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13.02.2017 | 15:46 | Stromkosten 
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Besserer Schutz gegen Stromsperren gefordert

Düsseldorf - Mitte Januar bei eisigen Minustemperaturen ging bei Alex und ihren drei Töchtern das Licht aus: Stromsperre. Keine Heizung mehr, kein warmes Wasser.

Hohe Stromkosten
Seit dem Start der Energiewende hat sich der Strompreis verdoppelt. Das erhöht den Druck auf finanzschwache Stromkunden. Verbraucherschützer fordern in Härtefällen mit Kindern, Alten und Kranken mehr Schutz gegen Stromsperren. (c) proplanta
«In der Wohnung war es plötzlich fast so kalt wie draußen», sagt die 28-jährige Alleinerziehende.

«Hausaufgaben mussten wir bei Kerzenlicht machen, Zähneputzen mit eiskaltem Wasser und jeden Tag die Frage: «Mama, wann haben wir wieder Strom?»» Die Töchter von Alex sind 4, 7 und 9 Jahre alt.

Die junge Frau zählt zu den bundesweit mehr als 300.000 Haushaltskunden im Jahr, denen nach den jüngsten Zahlen der Bundesnetzagentur der Strom abgestellt wird - nach einem langen Mahnverfahren und gesetzlich vorgeschriebener Sperrankündigung mit letzter Zahlungsfrist. Sperrandrohungen gab es nach den amtlichen Zahlen aus dem Jahr 2015 sogar in knapp 6,3 Millionen Fällen - ein Massenphänomen.

Wie kann es dazu kommen?

Seit dem Jahr 2000 haben sich die Strompreise für Haushaltskunden auch durch die Zusatzlasten der Energiewende von 15 Cent pro Kilowattstunde auf um die 30 Cent verdoppelt. Die durchschnittlichen Realeinkommen sind im selben Zeitraum nur um rund fünf Prozent gestiegen. Besonders schwierig wird es oft für Hartz-IV-Empfänger: Der Energieanteil in den Hartz-IV-Regelsätzen deckt nach Meinung von Sozialverbänden den Strombedarf eines Ein-Personen-Haushaltes bei weitem nicht ab.

Zudem sitzen gerade viele arme Menschen in teuren Grundversorgungstarifen für ihren Strom fest; bei schlechter Bonität der Kunden schließen viele Versorger keine günstigeren Sonderverträge ab. Weil sie kein Geld haben, können sich viele keine neuen Geräte leisten und behalten ihre alten «Stromfresser». Ausgerechnet sie verbrauchen also überdurchschnittlich viel.

Warum reagieren die Betroffenen nicht eher?

Stromsperren kommen nicht über Nacht. Auch die Versorger bemühen sich - schon wegen des Einnahmeausfalls und des Imageverlustes durch spektakuläre Fälle - den letzten Schritt zu vermeiden. «Jeder Energieversorger ist bei Zahlungsrückständen an einer Lösung interessiert, die eine Sperrung verhindert», sagt eine Sprecherin des Branchenverbandes BDEW. Viele Versorger arbeiteten hierzu mit Schuldnerberatungen oder karitativen Einrichtungen zusammen.

Betroffene stecken aber oft bereits in einer Abwärtsspirale durch persönliche Umstände wie Überschuldung, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Scheidung. Hinzu kommen nach den Beobachtungen der Verbraucherzentralen oft fehlende Sprachfähigkeit und Alltagskompetenz: Die Stromkunden suchen viel zu spät Hilfe und verstehen nicht, dass Miet- und Energieschulden als erstes beglichen werden müssen, weil sonst die Existenz in Gefahr gerät.

Das trifft auch auf Alex zu: Sie hatte bereits Ende Oktober 2016 die Jahresrechnung mit 2063 Euro Nachforderung bekommen, aber nicht darauf reagiert. «Ich hatte Stress mit meiner Scheidung. Ich hab die Mahnungen einfach weggelegt», sagt sie. Zur Verbraucherzentrale ging die junge Frau erst am 17. Januar - da war der Strom schon eine Woche abgestellt, alle drei Töchter waren durch die Kälte bereits krank geworden.

Was können die Verbraucherzentralen tun?

Beraten und vermitteln. Viele Betroffene bekommen Hartz IV. Bei Stromsperren werden sie oft zwischen Versorger und Sozialbehörde hin- und hergeschickt und verlieren so kostbare Zeit. Die Beratungsstellen der NRW-Verbraucherzentrale helfen hier im Rahmen des landesweiten Vorreiterprojektes «NRW bekämpft Energiearmut», das von Stadtwerken und dem Land finanziell getragen wird. Mehr als 80 Prozent der Stromsperren konnten damit abgewendet und in mehr als der Hälfte der Fälle ein Wiederanschluss erreicht werden.

Der Berater im Fall von Alex bekam zum Beispiel sofort einen kompetenten Ansprechpartner beim Versorger ans Telefon. Zuvor war die junge Frau mit ihrer Bitte um Kostenübernahme bereits in der Empfangszone ihres Jobcenters abgewiesen und - als sie protestierte - des Hauses verwiesen worden. Einen Tag nach dem Anruf hatte sie wieder Strom. Später erreichte der Berater, dass das Jobcenter die Forderung des Stromversorgers übernahm. Künftig hilft er Alex außerdem, mit einem Haushaltsbuch ihre Ausgaben in den Griff zu bekommen.

Wie kann es überhaupt sein, dass man Familien mit kleinen Kindern den Strom abstellt?

Stromsperren müssen laut Gesetz verhältnismäßig sein. Nach einem Kieler Gerichtsurteil von 2013 sollen alte und schwer kranke Menschen von Stromsperren ausgenommen sein. Dasselbe gelte wohl auch für Neugeborene und kleine Kinder, wenn die Folgen der Sperre schwerwiegender sind als die Verletzung der Zahlungspflicht, sagt die Verbraucherzentralen-Juristin Stephanie Kosbab.

In der Verordnung sei dies aber viel zu vage formuliert. Es fehlten Regelbeispiele für solche Härtefälle. Vor dem schärfsten Mittel der Sperre müssten Ratenzahlungen oder Vorkasseoptionen geprüft werden. Auch das müsse ins Gesetz, denn Versorger handhabten dies sehr unterschiedlich, fordert die Juristin. Gefordert sind für sie aber auch die Verbraucher: Sie müssten bei persönlichen Problemen viel frühzeitiger auf die Energieversorger zugehen und ihre Lage schildern.
dpa
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Kommentare 
Hans Herrmann schrieb am 14.02.2017 09:21 Uhrzustimmen(54) widersprechen(17)
"Das trifft auch auf Alex zu: Sie hatte bereits Ende Oktober 2016 die Jahresrechnung mit 2063 Euro Nachforderung bekommen, aber nicht darauf reagiert." Hallo Wir sind ein 5 Personenhaushalt und verbrauch ca. 2.200kWh im Jahr und bezahlen um die 700 € im Jahr. Das soll die gute Frau erst mal was am Stromverbrauch ändern, dann jammern. Gruß Hans
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