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06.09.2013 | 11:04 | Energiewende-Kosten 

Billige Energiewende bleibt Illusion

Berlin - Die Kanzlerin verliert sich bisher vor allem in Ankündigungen. Die Dynamik der Kostenentwicklung müsse gebremst werden, sagt Angela Merkel. Aber wie?

Energiewende-Kosten
(c) proplanta
Das sagt sie vor der Wahl nicht. Die CDU-Chefin kann sich glücklich schätzen, dass es bisher elf Prozent weniger Windstromproduktion als noch 2012 gibt - sonst würden die Strompreise noch weiter steigen.

Aber auch so drohen rund 40 Euro pro Haushalt mehr nur durch Förderkosten für erneuerbare Energien. 2014 wird damit eine Familie mit 3.500 Kilowattstunden Verbrauch über 1.000 Euro für Strom berappen müssen.

Daher wird händeringend nach dem goldenen Schlüssel zur Begrenzung der Kosten gesucht. Von mehr Druck auf die Versorger, die Preise zu senken, redet die SPD. Die Grünen fordern eine Kappung der Rabatte für die Industrie um vier Milliarden Euro.

Die FDP will hingegen ein Moratorium für den Bau neuer Wind- und Solarparks. Die Aussage von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin im Jahr 2004, die Energiewende koste die Bürger im Monat so viel wie eine Kugel Eis, ist jedenfalls ziemlich überholt. Heute ist es schon ein großer Familienbecher.

Am Donnerstag nun hat die Monopolkommission, die die Regierung in Wettbewerbsfragen berät, einen radikalen Vorschlag vorgestellt: Stopp für die Förderung erneuerbarer Energien. Denn klar ist: Der Ursprung des Strompreisanstiegs liegt darin, dass inzwischen 25 Prozent der Stromproduktion außerhalb des Marktes steht und über die Strompreise per Öko-Umlage gefördert wird. Nur: Der Vorschlag ist ein alter Hut.

Denn den jetzt wieder vorgeschlagenen Wandel zu einem Quotensystem hat das Beratergremium von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bereits 2011 angeregt. Grob gesagt geht es um Folgendes: Versorger müssen schrittweise bis 2020 rund 35 Prozent des Stromeinkaufs mit erneuerbaren Energien abdecken. Der jeweils günstigste Anbieter bekäme den Zuschlag, das wären wohl vor allem Windparks an Land.

Investitionen in Biogasanlagen, Solarparks und besonders in Windparks in Nord- und Ostsee könnten auf ein Minimum reduziert werden.

Es gäbe keine auf 20 Jahre garantierte Vergütung wie bisher. Die FDP unterstützt das Quotenmodell in ihrem Wahlprogramm, es ist interessant, dass rund zwei Wochen vor der Wahl die Kommission die Idee wieder in den Ring wirft. Während Umweltminister Peter Altmaier (CDU) das Modell als «interessant» bezeichnet, betont der Chef des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth: Quotenmodelle erschwerten wegen der hohen Investitionsrisiken eine breite Beteiligung der Bürger.

«Dies verringert die Akzeptanz für die Energiewende.» Weil durch die Quote eher in Windanlagen an den besten Standorten investiert werde, könne es zu regionalen großen Konzentrationen kommen, was sicher zu Widerständen bei den Bürgern führen werde, so Flasbarth.

Die Grünen warnen vor einem Abwürgen des Ausbaus. Dann könne der Ökostrom zur Erfüllung der Quoten zu bestimmten Zeiten so teuer sein, dass das zu höheren Kosten als derzeit führen kann.

Investoren würden zudem durch eine wachsende Planungsunsicherheit hohe Risikoaufschläge verlangen, die sie auf den Kilowattstundenpreis aufschlagen, meint der Bundesverband erneuerbare Energien. Und Bürgerwindparks und Energiegenossenschaften könnten wegbrechen, da das System die Macht großer Versorger stärkt, weil sie bestimmen, woher sie ihren Grünstrom beziehen. «Das wäre die Remonopolisierung der Energieversorgung», warnt Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD).

Die Frage ist, ob ein großer Wurf überhaupt möglich ist. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) würde ja parallel weiterbestehen.

Es besagt, dass alle bisher laufenden Biogasanlagen, Windräder und Solarparks auf 20 Jahre garantiert Vergütungen über den Marktpreisen bekommen - die Differenz zwischen Vergütung und dem für den Strom im Verkauf erzielten Preis wird per Umlage auf die Strompreise gewälzt.

Derzeit sind es 5,277 Cent je Kilowattstunde, 2014 bis zu 6,5 Cent - was bei 3.500 Kilowattstunden im Jahr pro Haushalt rund 225 statt derzeit 185 Euro ausmacht. Dieser ganze Batzen von derzeit 20,3 Milliarden Euro im Jahr muss noch jahrelang weiter bezahlt werden - für bestehende Anlagen gilt Bestandsschutz. Über 110 Milliarden Euro an Ökostrom-Vergütungen sind bereits seit dem Jahr 2000 geflossen.

Daher kann es bis weit in die 20er Jahre wahrscheinlich kaum sinkende Strompreise geben - da der Ökostrom an der Strombörse derzeit zu Ramschpreisen gehandelt wird, wächst die Differenz zu den Vergütungen und damit die Umlage. Das verursacht primär den Anstieg, selbst ohne neue Windräder und Solardächer würde die Umlage steigen. Das zeigt, wie sehr das ganze System aus dem Ruder gelaufen ist.

Um nicht ein ganz neues Parallelmodell zu schaffen, spricht Merkel von einer grundlegenden EEG-Reform. Diskutiert wird eine Kappung von Vergütungen für Windparks in windreichen Gegenden. Beim Solarstrom hat Umweltminister Altmaier mit den Ländern bereits ein Förderende bei einer installierten Leistung von 52.000 Megawatt vereinbart, 2016 könnte es so weit sein.

Es bleibt die Frage, was mit Offshore-Windparks passiert. Hier werden bei sehr hohem Stromertrag in den ersten Jahren die höchsten Vergütungen von 19 Cent die Kilowattstunde gezahlt werden - die Strompreise könnten durch die Decke schießen. (dpa)
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