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02.08.2010 | 02:02 | Landwirtschaftliches Hauptfest 2010  

Milch und Gas - Teller und Tank

Stuttgart - Es sind inzwischen an die 700 Anlagen, die in Baden-Württemberg aus Biomasse Strom produzieren.

Nachwachsende Rohstoffe
Viele landwirtschaftliche Betriebe sind aufgrund der Entwicklungen an den Agrarmärkten und den politischen Rahmenbedingungen in die Bioenergieproduktion eingestiegen.

Die wesentliche Triebfeder für den Boom der Bioenergieerzeugung ist der stetig steigende Ölpreis. Schon seit Jahren wird über das Ende des Ölzeitalters diskutiert und die führenden Industrienationen der Welt streben nach einer Energieversorgung unabhängig des schwarzen Goldes. Die Biomasse gilt dabei als wichtige Größe im Energiemix der Zukunft. Der Landwirt als Ölscheich des 21. Jahrhunderts – so ist häufig in der Presse zu lesen.


Biomasse als wesentlicher Energieträger der Zukunft

Die Zielvorgaben der Politik sind ambitioniert. Deutschland will 16 Prozent des Primärenergieverbrauchs bis 2020 durch Erneuerbare Energien decken. Davon sollen elf Prozent aus Biomasse stammen. Allein Baden-Württemberg hat sich bis 2020 zum Ziel gesetzt, 20 Prozent des Stromverbrauches und 16 Prozent des Wärmebedarfs aus Erneuerbaren Energien zu decken. Mit 6,5 Prozent und 13,2 Prozent soll die Biomasse dabei ein wesentlicher Energieträger sein.


Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als Erfolgsgeschichte

Und so wundert es wenig, dass die politischen Weichen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf Wachstum und Ausbau der regenerativen Energien gestellt sind. Der Anteil von Wind, Biogas, Solar an der Stromversorgung hat sich seit dem Jahr 2000 verdreifacht. Im Jahr 2009 stieg der Umsatz im Bereich der Erneuerbaren Energien auf 33 Milliarden Euro. Die Investitionssumme erreichte den Rekordwert von 17,7 Milliarden Euro.

In Zeiten der Wirtschaftskrise, in denen das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands um fünf Prozent geschrumpft ist, haben inzwischen mehr als 300.000 Menschen in der Erneuerbaren-Energien-Branche einen vergleichsweise krisenfesten Arbeitsplatz gefunden. Allein 101.000 im Bereich der Bioenergie. Neben diesem volkswirtschaftlichen Nutzen stehen den Mehrkosten von 1,1 Cent je Kilowattstunde (kWh) für die Verbraucher vermiedene Kosten für Energieimporte und Umweltschäden gegenüber. Und so gilt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als Erfolgsgeschichte und hat in anderen Ländern bereits Nachahmer gefunden.


Weltweit wachsender Energiehunger

Braugerstenpreise von 100 Euro je Tonne, Preise für Ferkel von unter 25 Euro je Tier oder Milchpreise von unter 25 Cent je Kilogramm Milch: die Lage auf den Agrarmärkten war in vielen Bereichen häufig durch Preisdruck gekennzeichnet. Und so stellt sich so mancher Landwirt beim Einsatz seiner Silage die Frage: „Zu Gas oder zu Milch“? Mittel- bis langfristig wird zwar mit einem steigenden Nahrungsmittelbedarf gerechnet, inwieweit dieser durch vorhandenen Produktionspotenziale und den technischen Fortschritt weiter gedeckt werden kann, ist umstritten. Unbestritten dagegen ist der weltweit weiter wachsende Energiehunger nach Strom, Wärme oder Kraftstoff. Ein scheinbar nicht zu sättigender Markt, auf dem bei selbst rapide steigenden Preisen die Nachfrage anhält, häufig sogar weiter steigt. Eine Herausforderung, die zukünftig auch die Ernährungsbranche beschäftigen muss.


Rund zwei Millionen Hektar Nachwachsende Rohstoffe in Deutschland

Primäre Zielsetzung eines Unternehmens ist Gewinn- und Rentabilitätsstreben. Dieser Zielsetzung kam die Produktion von Bioenergie in den letzten Jahren häufiger nah als die Nahrungsmittelproduktion. Viele Landwirte orientierten sich um. Und so standen 2009 rund zwei Millionen Hektar Nachwachsende Rohstoffe auf deutschen Feldern. 1,7 Millionen Hektar davon waren Energiepflanzen und 294.000 Hektar Industriepflanzen. Tendenz weiter steigend.


Politik treibt Ausbau voran

Neben der Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln hat die Landwirtschaft schon immer Nachwachsende Rohstoffe erzeugt. Ob als Futter für die Zugtiere, als Industrierohstoffe oder zur Wärmeversorgung. Doch der nun vorrangig durch politische Vorgaben getriebene Ausbau birgt auch Gefahren. So machte die deutsche Förderung die aus umweltpolitischer Sicht kritisch zu bewertende Produktion von Pflanzenölen in Drittstaaten lukrativ. Agrarrohstoffe aus deutschem Anbau sind dagegen ökologisch nachhaltig produziert. Dennoch wurde insbesondere in Deutschland die Frage Teller oder Tank heftig diskutiert. Der Gesetzgeber hat reagiert und möchte eine nachhaltige Produktion für die Verwertung im Sektor Bioenergie zwingend vorschreiben.


Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion

Aber die politischen Rahmenbedingungen haben auch Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion im Land. Unbestritten wirkt die Bioenergieproduktion als Absatzventil auf den Agrarmärkten. Allerdings kann es regional zu einer Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion um die knappe Fläche und so zu steigenden Pachtpreisen kommen. Auf der anderen Seite trägt besonders die Biogasproduktion zu einem verbesserten Einkommen der Landwirte bei. Besonders durch den Güllebonus ist eine zusätzliche Wertschöpfung der Tierhalter gegeben. Durch Betriebskooperationen können auch landwirtschaftliche Betriebe ohne Biogasanlage vom Trend Bioenergie profitieren.


Potenziale für weiteren Ausbau des Energiepflanzenanbaus gegeben

Die Potenziale für einen weiteren Ausbau des Energiepflanzenanbaus in Deutschland sind gegeben. Aktuelle Studien zeigen: drei bis vier Millionen Hektar können, ohne die Nahrungsmittelversorgung zu gefährden, mit Biomasse zur Energiegewinnung angebaut werden. Für die weitere Förderung der Bioenergie müssen Effizienzgewinne und eine konsequente Reststoffverwertung im Fokus stehen.

Mit Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz und die Landwirtschaft auch als Nahrungsmittelproduzent kann ein weiterer Ausbau der Bioenergie erfolgreich gelingen. Damit gilt: Milch und Gas - Teller und Tank. (LBV)
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