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07.03.2013 | 13:51 | Gerichtsurteil 

Abfuhr für Strompreis-Privileg der Industrie

Berlin/Brüssel - 2011 wurde im Zuge der Energiewende eine Befreiung für besonders stromintensive Unternehmen bei den Netzkosten durchgesetzt. Zahlen müssen dies die Bürger. Die EU-Kommission äußert nun große Bedenken dagegen. Und ein Gericht in Düsseldorf kippt sie komplett.

Strompreis-Rabatt
(c) proplanta
Unternehmen mit einem hohem Stromverbrauch drohen hohe Mehrkosten bei der Energiewende. Die Bürger hingegen können auf eine leichte Entlastung beim Strompreis hoffen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf kippte am Mittwoch die Befreiung großer industrieller Stromverbraucher von den Netzkosten. Zudem leitete die EU-Kommission in Brüssel wegen der Kostenbefreiung ein Verfahren ein, um den Verdacht auf eine unerlaubte Beihilfe zu prüfen.

Die Kosten für die Regelung werden bisher per Umlage auf den Strompreis der Verbraucher aufgeschlagen. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will die umstrittene Industrie-Befreiung nun rasch neu regeln.

In Düsseldorf ging es um die Beschwerde von fünf regionalen und überregionalen Netzbetreibern gegen die im Sommer 2011 beschlossene Verordnung. Die Beschwerdeführer hielten die komplette Freistellung der Unternehmen mit hohem Strombedarf für rechtswidrig und für einen Verstoß gegen EU-Recht. Der Vorsitzende Richter Wiegand Laubenstein schloss sich dem an: Die Verordnung sei verfassungswidrig und nichtig. Auch sei eine vollständige Befreiung von den Netzentgelten aus Gleichheitsgründen nicht zulässig, sagte Laubenstein. Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist noch nicht rechtskräftig.

Die Netzentgelte sind Teil des Strompreises, damit wird die Durchleitung von Strom bis zur Steckdose bezahlt. Um Ausnahmen für die Industrie zu finanzieren, war eine Sonderumlage eingeführt worden: Jeder Bürger muss derzeit 0,329 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zahlen, pro Jahr macht das bei einem Verbrauch von 3.500 kWh für einen Haushalt 11,50 Euro aus.

Falls die EU-Kommission zu dem Ergebnis kommt, dass die Nachlässe staatliche Beihilfen sind, prüft die Brüsseler Aufsichtsbehörde, ob diese Beihilfen den Profiteuren der Regelung einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern in anderen EU-Staaten verschaffen. «Seit Dezember 2011 hat die Kommission diverse Beschwerden von Verbraucherorganisationen, Energiefirmen und Bürger erhalten, dass diese eine unzulässige staatliche Beihilfe sei», betonte die Kommission in Brüssel.

Röslers Sprecher sagte in Berlin, bei diesem Fall liege keine staatliche Beihilfe vor, sondern die Befreiungen würden durch die Umlage von allen Stromkunden finanziert. Dennoch machte er klar: «Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet derzeit ohnehin an einer Neuordnung».

Dabei könnte die vollständige Befreiung durch abgestufte Rabatte je nach Verbrauch ergänzt werden. Unternehmen sind nach einer Änderung der Stromnetzentgeltverordnung 2011 komplett von Netzkosten befreit, wenn sie mindestens 7000 Stunden pro Jahr dauerhaft am Netz hängen und der Verbrauch 10 Gigawattstunden im Jahr übersteigt.

Auch das OLG Düsseldorf erkennt darin aber keine staatliche Beihilfe. «Wir sehen keine unerlaubte staatliche Beihilfe, weil der Umlagemechanismus privatrechtlich ausgestattet wurde», sagte Richter Laubenstein. Die Kläger in Düsseldorf monieren auch falsche Anreize durch die aktuelle Regelung. Die Befreiung verfälsche den Wettbewerb und schaffe Fehlanreize für einen erhöhten Stromverbrauch, um die Befreiungsschwelle von zehn Gigawatt im Jahr zu überschreiten.

Zusammen mit anderen, abgestuften Rabatten summieren sich die Regelungen auf Kosten von 440 Millionen Euro 2012. 2013 werden Kosten von rund 800 Millionen erwartet. Dies belastet die Strompreise der Bürger. Die EU-Kommission prüft zum ersten Mal die Befreiung von Netzentgelten. Sollte die Kommission am Ende feststellen, dass die Befreiung von den Gebühren eine unzulässige Beihilfe darstellt, müssten die Unternehmen sie der Behörde zufolge nachträglich zahlen. Die Frage wäre dann, ob die Bürger über die Sonderumlage gezahlte Gelder zurückerhalten können - hier wären Klagen vorprogrammiert.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn warf der Regierung eine Politik zulasten der Bürger vor. «Nächstes Jahr dürfte diese Umverteilung deutlich mehr als eine Milliarde Euro ausmachen. Das kommt nicht nur der Europäischen Kommission merkwürdig vor». Wer die Stromkosten für die privaten Haushalte senken wolle, müsse an die übermäßigen Industrieprivilegien ran. «Die Subventionierung bei den Netzentgelten muss schleunigst wieder rückgängig gemacht werden», forderte Höhn. (dpa)
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