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01.03.2017 | 15:53 | Castor-Behälter 

Streit um geplanten Atommüll-Transport auf dem Neckar

Obrigheim - Es ist der letzte Test vor dem Ernstfall: In grellen Signalwesten sichern Arbeiter den bulligen Castor-Behälter, der auf einem asphaltierten Feldweg das AKW Obrigheim verlässt.

Atomenergie
Erstmals sollen in Deutschland hoch radioaktive Abfälle auf einem Fluss transportiert werden. Der Energieversorger EnBW will verbrauchte Brennelemente von einem Kraftwerk zum anderen bringen. Umweltschützer protestieren. Genehmigt das Bundesamt den Transport?
Der Container für Atommüll rollt langsam Richtung Neckar, dort schiebt eine Zugmaschine die 96 Tonnen schwere Konstruktion auf das Schiff «Lastdrager 40». Krächzend kommt aus dem Funkgerät eine Bestätigung.

Diesmal ist der Behälter leer, es ist ein Probelauf. Aber schon bald soll am unteren Neckar - und damit erstmals in Deutschland - Atommüll auf einem Fluss transportiert werden. Umweltschützer laufen Sturm dagegen. Auf die Barrikaden treibt sie dabei auch ein Satz von Jörg Michels. Der Chef der Kernkraft GmbH des Energieversorgers EnBW hatte das Schiff mit den Castoren als «praktisch unsinkbar» bezeichnet.

«Auch ein Probelauf ändert nichts daran, dass der Transport auf dem Wasser die riskanteste Variante ist», meint die Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND, Brigitte Dahlbender. Atommüll sei hoch radioaktiv. «Ein gekentertes Schiff kann nicht einfach so geborgen werden. Ein Unfall betrifft viele Kilometer Wasser und Tausende Menschen», sagt Dahlbender. Die Aktivisten wollen an diesem Samstag (4. März) in Heilbronn gegen das Vorhaben demonstrieren.

Michels hält die Kritik für nicht gerechtfertigt. «Das ist ein erprobtes Verfahren und eine bewährte und sichere Technik», sagt der Diplomingenieur. An der Anlage Obrigheim lagern derzeit insgesamt 342 Brennelemente. Eigentlich ist dafür der Bau eines eigenen Zwischenlagers an dem abgeschalteten AKW nötig. Allerdings befindet sich etwa 50 Kilometer entfernt, in Neckarwestheim, ein Zwischenlager, in dem noch Platz wäre für die Fracht aus Obrigheim.

«Wir könnten die gesamten Brennelemente aus Obrigheim in 15 Castoren nach Neckarwestheim schicken», sagt Michels. Bei drei Castoren pro Transport wären dies fünf Fahrten. «Ein weiteres Zwischenlager wird damit vermieden, und der Rückbau von Obrigheim kann schneller erfolgen», argumentiert er. Der Transport auf dem Flussweg muss aber erst noch vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) genehmigt werden. Michels erwartet die Erlaubnis noch 2017.

Für die Organisatoren ist ein Hauptgrund für den Wasserweg, dass damit «negative Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr vermieden» werden. «Es gibt keine direkte Zugverbindung zwischen Obrigheim und Neckarwestheim, damit scheidet der Schienenweg aus», sagt Michels. Auch die Straße sei problematisch. «Es gäbe viele Sperrungen und Staus, da ist der Neckar sinnvoller.» Der geplante Transport durch die Firma Nuclear Cargo & Service aus Hessen, die auch die Haftung übernehme, koste einen «unteren zweistelligen Millionenbetrag».

Begleiten sollen die Überführung etwa 80 Arbeiter - und zahlreiche Polizisten. Immer wieder hatten Aktivisten in den vergangenen Jahren in Deutschland gegen Castor-Transporte auf der Schiene oder auf der Straße protestiert. Gelegentlich kam es zu Ausschreitungen. Auf dem Weg nach Neckarwestheim gibt es immerhin 23 Brücken und 6 Schleusen.

«Wir haben eine Vorbereitungsgruppe gegründet und bereits einige Szenarien geübt», sagt Thomas Mürder, Präsident des zuständigen Polizeipräsidiums in Göppingen. «Falls der Transport gestört wird, werden wir dagegen vorgehen», warnt er. Mürder will auch einen Helikopter einsetzen und zudem soziale Netzwerke im Blick behalten.

Für das Umweltministerium von Baden-Württemberg, das der Grüne Franz Untersteller leitet, ist der Wasserweg die beste Lösung. Die grün-schwarze Landesregierung stehe der Idee positiv gegenüber, sagt Ministerialdirektor Helmfried Meinel. «Es gibt in Neckarwestheim Platz, ein Zwischenlager in Obrigheim wäre entbehrlich», sagt er.

An der Rampe am AKW Obrigheim geht der Testlauf unterdessen weiter. Diplomingenieur Michels blickt auf die andere Flussseite, wo die Burgruine Dauchstein über dem Neckar thront. Er versteht den Ausstieg aus der Atomkraft auch als Chance, dass sich die unterschiedlichen Seiten annähern könnten. Schier unversöhnlich stehen sich viele Befürworter und Gegner gegenüber. Auch viele Kommunen entlang der Wasserstrecke von Obrigheim nach Neckarwestheim sehen den Transport skeptisch. Mit ihnen will das Unternehmen den Dialog suchen.
dpa
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