie sich der Strompreis entwickelt, hängt aber von vielen Faktoren ab. Homann hatte im Mai gesagt, entgegen einer verbreiteten Wahrnehmung sei der Strompreis seit 2013 recht stabil. Zu der Stabilisierung hätten Reformen bei den Netzentgelten beigetragen, mit Entlastungen für die Verbraucher.
dpa
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