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23.10.2013 | 08:22 | Stromversorgung 

Steigende Strompreise beflügeln Selbstversorgung

Anröchte - Ganz Deutschland muss sich nach der neuen Erhöhung der EEG-Umlage 2014 auf höhere Strompreise einstellen - mit Ausnahme der Kommunen und Genossenschaften, die Strom, Wärme oder beides inzwischen selbst erzeugen und sich unabhängig von den Strommärkten gemacht haben.

Stromversorgung
(c) proplanta
Altenmellrich in Ostwestfalen, ein Ortsteil von Anröchte, ist ein Beispiel.

Das Dorf hat rund 330 Einwohner, die historische St-Georgs-Kapelle, eine gewundene Hauptstraße, schöne Natursteinfassaden und einen Fahrrad- und Rasenmäherladen. Rund eine Million Kilowattstunden Strom verbrauchen die Altenmellricher pro Jahr, weit mehr als 40 Mal so viel erzeugt der örtliche Großbauer Norbert Gröblinghoff aber selbst mit einer Biogasanlage und einem Blockheizkraftwerk.

Altenmellrich habe damit einen Eigenversorgungsgrad von über 4.000 Prozent, lobte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) vergangenes Jahr bei einem Besuch. Als Vorbilder für die Energiewende sieht der Geschäftsführer der Energieagentur NRW, Lothar Schneider, die rund ein Dutzend «Plus-Energie-Gemeinden» im Land, die mehr Energie bereitstellen als sie verbrauchen.

Gröblinghoff hat sich schon vor zehn Jahren von der traditionellen Landwirtschaft weitgehend verabschiedet und sich auf die Stromerzeugung mit seiner großen Biogasanlage rund eineinhalb Kilometer außerhalb des Dorfes konzentriert.

Der 57-Jährige mit dem kräftigen Händedruck baut auf 250 Hektar nachwachsende Rohstoffe an - neben Mais und Zuckerrüben kommen zugekaufter Hähnchenmist und Gülle in die Anlage. Schweinemast betreibt Gröblinghoff nur noch nebenbei im kleinen Stil.

Zunächst hatte er nur ein Blockheizkraftwerk direkt neben der Biogasanlage, doch dann kam die Idee auf, die Wärme der Anlage für das Dorf zu nutzen. Seit 2009 gab es nämlich für Unternehmer, die neben dem Strom auch Wärme einspeisen einen zusätzlichen «Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus» von drei Cent pro Kilowattstunde.

Gröblinghoff baute für insgesamt 750.000 Euro ein weiteres Kraftwerk im Dorf und eine Gasleitung von seiner Biogasanlage dorthin - kräftig finanziell gefördert von der KfW.

Die Altenmellricher gründeten eine Gesellschaft, die für weitere 700.000 Euro ein Wärmeverteilnetz im Dorf errichtete und die Heizungsanlagen der gut 60 teilnehmenden Haushalte umrüstete. Hier trug die KfW mehr als die Hälfte als Zuschuss und steuerte zinsgünstige Darlehen bei.

«Win-win-Situation» nennt Großbauer Gröblinghoff das Ergebnis: Er speist gegen garantierte Vergütung in das RWE-Netz ein und profitiert vom - inzwischen für Neufälle abgeschafften - KWK-Bonus. Die Abwärme seiner beiden Kraftwerksmotoren heizt rund drei Viertel des Dorfes.

Das spart jährlich rund 250.000 Liter Öl und entsprechend CO2. Für die Bürger ist das Fernwärmenetz deutlich günstiger als die alte Ölheizung. Der Altenmellricher Werner Hense etwa spart mit seinem 200-Quadratmeter-Wohnhaus 700 bis 800 Euro pro Jahr Heizungskosten. Da kann er angesichts etwa 70 Euro Mehrkosten durch den Strompreisanstieg im neuen Jahr gelassen bleiben.

Dass die «Win-win-Situation» auf Subventionen zulasten der EEG-Umlage und damit des Strompreises basiert, ist auch den Altenmellrichern klar. Klar, der Strompreis dürfe nicht noch weiter steigen, sagt Gröblinghoff.

Wenn der Gesetzgeber an den gesetzlich für 20 Jahre garantierten Vergütungen und an den Förderungen nachträglich etwas ändern würde, bräche aber die Finanzierung zusammen - sowohl seine alsauch die des genossenschaftlichen Nahwärmenetzes, betonen Gröblinghoff und Hense. «Bestandsschutz ist Bestandsschutz. Das hat es ja noch nie gegeben», echauffiert sich Hense.

Rechnen muss jeder. Deshalb wird Gröblinghoff nicht nur weiter einspeisen. Er plant auch, sich mit seinem Betrieb als Großverbraucher mit über 400.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch registrieren und teilweise von der Netzentgelt-Umlage befreien zu lassen. Dann zahlt er für seinen selbst verbrauchten Strom künftig deutlich weniger - und andere dafür mehr. (dpa)
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