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14.11.2022 | 05:26 | Biogasbranche 

Betreiber von Biogasanlagen legen Investitionen auf Eis

Freising - Die Ankündigung des Bundeswirtschaftsministeriums, die Erlöse aus der Stromerzeugung von Biogasanlagen nahezu vollständig abzuschöpfen, hat die Betreiber von Biogasanlagen erschüttert.

Biogasanlage
Laut Fachverband Biogas wurden wegen der drohenden Erlösabschöpfung in diesem Jahr rund 400 Millionen Euro nicht investiert - Für 2023 wird sogar ein Investitionsstau von rund 500 Millionen Euro erwartet - Stimmung in der Biogas- und Solarbranche auf dem Tiefpunkt - Rückendeckung aus Bayern von Kaniber und Aiwanger. (c) proplanta
Nach Angaben des Fachverbandes Biogas (FvB) hat eine Umfrage unter den Mitgliedsfirmen ergeben, dass in diesem Jahr rund 400 Mio Euro nicht investiert worden sind, weil die Branche durch die angekündigte Abschöpfung extrem verunsichert ist. Im kommenden Jahr erwartet der Fachverband sogar einen Investitionsstau von rund 500 Mio Euro.

„Geld, das jetzt sinnvoll eingesetzt werden könnte und müsste, um uns schneller unabhängig von Energieimporten zu machen und den Klimaschutz voranzubringen“, gab FvB-Vizepräsident Christoph Spurk am Montag vergangener Woche (7.11.) vor Medienvertretern zu bedenken. Die angekündigte Gewinnabschöpfung gleiche einer „Holzhammermethode“; sie sei „keine Chance, sondern ein Schritt zurück“.

Der Investitionswille und das Vertrauen seien innerhalb kürzester Zeit zerschlagen worden. FvB-Präsident Horst Seide brachte die schlechte Stimmung auf den Punkt: „Man raubt uns die Zukunftsoptionen. Die Lage ist sehr deprimierend“.

Keine Stromerzeugung dann sinnvoller



Laut dem Verbandspräsidenten ist es unter den aktuell diskutierten Vorgaben für Betreiber von Biogasanlagen ökonomisch sinnvoller, keinen Strom zu erzeugen. Denn neben der allgemeinen Inflation seien in diesem Jahr auch die Substratpreise gestiegen und damit die Kosten für die Stromproduktion.

Sollte die Abschöpfung der Gewinne in der geplanten Form tatsächlich umgesetzt werden, hätte dies sowohl Konsequenzen für die Wärmekunden der Biogasanlagen, die im schlimmsten Fall nicht mehr mit Heizenergie beliefert werden könnten, als auch für den Strompreis, warnte der FvB-Präsident.

Wenn die flexiblen Biogasanlagen wegfielen, würden die Gaskraftwerke am Ende der Erzeugerkette den Strompreis bestimmen und weiter in die Höhe treiben. Seide bekräftigte die grundsätzliche Bereitschaft seiner Branche, einen Beitrag zum Ausgleich der hohen Strompreise zu leisten - dies aber mit sinnvollen und realistischen Lösungen.

Vertrauensbruch durch die Politik



FvB-Hauptgeschäftsführer Dr. Claudius da Costa Gomez sprach von einem Vertrauensbruch durch die Politik. Diese habe einen empfindlichen Schaden angerichtet. „Wir sind wegen des Vorschlags im Schock“, so da Costa Gomez.

Um ihrem Unmut Luft zu machen und auf die Brisanz der Lage hinzuweisen, soll an diesem Mittwoch (16.11.) im Rahmen der EnergyDecentral in Hannover in der Messehalle 25 ab 17.30 Uhr die Beleuchtung für einige Minuten ausgeschaltet werden.

Parallel dazu will Seide im Forum der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) einen Appell an die Politik richten, und anschließend soll mit einer Schweigeminute mit Handylichtern den Forderungen Nachdruck verliehen werden. Darüber hinaus will die Biogasbranche in einer Online-Kampagne ihren Forderungen ein Gesicht geben.

Appell zu Augenmaß



Rückendeckung erhielten die Anlagebetreiber von Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Sie schilderte vergangene Woche Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck in einem Schreiben die dramatische Situation in der Branche und bat darum, Bioenergie von der Strompreisbremse vollständig auszunehmen.

„Ich bitte Sie dringend, bei der Ausgestaltung der Strompreisbremse Augenmaß walten zu lassen. Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“, so die Ressortchefin. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger wandte sich ebenfalls schriftlich an Habeck und stieß in die gleiche Kerbe: „Es kann doch nicht sein, dass die Anlagenbetreiber, die steuerbare, nachhaltige und erneuerbare Energie gerade jetzt auch für den Winter erzeugen, eine rückwirkende Abschöpfung ihrer Erlöse erfahren. Es versteht kein Mensch, warum die Bundesregierung hier nicht ihren Spielraum ausnutzt und diese Anlagen, soweit EU-rechtlich möglich, von der Abschöpfung ausnimmt“, so Aiwanger.

Massive Eingriffe



Auch in der Solarbranche drückt die geplante Erlösabschöpfung bei gewerblichen Betreibern erneuerbarer Energien kräftig auf die Stimmung. Bei einer vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) durchgeführten Blitzerhebung gaben drei Viertel der befragten Unternehmen an, Neuinvestitionen im Fall einer Erlösabschöpfung reduzieren oder verschieben zu wollen.

Der Umfrage zufolge erwarten die Unternehmen bei den besonders knapp kalkulierten förderfreien Solarprojekten auf Photovoltaik-(PV)-Neuinvestitionen die stärkste Bremswirkung, sollte es zu einer Erlösabschöpfung kommen. Mit einer Unwirtschaftlichkeit aller dieser Solarprojekte hätten immerhin 45 % der befragten Unternehmen gerechnet, betonte der BSW. Fast alle erwarteten, dass zumindest einige neue Solarprojekte unwirtschaftlich werden dürften.

Nach den Worten von BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig haben die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums mit der ursprünglich intendierten Abschöpfung von Zufallsgewinnen „nichts mehr zu tun“. Es handele sich vielmehr „um massive Eingriffe in die Erlösstrukturen der Energiewende“. Diese würden Neuinvestoren verschrecken und aufgrund der Ungleichbehandlung der Erneuerbaren gegenüber anderen Energieträgern klar gegen geltendes EU- und Verfassungsrecht verstoßen.
AgE
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