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26.08.2017 | 07:41 | Energiepolitik 

Erdwärmenutzung durch Atomendlagersuche erschwert

Dresden - Die strahlenden Altlasten der Atompolitik sollen unter die Erde. Doch wo das Atommüllendlager hinkommen soll, ist umstritten. Haben will es keiner.

Abfälle der Atomkraft
Die Geothermie ist auf dem Vormarsch. Allein im vergangenen Jahr kamen bundesweit mehr als 20.000 neue Anlagen zur Nutzung der Erdwärme hinzu. Ausgerechnet die Suche nach einem Atomendlager stellt dem weiteren Ausbau der regenerativen Energieform Hürden in den Weg. (c) proplanta
Die aufwendige Standortsuche erschwert auch die Nutzung einer sauberen Energie, der Geothermie.

Sachsen ist bundesweit führend beim Ausbau dieser Erdwärmenutzung. Der Zuwachs neu installierter Leistung aus geothermischen Anlagen ist hier gemessen an der Einwohnerzahl besonders hoch. Ginge es nach Umweltminister Thomas Schmidt (CDU), sollte das auch so weitergehen.

Doch damit die von der Politik viel beschworene «Weiße Landkarte» bei der Endlagersuche weiß bleibt und keine potenziellen Standorte unbrauchbar werden, dürfen sie durch Bergbau nicht mehr so einfach «angebohrt» werden.

«Wer tiefer als 100 Meter bohren will, braucht deshalb neuerdings das Einvernehmen des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE)», ärgert sich Schmidt. «Diese Regelung könnte uns den Ausbau der Geothermie erschweren.»

Für das neu gegründete BfE ist es eine der ersten Aufgaben. «Bei der anstehenden Suche nach einem Endlagerstandort soll kein Ort von vornherein bestimmt oder ausgeschlossen werden, auch nicht dadurch, dass beispielsweise durch Tiefenbohrungen ein möglicherweise geeignetes Gesteinsvorkommen für die Endlagerung beeinträchtigt oder gar unbrauchbar wird», sagt der Präsident der Bundesanstalt, Wolfram König, und spricht von einem fairen Verfahren.

Der Bundesverband Geothermie befürchtet hingegen, «dass die Geothermie für die Vergangenheitsbewältigung der Atomenergie büßen muss». Für ihn sei die weiße Landkarte ohnehin nur ein politischer Kompromiss, sagt Verbandspräsident Erwin Knapek.

«Man tut so, als würde man überhaupt nichts wissen über den Untergrund. Im Grunde geht man davon aus, dass das Endlager überall in Deutschland - also auch unter jeder Stadt und jeder Ansiedlung et cetera - möglich ist.» Er findet das «irrsinnig». Dabei wisse man bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover schon sehr gut, wo solch ein Endlager überhaupt möglich sei, sagt Knapek. «Die Karten sind auch vorhanden.»

Diese Karten zeigten ganze Landstriche, die für ein Endlager ungeeignet seien - beispielsweise Südbayern. «Da gibt es keine Salzstöcke, keine entsprechenden Tonschichten und auch keinen trockenen Granit.» Dennoch halte das BfE hier wie an jedem anderen Ort in Deutschland an den Regelungen zum Schutz möglicher Endlagerstandorte fest.

Gerade in der oberflächennahen Geothermie in Schichten bis 200 Meter geht es um Zehntausende Anträge - häufig von Häuslebauern, die mit Erdwärme heizen oder kühlen wollen. 20.700 Anlagen kamen allein im vergangenen Jahr bundesweit hinzu.

Auch wenn die BfE angesichts des zu erwartenden Bearbeitungsaufwandes eine Sonderregelung eingeführt habe, durch die das Einvernehmen für oberflächennahe Bohrungen automatisch als erteilt gilt, wenn es binnen acht Wochen keinen anderslautenden Bescheid gibt, koste das Antragsverfahren zumindest Zeit, sagt Knapek. Überhaupt glaubt er nicht, dass das noch im Aufbau befindliche BfE schon genügend qualifiziertes Personal hat, um der Antragsflut Herr zu werden.

Er fürchtet, dass aufgrund dieser Unsicherheiten sich so mancher Eigenheimbesitzer gegen die klimafreundlichere, aber etwas teurere Heizungsart entscheiden könnten. «Gerade bei der oberflächennahen Geothermie sind kleine und mittelständische Firmen aktiv und die könnten dadurch auch in Schwierigkeiten kommen. Da geht es um Arbeitsplätze», warnt Knapek.

Rüdiger Grimm ist Geologe und Inhaber eines solchen mittelständischen Unternehmens in der sächsischen Bergbaustadt Freiberg. Für ihn bedeutet das neue Genehmigungsverfahren zusätzlichen Aufwand und Kosten. «Denn es führt dazu, dass wir die Anlagen jetzt auf 100 Meter umplanen.»

Gemeint ist, dass mehrere Erdwärmesonden auf eine Tiefe von unter 100 Meter gebracht werden, um den Temperaturverlust gegenüber einer einzigen, in tieferen und damit wärmeren Schichten platzierten Sonde auszugleichen.

«In den letzten zwei Monaten habe ich keine Anträge mehr gestellt, die tiefer als 100 Meter gegangen sind», sagt Grimm. Für die Nutzung der Erdwärme sei dieses Vorgehen jedoch nicht das Beste und mithin ein Wettbewerbsnachteil.

Sachsens Umweltminister Schmidt hält den Zustand für unhaltbar. «Wir haben deshalb dem Bundesamt vorgeschlagen, für Bohrungen bis 200 Meter Tiefe in Kristallin generell das Einvernehmen zu erteilen, ohne Einzelprüfung.»

Für die Suche nach einem Endlager in kristallinem Gestein wären solche Bohrungen unschädlich, da hier von einem 300 bis 1.500 Meter starkem Deckgebirge oberhalb des Wirtsgesteins ausgegangen werde. «Die Regelung würde daher beim Bundesamt viel Aufwand sparen und der Ausbau der Geothermie könnte ungehindert vorangehen.»

Flasbarth sieht hinter dem Vorschlag aus Dresden hingegen die Motivation, das «Standortauswahlgesetz mit fadenscheinigen Gründen zu diskreditieren». Bereits im Gesetzgebungsverfahren habe Sachsen versucht, den im Freistaat vorkommenden Gesteinstyp «Kristallin/Granit» aus dem Suchverfahren auszuschließen «und sich damit aus der Mitverantwortung zu stehlen», sagt er.
dpa
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