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04.04.2012 | 14:53 | Spritpreise 

Benzinpreisrekord verschärft das Öl-Dilemma

Berlin - Für Ferdinand Dudenhöffer ist die Aufregung um die höchsten Benzinpreise aller Zeiten ein Sturm im Wasserglas.

An der Tankstelle
(c) proplanta
«Das Kartellamt produziert seit 30 Jahren nur heiße Luft», sagt der auf Automobilforschung spezialisierte Professor der Universität Duisburg-Essen. Jedes Jahr zu Ostern gebe es diese Debatten, die einzige echte Lösung werde aber nicht energisch genug angegangen.

Nun will das Kartellamt zwar konkret gegen die Ölmultis vorgehen, wie Behördenchef Andreas Mundt in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» betont - doch zunächst geht es nur darum, ob die Konzerne freien Tankstellen Kraftstoff teurer verkauft haben als an Endkunden ihrer eigenen Tankstellen. Zudem soll geprüft werden, ob die Konzerne - wie in Westaustralien praktiziert - am Vortag einen festen Spritpreis für ihre Tankstellen angeben müssen, der dann 24 Stunden gilt. Mundt prüft, die freien Tankstellen davon auszuklammern, diese könnten dann den Preis billiger anbieten, was den Wettbewerb stärken würde.

Doch bringt das etwas? Bisher blieb es oft bei Ankündigungen. Preise einzufrieren oder eine «Spritpreispolizei» würden eher dazu führen, dass «die Spritpreise höher als niedriger sind», betont Autoexperte Dudenhöffer. Die einzige echte Preisbremse wäre, dass nicht wie bisher von den 42,9 Millionen Autos in Deutschlands 98,6 Prozent Benzin- oder Diesel-Pkw sind. «Nur mit mehr alternativen Antrieben kommen wir aus dieser Situation», sagt Dudenhöffer.

Auch die Grünen machen sich für neue Wege und spritsparendere Modelle stark. Sie halten nichts von einer höheren Pendlerpauschale, die derzeit bei Politikern von Union und FDP hoch im Kurs steht. «Weg vom Öl» lautet der Slogan. Zumal eine höhere Pauschale durch neue Preisrunden an der Zapfsäule rasch wieder aufgefressen werden könnte. Denn statt 50 US-Dollar wie noch vor wenigen Jahren kostet ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent derzeit bereits 125 Dollar.

Viele Bürger in Deutschland steigen nun häufiger um: Carsharing nimmt zu, Mitfahrzentralen berichten von einem 25-Prozent-Plus und mit 10,9 Milliarden Fahrten gab es 2011 einen Rekord bei Bussen und Bahnen. Die Pauschale deckt schon lange nicht mehr auch nur annähernd die Kosten für diejenigen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren. Sollte sie die gleiche Entlastung wie noch 1991 bringen, müsste sie nach einer Bundestagsuntersuchung 74 statt 30 Cent betragen.

5 bis 10 Cent mehr würden das Preisproblem kaum lösen. Interessant ist, dass sich plötzlich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai die Macht erobern will, zum Anwalt der Autofahrer aufschwingt und trotz des Neins von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine höhere Pendlerpauschale ins Spiel bringt.

«Wenn Vertreter von CDU/CSU und FDP oder aus Wirtschaftsverbänden wegen gestiegener Spritpreise die Entfernungspauschale anheben wollen, dann ist dies nichts als Populismus», sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Die Zeit billigen Öls sei vorbei, für die Umwelt und für alle werde es immer teurer und riskanter, an die fossilen Treibstoffe zu kommen.

Seit 1974, als es erstmals autofreie Sonntage gab, wisse man um das Ölproblem, sagt auch Dudenhöffer. Bei der Suche nach Alternativen müsse daher etwas passieren, damit die Spritpreisdebatte nicht weiter zu Ostern gehöre wie der Hase. In Deutschland fahren erst 531.000 Autos mit Flüssig- oder Erdgas - die globalen Gasvorräte sind weit größer als die Ölreserven, zudem ist Gas klimafreundlicher. Hinzu kommen 47.640 Autos mit Hybridantrieb und nur 4.540 Elektroautos. «All dies machen wir nur halbherzig bis gar nicht», sagt Dudenhöffer.

Letztlich müssen sich viele Bürger daher auch an die eigene Nase fassen, schließlich gibt es bei spritfressenden Geländelimousinen (SUV) zweistellige Zuwachsraten. Die jüngsten Anstrengungen der Autobauer für geringere CO2-Ausstöße kämen nur durch Klimaauflagen der EU zustande, betont Dudenhöffer. Demnach dürfen nur noch 130 Gramm CO2 je Kilometer ausgestoßen werden. «Plötzlich hat man kleine Motoren gebaut und ist bei Hybridantrieben vorangekommen.» Am besten wäre es wohl, eine Quote einzuführen, dass Autobauer eine bestimmte Zahl an Modellen mit alternativen Betrieben bauen müssen, meint er.

Doch weltweit ist ein Umsteuern noch nicht erkennbar, daher dürfte der Ölhunger groß bleiben, zudem ist das Biospritpotenzial begrenzt. Das hat fatale Folgen auch für die deutschen Autofahrer, denn der Preis bleibt dadurch hoch. Weltweit wird wegen knapperer Ressourcen versucht, noch so tief liegende Öl- und Gasfelder zu erschließen.

Der immer weiter steigende Öl- und Gaspreis führt nach Meinung des Chefökonoms des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, zur mehreren klimaschädlichen Effekten. So werde der Abbau der klimaschädlichen Ölsande in Kanada rentabel, wo auf einer Fläche so groß wie England Öl aus Teersänden gewonnen werden könnte. Auch die Verstromung von Kohle lohne sich wieder. «Und der dritte wichtige Effekt ist, dass Länder wie China auch in die Kohleverflüssigung investieren, also Kohle einsetzen auch im Transportsektor.» Edenhofer fürchtet daher die größte «Kohlerenaissance der Industriegeschichte».
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