Vielleicht nicht sofort, aber höchstwahrscheinlich in längerer Frist, vermuten Experten.
Selbst wenn das umstrittene Fracking eines Tages kommen sollte, dürfte das den Abwärtsdruck noch erhöhen. Und die internationalen Rohstoffriesen, die teils auch in der Bundesrepublik aktiv sind, ächzen weiter unter der Ölschwemme.
«Zwar hat die aktuelle Entwicklung kurzfristig noch keine Auswirkung auf die Produktion, langfristig aber schon», sagt Miriam Ahrens vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) in Hannover.
Direkt betroffen sei bereits die Zulieferindustrie - vor allem wegen unsicherer Rahmenbedingungen etwa beim Thema Fracking. Aber auch wegen des Ölpreisverfalls selbst stehen bei vielen Firmen die Zeichen auf Sparkurs. Ahrens: «Die kämpfen mit Kurzarbeit.»
Verbraucher wie Autofahrer oder Heizölkunden jubeln landauf, landab über das anhaltende Tief der Rohstoffkosten. Doch für die Produzenten wird die Lage immer kritischer - inklusive möglicher Jobkürzungen.
Bei Siemens sorgt die Entwicklung für Kummerfalten. Bleibt eine Erholung aus, könnten hohe Abschreibungen beim Ölindustrie-Zulieferer Dresser-Rand folgen, bangen Investoren. In den USA hat Schlumberger - weltgrößter Öl-Dienstleister - weitere 10.000 Stellen abgebaut.
In Deutschland wirft die besonders von der Förderung der Opec-Länder und dem US-Fracking gespeiste Ölflut die Frage der Wirtschaftlichkeit der zur Neige gehenden Lagerstätten auf. Niedrige Preise können die Konjunktur zwar zunächst befeuern - bei längerer Betrachtung aber bremsen, weil sie Investitionen in weniger rentable Felder stoppen. «Geplante Investitionen werden erst mal vertagt», erklärt Ahrens.
Genau das haben globale Größen wie Shell, ExxonMobil,
BP oder Chevron angekündigt oder umgesetzt. Sie verdienen ständig weniger: Bei Shell brach der Gewinn 2015 um fast 90 Prozent ein, der Statoil-Konzern in Norwegen rutschte bei Einschluss aller Faktoren in die Verlustzone.
Auch wenn sich der
Ölpreis zwischenzeitlich immer wieder fängt - am Donnerstag kletterte er bei der Nordsee-Sorte Brent anfangs leicht -, kommen die Förderer mehr und mehr unter Druck. Der Rohstoffpreisindex des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) fiel zum Jahreswechsel auf einen tieferen Stand als zur Zeit der Finanzkrise 2008/2009. Die Ratingagentur Fitch äußerte sich in einer Analyse zur Schuldensituation der Öl- und Gas-Multis vor kurzem skeptisch.
Nach WEG-Angaben deckt Deutschland 12 Prozent seines Erdgasverbrauchs aus heimischer Förderung. Beim Öl sind es gerade mal 2,5 Prozent - im internationalen Vergleich ist Deutschland hier also ein Zwerg. Vor dem geopolitischen Hintergrund ist die inländische Förderung für die Sicherung der Versorgung jedoch von Interesse. Schließlich importiert Deutschland Öl noch oft aus instabilen Regionen wie dem Nahen Osten.
Zu den größten deutschen Ölförderern gehört der Ableger von ExxonMobil, der auf eine jährliche Fördermenge von rund 500.000 Tonnen kommt, aber nur zu 10 Prozent im Ölfördergeschäft tätig ist. «Für uns sind daher die Gaspreise maßgeblich», sagt Sprecher Klaus Torp. Dagegen heißt es beim Branchenprimus, der Kasseler BASF-Tochter Wintershall: «Als Folge der Ölpreisentwicklung bewerten wir unsere Investitions- und Explorationsprojekte noch intensiver.»
Das Epizentrum der deutschen Förderung liegt in Niedersachsen, wo die industrielle Ölgewinnung 1858 bei Wietze begann. Bei Bohrungen wurde eher zufällig Erdöl statt Braunkohle entdeckt, das damals vor allem für Lampen benutzt wurde. Weitere Funde bei Peine oder im Emsland, dann aber auch in Schleswig-Holstein oder im Rheintal kamen hinzu.
Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) schätzte 2015 die sicheren und wahrscheinlichen Ölreserven in Deutschland auf 31,1 Millionen Tonnen - überwiegend im Norddeutschen Becken. Auch auf niederländischer Seite liegen Reserven, dort in der Region um Groningen kommt es jedoch immer wieder zu Mini-Erdbeben.
Rund 2,4 Millionen Tonnen deutschen Rohöls wurden 2014 gefördert - in den 1950er Jahren war es fast vier Mal so viel. Der exportorientierte Standort profitiert einerseits von der Schwemme. «Volkswirtschaftlich gesehen kann man Deutschland schon als Nutznießer der niedrigen Ölpreise sehen, da wir nicht so hohe Fördermengen haben», sagt NordLB-Analyst Frederik Kunze. Er schränkt aber ein: Eine Exportnation ist eben auch stark abhängig von der Weltkonjunktur.