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28.05.2011 | 08:32 | Spritpreise 

Kartell ohne Worte: An der Tankstelle ändert sich nichts

Bonn/Berlin - Drei Jahre lang hat das Bundeskartellamt den Benzinmarkt in Deutschland untersucht; am Ende standen weitgehend bekannte Ergebnisse.

Spritpreise
Wie schon in seinem Zwischenbericht vor zwei Jahren beschreibt die Wettbewerbsbehörde die stumme Zwiesprache zwischen den großen Mineralölgesellschaften, die wie bei einem Tanz den Rhythmus im Takt des Marktes halten. Ein großer Schritt nach vorn, zwei kleine zurück, dann wieder nach vorn.

Verboten ist das nicht und das Kartellamt kann auch nichts dagegen tun. «Direkte kartellbehördliche Maßnahmen halten wir nicht für erfolgversprechend», heißt es in dem Bericht des Amtes. Auch mit einer Preisaufsicht könnte das Preisniveau bestenfalls auf das Niveau der freien Tankstellen gedrückt werden. Die hohen Erwartungen bei Autofahrern, ADAC und Politik sind damit enttäuscht worden. Deutlich niedrigere Benzinpreise sind selbst dann nicht zu erwarten, wenn der Tankstellensektor völlig neu organisiert würde.

Der Gewinn an der Tankstelle beträgt nach nicht widerlegten Angaben der Branche im Durchschnitt einen Cent je Liter. Durchschnitt heißt: Es können auch mal vier Cent sein an einem Freitagnachmittag, dafür vielleicht aber null Cent am Montagmorgen. Selbst wenn man unterstellt, dass die Unternehmen den Gewinn schönrechnen und er zwei- oder dreimal so hoch wäre - mehr als maximal zwei Cent für den Autofahrer kommen da nicht heraus. «Wenn es nur noch No-Name-Tankstellen ohne Konzernbindung gäbe, wären deren Kosten höher», sagt der Düsseldorfer Wettbewerbsökonom Hans-Theo Normann von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. «Das könnte unter dem Strich noch teurer werden.»

Der Autofahrer bezahlt am Ende an der Tankstelle nicht im wesentlichen für den Einzelhandel, sondern für alle Schritte, die für die Herstellung des Benzins notwendig sind. Das reicht von der Erforschung neuer Öllagerstätten über die kapitalintensive Förderung des Rohöls, den Transport, die Verarbeitung und den Großhandel bis hin zur Zapfsäule. An der Tankstelle spürt er zwar den Schmerz, die Ursachen liegen aber tiefer.

Öl ist Big Business. Konzerne wie Shell, ExxonMobil und BP gehören zu den größten der Welt und erreichen Umsätze, die mit der Wirtschaftsleistung von Staaten wie Dänemark oder Finnland vergleichbar sind. Ihre Milliardengewinne werden letztlich von den Endverbrauchern bezahlt, also von Industrie, Autofahrern und Haushalten. Sie fallen aber im wesentlichen bei der Förderung des Rohöls an. Die Förderkosten sind je nach Lagerstätte recht unterschiedlich, sie liegen aber im Durchschnitt weit unter den 112 Dollar je Barrel, die gegenwärtig auf dem Weltmarkt bezahlt werden. Nach der Förderung ist das Öl Rohstoff und Handelsware; das meiste Geld damit ist bereits verdient.

Der deutsche Marktführer Aral verdient mit dem Verkauf von zehn Milliarden Liter Sprit an 2.500 Tankstellen ungefähr 100 Millionen Euro im Jahr. Der Gewinn aller 15.000 Tankstellen in Deutschland aus dem Benzinverkauf ist nicht genau bekannt; er dürfte ungefähr eine halbe Milliarde Euro betragen. Das ist nicht viel, gemessen am Aufwand. Das staatliche Aufkommen aus der Mineralölsteuer liegt dagegen über 40 Milliarden Euro. Der Gewinn einer einzelnen Tankstelle beträgt je nach Größe bei 50.000 bis 100.000 Euro im Jahr; davon kommt allerdings der größte Anteil aus dem Shopgeschäft. Allein vom Benzin könnten die meisten nicht leben.

Das Kartellamt selbst will nun schärfer aufpassen, keine weitere Konzentration in dem Markt zulassen und Lieferverträge überprüfen. Verschiedene Maßnahmen, die von Politikern ins Feld geführt wurden, verwirft das Amt. Zum Beispiel die österreichische Regelung, nach der Preise nur einmal am Tag erhöht werden dürften. Dadurch sei keine nachhaltige Wirkung auf das Preisniveau zu erwarten, weil die Preiszyklen lediglich verlangsamt würden.

Auch eine Entflechtung, wie sie am Donnerstag von mehreren Politikern gefordert wurde, dürfte die Branche kaum schrecken. Bei den multinationalen Konzernen gilt das deutsche Tankstellengeschäft als vergleichsweise ertragsschwach, sowohl im Vergleich zu anderen Ländern als auch zu anderen Geschäftsbereichen. Große Gesellschaften wie Shell haben sich schon von mehreren Raffinerien getrennt, weil sie nicht genug abwerfen und das Geld im Upstream-Sektor profitabler angelegt werden kann. Sie würden ihre Milliardengewinne auch ohne eigenes Tankstellennetz einfahren. (dpa)
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