Vor zwölf Monaten war für die gleiche Ölqualität nur die Hälfte fällig gewesen. Noch teurer war
Rohöl zuletzt 2014. Ein Grund für die Preishausse sind Analysten zufolge die Lieferschwierigkeiten einiger Länder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), gepaart mit dem Anspringen der Weltwirtschaft nach dem coronabedingten Konjunkturdämpfer.
Im Oktober 2019 hatte ein Fass Rohöl rund 56 $ (48 Euro) gekostet. Wenige Monate später gab es die ersten Meldungen über das neue Virus. Infolge der sich zuspitzenden Corona-Pandemie und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Einschränkungen waren dann im Frühjahr 2020 an der
Terminbörse von New York (Nymex) für Rohöl kurzfristig sogar „negative“ Preise aufgerufen worden, da die Lagerkapazitäten für Rohöl komplett ausgelastet waren. Aktuell kommt die Heizsaison auf der Nordhalbkugel hinzu.
Leere Öltanks müssen nun zu fast jedem Preis gefüllt werden, will man über den Winter nicht frieren. Stützend wirken außerdem die Rekordpreise für Erdgas, da die Industrie - wo dies möglich ist - Alternativen zum teuren Gas nutzt. In der Summe laufe der Ölweltmarkt „überdeutlich im Defizit“, kommentieren die Analysten des Branchendienstes Tecson die aktuelle Situation und rechnen deshalb mit einem weiteren Anstieg der Rohölpreise.
Terminkurven zeigen Angebotsengpass
Dass der Ölpreisanstieg auf die aktuell angespannte
Marktlage zurückzuführen ist, zeigt sich auch beim Blick auf die Terminkurven, die sich derzeit in einer extremen „Backwardation“ befinden. Die Preisdifferenz zwischen den Brent-Terminkontrakten Dezember 2021 und Dezember 2022 erreichte zuletzt pro Fass fast 8 $ (6,90 Euro). So groß war die Spreizung auf Jahressicht zuletzt im Jahr 2013.
„Derart starke Prämien für kurzfristige Öllieferungen deuten auf eine akute Knappheit hin, die durch eine robuste Nachfrage und ein eingeschränktes Angebot verursacht werden“, so Analysten der Commerzbank. Üblicherweise befinden sich Märkte für lagerfähige Produkte in einem „Contango“:“ Spätere Liefertermine sind teurer als die prompte
Lieferung, weil der Terminpreis auch die Kosten der Lagerung abdeckt.
Verschärfung durch CO2-Bepreisung
Das teure Rohöl bleibt auch nicht ohne Folgen für die Benzin- und Dieselpreise. Wie der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) mitteilte, war Diesel an Tankstellen in Deutschland zuletzt teuer wie nie. Im bundesweiten Tagesdurchschnitt lag der Preis am 17. Oktober bei 1,555 Euro/l. Damit knackte er den bisherigen Rekord von 1,554 Euro/l von August 2012.
Auch Benzin nähert sich einem Höchststand an. Super der Sorte E10 kostete am gleichen Tag im Mittel 1,667 Euro pro Liter. Damit fehlten nur noch 4,2 Cent zum Rekord von 1,709 Euro/l von September 2012. Ein zusätzlicher Preistreiber ist dem ADAC zufolge die CO2-Abgabe von aktuell 25 Euro/t, durch die sich die fossilen Treibstoffe zum Jahreswechsel im
Schnitt um 7 ct/l verteuert haben. Anfang 2022 zündet die nächste Stufe der CO2-Bepreisung: Dann werden 30 Euro pro Tonne
CO2 fällig. Noch höhere Spritpreise scheinen damit vorprogrammiert.
Shell investiert in Elektromobilität
Analysten gehen davon aus, dass die hohen Preise für fossile
Energieträger auch Folge umgelenkter Investitionen sind. Mineralölkonzerne wie Shell investieren beispielsweise massiv in den Aufbau einer Infrastruktur für die Elektromobilität. Dabei steht die Energiewende nach Einschätzung der Bank of America (BoA) erst ganz am Anfang.
Im Vorgriff auf den am kommenden Sonntag (31.10.) im schottischen Glasgow startenden Weltklimagipfel (COP 26) haben die BoA-Analysten ausgerechnet, dass zusätzliche Investitionen in Höhe von 150 Billionen Dollar in Infrastruktur und Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sowie Maßnahmen zur Energieeinsparung notwendig wären, um den weltweiten Ausstoß an Treibhausgasen innerhalb von 30 Jahren auf „Netto-Null“ zu reduzieren. Das wäre fast das Doppelte des globalen Bruttoinlandsproduktes (BIP).
Das für die Klimawende notwendige „Rieseninvest“ wäre von den allermeisten Staaten nach einhelliger Meinung von Kommentatoren der BoA-Studie voraussichtlich nur durch zusätzliche Schulden zu stemmen, was die Inflation weiter anheizen würde.
Umrechnungskurs: 1 $ = 0,8618 Euro