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12.12.2021 | 10:00 | Marktanalyse 

Biodieselverbrauch explodiert in Europa 2022

Berlin - F.O. Licht rechnet für 2022 mit einem kräftig steigenden Biodieselverbrauch in der Europäischen Union.

Biodieselverbrauch 2022
Laut dem Ratzeburger Analysehaus könnte das Plus bei fast 10 Prozent gegenüber demPandemiejahr 2021 liegen. (c) Georgi Roshkov - fotolia.com
Laut einer aktuellen Prognose des Ratzeburger Analysehauses soll der Verbrauch an Biodiesel (FAME) sowie Hydriertem Pflanzenöl (HVO) in den 27 EU-Mitgliedstaaten gegenüber dem laufenden Jahr zusammen um fast ein Zehntel auf 18,4 Mio. t klettern. Der Verbrauch kann laut den Statistiken nicht vollständig aus der EU-Produktion gedeckt werden, obwohl diese im Jahresvergleich von 12,9 Mio. t auf gut 15 Mio. t wachsen soll. Durch den Nachfrageüberhang dürften die ohnehin knappen Lagerbestände an Biodiesel im kommenden Kalenderjahr von etwas unter 2 Mio. t auf 1,4 Mio. t schrumpfen, trotz Nettoimporten in Höhe von rund 2,7 Mio. t.

Bei einem am Mittwoch (8.12.) gemeinsam von der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) und dem Bundesverband Bioenergie (BBE) ausgerichteten Fachseminar zur Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen begründete F.O. Licht-Marktanalyst Dr. Claus Keller den boomenden Biodieselverbrauch mit der von der Politik in ganz Europa forcierten Dekarbonisierung des Verkehrssektors.

Aufgrund der erst am Anfang stehenden Elektrifizierung komme man um eine steigende Biodieselzumischung bei der Bestandsflotte nicht herum, argumentierte Keller. Er berichtete bei der virtuellen Veranstaltung von schweren Verwerfungen auch am deutschen Biodieselmarkt. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 sei einerseits das Kontraktgeschäft erschwert. Zudem hätten auf der Inputseite „einige hunderttausend Tonnen“ Speiseöl aufgrund einer stark eingeschränkten Gastronomie gefehlt.

Absatzknick beim Biodiesel

Allein in Deutschland sind dem Marktanalysten zufolge im Jahr 2020 fast 3 Mio. t Biodiesel verbraucht worden, und zwar überwiegend im Verkehr. Die steigende Nachfrage sei der gesetzlich fixierten und weiter wachsenden Treibhausgas (THG)-Minderungsquote in Deutschland geschuldet. Um eine Vertragsstrafe zu vermeiden, würden die Mineralölkonzerne ihren fossilen Treibstoffen Biodiesel und Bioethanol beimischen. Dadurch seien 2020 immerhin rund 14 Mio. t CO2 quotenwirksam im Straßenverkehr vermieden worden seien.

Für 2021 müsse hierzulande laut den Zahlen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zumindest vorübergehend mit einem Absatzknick beim Biodiesel gerechnet werden, was der Marktexperte mit Unterbrechungen der Lieferkette für Katalysatoren zur Produktion von Fettsäuremethylester, hohen Pflanzenölpreisen und Unsicherheiten beim Absatz durch den drohenden Lockdown begründete.

Palmöl als Auslaufmodell


Keller wies bei dem Fachseminar von UFOP und BBE darauf hin, dass die deutschen Hersteller mengenmäßig „locker in der Lage wären“, die heimische Nachfrage nach Biodiesel abzudecken. Trotzdem werde ein Teil des Bedarfs über Importe gedeckt, da ausländische Wettbewerber mitunter Zugang zu billigeren Rohstoffen hätten, darunter Soja- und Palmöl.

Allerdings werde Palmöl in den kommenden Jahren massiv an Gewicht in der EU verlieren, da es in immer mehr Ländern nicht mehr quotenwirksam zu Biodiesel verarbeitet werden dürfe. Als kurzfristiger Ersatz könnte die vermehrte Verarbeitung von Altspeiseölen oder Rapsöl in Frage kommen, wozu allerdings der Anbau der schwarzen Ölfrucht in Europa weiter ausgedehnt werden müsste.

Rapspreis auf Rekordniveau

Angesichts der aktuell knappen Verfügbarkeit von Pflanzenölen sieht Keller wenig Preissenkungspotential bei den zukünftig noch zugelassenen Rohstoffen für die Biospritherstellung. Nicht zuletzt aufgrund der rekordhohen Rapspreise - an der europäischen Leitbörse Matif kostete der Frontmonat Februar 2022 am Freitagnachmittag 715 Euro/t - rechnet Keller für 2022 mit einer ordentlichen Rapsernte in Deutschland und Europa, und auch der Import werde sich im kommenden Jahr normalisieren. Nichtsdestotrotz bleibe die Rapsbilanz auch 2022 absehbar eng.

Druck aus dem Kessel könne allenfalls eine bessere Verfügbarkeit alternativer Pflanzenöle nehmen. Für die deutschen Biodieselhersteller hatte Keller den Rat, losgelöst von der europäischen Erneuerbaren-Energien- Richtlinie (RED II) den Umfang der Elektrifizierung im Straßenverkehrs genau im Blick zu behalten. „Weniger fossiles Diesel bedeutet weniger Absatzpotential für Biodiesel“, gab Keller zu bedenken. Eine Erhöhung der Beimischungsgrenzen für Biodiesel, zum Beispiel B10, könnte diesem Negativtrend entgegenwirken. Ihm sei aber in dieser Hinsicht keine politische Initiative bekannt.

Richtungswechsel in der Energiepolitik

Die anstehende Reform von RED II bedeutet aus Sicht des Analysten nichts weniger als ein Richtungswechsel in der europäischen Energiepolitik, weg vom reinen Anteil erneuerbarer Energien hin zu THG-Minderungsintensitäten. „Die neue Währung sind vermiedene CO2 Emissionen, und nicht wie bisher Joule oder Kilowattstunden“, ergänzte Keller. Der aktuelle Run auf treibhausgaseffiziente Rohstoffe dürfte seiner Einschätzung nach künftig „noch schlimmer“ werden.

Wolle Biodiesel aus Anbaubiomasse im Verkehrssektor mithalten, bedeute dies hohe Anforderungen an die Innovationskraft des Sektors, da es sonst für das Beiprodukt FAME mit seinen strikten Beimischungsvorschriften schwierig werde, sich im Wettbewerb zu behaupten.

Marktanteile von HVO steigen

Keller geht davon aus, dass sich der EU-Markt mit seinen nach oben schießenden Dekarbonisierungszielen mit einer stark wachsenden Nachfrage nach THG-effizientem Kraftstoff aus Nordamerika konfrontiert sehen wird. Stichworte seien hier die Reform des Renwable Fuel Standard (RFS) in den USA und der Clean Fuel Standard in Kanada.

Und auch die Luft und Schifffahrt wollten sich dekarbonisieren - in Europa wie in Nordamerika. Die Bio-Kerosinhersteller setzten dabei auf die gleichen Rohstoffe wie die Biodieselhersteller. Produzenten von FAME müssten sich also rechtzeitig neu positionieren oder sich Nischen suchen.

Keller verwies in diesem Zusammenhang auf steigende Marktanteile von HVO am Biodieselabsatz. Dieser werde 2022 bei 4,3 Mio. t liegen, was einer Verdopplung gegenüber 2018 entspreche. Je mehr hydriertes Pflanzenöl im Markt sei, desto mehr würden die Absatzchancen für Fettsäuremethylester sinken. Denn HVO sei in der Mineralölindustrie beliebt, da es von ihr selbst hergestellt werde und Vorteile bei Preis und Anrechenbarkeit gegenüber FAME habe. „Wenn Mineralölhändler und Raffinerien HVO nehmen können, tun sie es in der Regel auch“, so Kellers Erfahrung.

Finanzhilfen für die US-Konkurrenz

Unter den Auswirkungen der Pandemie hat offensichtlich auch die US-Biospritindustrie gelitten, wo traditionell große Teile der Körnermaisernte versprittet werden. In der vorigen Woche hat das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) deshalb ein 800 Mio $ (709 Mio. Euro) schweres Hilfsprogramm aufgelegt. Über das Biofuel Producer Program (BPP) hat das US-Agrarressort bis zu 700 Mio. $ (620 Mio. Euro) an Direktzahlungen für Biokraftstoffhersteller bereitgestellt, die aufgrund der Pandemie unerwartete Marktverluste erlitten haben.

Hinzu kommen 100 Mio. $ (89 Mio. Euro) an Zuschüssen beim Kauf technischer Anlagen. Indirekt werden dadurch auch die US-Farmer subventioniert, die Mais, Sojabohnen oder Biomasse anbauen und durch den pandemiebedingt reduzierten Ausstoß an Biodiesel und Bioethanol ebenfalls Umsatzeinbußen für ihre Verkaufserzeugnisse zu beklagen hatten.

Umrechnungskurs: 1 $ = 0,886 Euro
AgE
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