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11.08.2022 | 00:02 | Energieversorgung 

Gasspeicher über 72 Prozent gefüllt - Kein Anlass zur Panik

Wiesbaden - Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat die Handlungsfähigkeit von Land und Bund in der Energiekrise betont.

Gasversorgung
Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Energieversorgung werden nicht nur diesen, sondern auch im nächsten Winter zu spüren sein, prognostiziert Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). (c) pioregur - fotolia.com
«Die Situation ist ernst, aber es gibt keinen Grund zur Panik», sagte der Regierungschef am Mittwoch nach dem hessischen Gasgipfel in Wiesbaden. «Wir sind vorbereitet.»

Nicht nur private Haushalte, sondern auch Unternehmen seien von den Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine betroffen. Die Landesregierung stehe aber im ständigen Austausch mit Wirtschafts- und Sozialverbänden, Gewerkschaften sowie den Energie- und Industrieunternehmen. «Wir wollen niemanden in dieser Situation alleine lassen.»

Die Landesregierung habe einen Krisenstab als zentrale Kommunikationsstelle zum Bund eingerichtet, erklärte Rhein. «Nun muss es aber darum gehen, dass wir alle gemeinsam Zukunftsvorsorge betreiben, indem wir Energie und insbesondere Gas dort einsparen, wo es möglich ist.» Der Ministerpräsident forderte die Bundesregierung deshalb auf, einen Energiesparpakt von Bund, Ländern und Kommunen zu organisieren. Vor der Einführung der Gasumlage zum 1. Oktober müsse die Bundesregierung dafür ein Gesamtkonzept vorlegen.

Nach Angaben des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sind die deutschen Gasspeicher mittlerweile über 72 Prozent gefüllt. «Das ist besser als in den letzten Wochen und Monaten.» Müller zeigte sich sehr zuversichtlich beim Erreichen des Ziels, bis zum 1. September eine Füllung der Gasspeicher von 75 Prozent zu erreichen. «Da sind wir auf einem guten Weg.»

Die Lage sei jedoch aus Sicht der Bundesnetzagentur weiter angespannt, da nur etwa 20 Prozent der vertraglich zugesicherten Gasmenge aus Russland geliefert werde, sagte Müller nach dem Spitzengespräch mit gut 30 Teilnehmern von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Sozialverbänden sowie großen gewerblichen Energieverbrauchern und Energieversorgern. Um eine Gasmangellage zu vermeiden, müsse zudem deutlich mehr Gas eingespart und neue Gasquellen müssten erschlossen werden. 

Die «Wirtschaftsweise» Veronika Grimm sprach sich erneut für eine längere Laufzeit für deutsche Kernkraftwerke aus. Den Streckbetrieb der Atomkraftwerke sollte man sehr umfassend erwägen, sagte die Ökonomin. Auch für die kommenden Jahre sollten die Kernkraftwerke ihr zufolge als eine Art Sicherheit weiter im Betrieb gelassen werden, um Spielräume zu haben.

Der Gasverbrauch müsse in den nächsten Monaten massiv gesenkt werden, betonte Grimm. Das wichtigste Instrument seien hohe Gaspreise, die Anreize zu umfassenden Einsparungen gäben. «Die Notwendigkeit, die hohen Preise an die Verbraucher weiterzugeben, muss klar kommuniziert werden», mahnte die «Wirtschaftsweise». «Härten, die daraus entstehen, sollten von vornherein abgefedert werden.»

«Wir werden die Energieversorgung bis 2030 nur mit einem Energie-Klettblatt aus erneuerbaren Energien, Kohle, Erdgas und Mineralölen sicherstellen können», sagte der Ministerpräsident. Es sei eine «360-Grad-Technologieoffenheit» erforderlich. Zur Kernkraft-Debatte sagte Rhein: In der aktuellen Situation sei es dringend nötig, keine Optionen auszuschließen. «Das ist kein Zurück zur Kernenergie. Ich glaube, dieses Zurück wird es nicht mehr geben». Es gehe nun darum zu prüfen, was machbar und verantwortbar sei. Die Frage der Endlagerung sei etwa noch offen und nicht beantwortet.

Der DGB und die Gewerkschaft Verdi forderten die Landesregierung auf, die Beschäftigten der Energiewirtschaft nicht aus dem Blick zu verlieren. Es dürfe nicht nur über die Verbraucher geredet werden, betonte Verdi- Landesbezirksleiter Jürgen Bothner. «Es muss auch um die gehen, die unsere Energie her- und bereitstellen.»

Die Beschäftigten in Stadtwerken, bei Regionalversorgern und in der Gaswirtschaft erwarteten eine Absicherung - etwa durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld sowie einen Schutzschirm für die Energieversorger. Weiter sagte Bothner, die Versorgung mit Gas, Strom und Wärme sei eng miteinander verflochten. «Wenn einzelne Versorger dort in Folge von Insolvenzen herausbrechen, ist die gesamte Versorgungssicherheit gefährdet.» In der hessischen Energiewirtschaft sind laut Statistischem Landesamt rund 20.000 Menschen beschäftigt.

Die Vize-Vorsitzende des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, Renate Sternatz, mahnte ein Maßnahmenpaket von Schwarz-Grün in Abstimmung mit dem Bund an, um die Energieversorgung und die Beschäftigung zu sichern. Die Koalition sollte die Planung und Genehmigung von Investitionen zur Nutzung von Gasalternativen in industriellen Prozessen und zur Energieerzeugung beschleunigen. Dazu sollten die Genehmigungsverfahren erleichtert und das öffentliche Personal in den Bereichen Bau, Planung und Genehmigung deutlich aufgestockt werden.

Kritik kam auch von der Landtagsopposition. Der Energieexperte der SPD-Fraktion, Stephan Grüger, warf der Landesregierung vor, kein eigenes Konzept zur Entlastung der Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zu haben. Der Gasgipfel habe «viel heiße Luft produziert, mit der man aber leider nicht heizen kann».

Die Vorsitzende der Linksfraktion, Elisabeth Kula, betonte, dass ihre Partei hohe Gaspreise als notwendige Sparanreize entschieden ablehne. «In der Industrie mag dieser marktwirtschaftliche Ansatz vielleicht noch funktionieren, aber eine Familie kann irgendwann nicht mehr weniger heizen.» Wärme und Strom seien keine Ware wie jede andere. Die Landesregierung müsse die Versorgung mit diesen Existenzgrundlagen sicherstellen.

Die AfD-Fraktion sprach sich für die Einrichtung eines Krisenstabs Versorgungssicherheit aus. Derzeit könnten weder kommunale Belange noch lokale Zusammenhänge direkt an die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler herangetragen werden, erklärte der Energieexperte Andreas Lichert. Daher sollten die Beiträge der Landkreise und kreisfreien Städte auf Landesebene gebündelt und in die entsprechenden Bundesgremien eingespeist werden.
dpa
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