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06.02.2014 | 14:09 | Bayerische Energiepolitik 

Seehofers selbstgemachte Energiekrise

München - CSU-Chef Seehofer hat beim Atomausstieg in Bayern ein politisches Kunststück vollbracht: Mit dem Versuch, es allen recht zu machen, hat Seehofer fast alle gegen sich aufgebracht: die Befürworter der Energiewende, deren Gegner und die bayerische Wirtschaft.

Horst Seehofer
Horst Seehofer (c) Dt. Bundestag
In letzter Sekunde schluckt Ministerpräsident Horst Seehofer einen Kraftausdruck hinunter: «Herrgottsa...», seufzt der CSU-Chef am Mittwoch im Landtag. «Man versteht die Welt nicht mehr.» Der Anlass des unvollendeten Hergottsakraments: Nach dem dauernden Hin und Her in der Energiepolitik werden Seehofer und die CSU von einer Welle der Kritik überrollt. CSU-Politiker sind derzeit landauf, landab mit Protesten von allen Seiten konfrontiert.

Bayerns Firmen sorgen sich um die Strompreise und haben Angst vor Stromausfällen. Dort, wo neue Stromtrassen geplant sind, machen wütende Bürger ihren örtlichen CSU-Vertretern die Hölle heiß - und diese wiederum den CSU-Oberen. Andere CSU-Lokalpolitiker sind verärgert, weil ihre Gemeinden bereits viel Geld für die Planung neuer Windräder ausgegeben haben, die sie möglicherweise in den Papierkorb befördern müssen. Die Ökostrombranche wirft der Partei gezielte Sabotage der Energiewende vor.

Doch Seehofer will von den Schwierigkeiten nichts wissen, in die er sich selbst, die CSU und die Staatsregierung manövriert hat: «Wir sind in Bayern an der Spitze bei der Umsetzung der Energiewende.» Doch läuft im Jahre drei nach Fukushima beim Atomausstieg in Bayern fast nichts wie 2011 geplant.

Atomkraftwerke produzieren fast die Hälfte des in Bayern verbrauchten Stroms. Es fehlt konventioneller Ersatzstrom, es fehlt ein Konzept für den Leitungsbau. Nach bisherigem Stand drohen ab Ende 2015 Stromausfälle, wenn das unterfränkische Kraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet wird.

Nun bremst Seehofer wegen der wütenden Bürgerproteste von Oberfranken bis Schwaben auch die Planung einer geplanten großen Gleichstromtrasse, die die CSU bisher ausdrücklich unterstützte. Grund: Die Angst der CSU-Kommunalpolitiker vor Stimmverlusten bei den Kommunalwahlen am 16. März.

Auf der anderen Seite steht die Wirtschaft: Es werde immer deutlicher, «dass Deutschland und besonders Bayern sich zur Energiewende entschlossen haben, ohne vorher über die Konsequenzen nachzudenken», sagte der bayerische Handwerkspräsident Heinrich Traublinger der «Süddeutschen Zeitung» (Mittwoch). Auch er ist CSU-Mann und saß früher selbst im Landtag.

Beim Volksfest auf dem Berchinger Rossmarkt wiederum ist Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Mittwoch mit einem gellenden Pfeifkonzert wütender Trassengegner konfrontiert - eine Szene, die es im Seehofer-Bayern der «Koalition mit den Bürgern» eigentlich nicht geben sollte.

«Wir führen in Bayern eine Bananenrepublik ein», schleudert der Freie-Wähler-Abgeordnete Thorsten Glauber Seehofer im Landtag entgegen. «Ein solch ignorante Verweigerungshaltung ist unverantwortlich», sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Seehofer ist deswegen offensichtlich so verärgert, dass er den Plenarsaal verlässt.

Doch der schwerwiegendste Vorwurf kommt von den Grünen: Deren Fraktionschef Ludwig Hartmann stellt Seehofer unter Leichtmatrosen-Verdacht. Aus Grünen-Sicht ist Seehofer schlicht überfordert mit dem schwierigen Thema Energiewende: «An Inkompetenz war das nicht mehr zu überbieten.»

Seehofers Probleme illustrieren einen zentralen Lehrsatz seines Idols Franz Josef Strauß: «Everybody's Darling is everybody's Depp.» 2011 setzte Seehofer nach dem Atomunglück in Fukushima gegen heftigen Widerstand seiner Parteifreunde den Atomausstieg 2022 durch, weil die Bürger ihn wollten.

Doch unterschätzte der Bauchpolitiker den Widerstand, den neue Windräder und neue Stromtrassen in der bayerischen Bevölkerung auslösen würden. Und um Ärger zu vermeiden, ist die Seehofer-CSU nun gleichzeitig gegen alles, was unpopulär ist: Atomstrom, Windräder und neue Stromleitungen. Doch die Strategie, es möglichst allen recht machen zu wollen, hat nun dazu geführt, dass Seehofer von allen Seiten angegriffen wird. (dpa)
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