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07.11.2013 | 09:28 | Von Blei zu Bio 

Neue Benzinarten wirbeln Kraftstoffmarkt auf

Hannover - Im Spätsommer 1983 ging es im Bundestag hoch her. Damals noch in Bonn debattierten die Parlamentarier am 15. September ganztägig über den Zustand der Natur hierzulande.

Moderne Kraftstoffe
(c) proplanta
Besonders im Fokus standen dabei die Wälder.

Der damalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) ließ am Gebot der Stunde keinen Zweifel aufkommen: Der Umweltschutz rangiere als größte politische Aufgabe gleich hinter der Sicherung des Friedens. «Der Patient Wald ist krank», sagte der Minister, «wir müssen mit der Behandlung beginnen, ohne die Ursachen genau zu kennen».

Obwohl es noch Forschung brauche, sei eine Ursache doch schon offensichtlich: Die Autoabgase verschmutzten die Luft.

Es sei völlig in Ordnung gewesen, damals laut Alarm zu schlagen, sagt Prof. Norbert Lamersdorf, der als Experte für Bodenkunde und Waldökologie an der Uni Göttingen forscht. «Natürlich ist man immer ein Kind seiner Zeit», gibt er zu bedenken. Aber wissenschaftlich betrachtet seien die «extremen Indikatoren» von damals auch heute noch, mit drei Dekaden Abstand, ein klarer Hinweis zum Handeln.

Zur Zeiten der Debatte in Bonn hatte die Bundesregierung bereits einen Grundsatzbeschluss zur baldigen Einführung des bleifreien Benzins gefällt - für CSU-Mann Zimmermann eine «Pilotfunktion». Der SPD und der jungen Partei der Grünen ging das alles nicht weit genug.

Auch die Umweltschutzverbände kritisierten Zimmermanns Pläne als unzureichend, forderten Steuern auf Schadstoffe oder warfen den Autobauern vor, die Einführung bleifreien Benzins verhindern zu wollen. In den Schlagzeilen damals: Waldsterben, saurer Regen, Filter für Fabrikschlote, Katalysatoren für Autos - und bleifreies Benzin.

Wenige Wochen nach Zimmermanns Regierungserklärung, am 7. November 1983, schrieb das Münchner Mineralölunternehmen Allguth Geschichte, als es Deutschlands erste gewerbliche Zapfsäule für bleifreies Benzin in Betrieb nahm. Es war eine Europapremiere, schreibt Allguth heute.

Damals, im November 1983, kostete verbleites Normalbenzin laut statistischem Bundesamt im Großhandel inklusive aller Abgaben pro Liter 58 Cent. Die endgültigen Preise an den Tankstellen sind nicht erfasst - Mehrwertsteuer und Handelsmarge kamen natürlich hinzu.

Damals, Ende 1983, einigten sich die erdölexportierenden Länder (OPEC) auf ein Einfrieren des Ölpreises bei 29 US-Dollar je Barrel (159 Liter). Die Lage war heikel, der Iran und Irak führten Krieg.

Heute schwankt der Ölfasspreis um die 100 US-Dollar. Bleihaltiges Normalbenzin ist in Deutschland seit Februar 1988 verboten, EU-weit ist das für alle Spritsorten seit 2000 der Fall. Derzeit kostet der Liter Super knapp 1,50 Euro, der junge Ökosprit E10 - mit bis zu zehn Prozent Bioethanol meist einige Cent billiger - gut 1,40 Euro.

Wenn es um die Preise des täglichen Lebens geht, fällt nach Darstellung des Statistischen Bundesamtes der Posten «Verkehr» nach dem Posten «Wohnen» am stärksten ins Gewicht. Und die Kosten für Benzin und Diesel, die im Posten «Verkehr» eine entscheidende Bedeutung haben, haben seit Jahren einen generellen Trend: aufwärts.

Bemerkenswert sind die Parallelen der Kraftstoffalternativen in Deutschland damals und heute. Ende der 1980er Jahre fremdelten noch viele Autofahrer mit dem neuen, unverbleiten Sprit. Im Herbst 1986 beklagte der damalige Bundesverkehrsminister Werner Dollinger (CSU), dass bleifreier Sprit am gesamten Benzinverkauf nur etwa zehn Prozent ausmache, obwohl weitaus mehr Fahrzeuge die neue Variante vertrügen.

Aral erklärte damals, dass viele Autofahrer aus «falscher Vorsicht» auf die Alternative verbleiten Superbenzins auswichen, obwohl die Motoren ihrer Wagen auch den umweltfreundlicheren und billigeren bleifreien Normalkraftstoff vertrügen. «Es lohnt sich für Geldbeutel und Umwelt», meinte der Tankstellenriese seiner Zeit. Ganz ähnlich war es bei der Einführung des Biokraftstoffes E10.

Deutschlands Autofahrer fremdelten mit der Alternative. Was früher der Kampf gegen Bleizusätze war, hängt beim E10 an EU-Vorschriften für mehr erneuerbare Energien im Transportsektor. Deutschland ging das an, indem E10 laut Plan neue Hauptbenzinsorte werden soll.

Doch der Biosprit hat Probleme. Das E10 hat sich im Benzinmix laut den amtlichen Daten des Bundes bei 15 Prozent eingependelt. Inklusive Diesel wäre der Anteil noch geringer. Immerhin ist Blei inzwischen außen vor. Das hilft dem Wald, sagt Experte Lamersdorf. «Die Rahmenbedingungen haben sich deutlich verbessert». Drei Jahrzehnte später rückten dafür andere Probleme in den Vordergrund. Einer davon sei der Trend zum Heizen mit Holz. (dpa)
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