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28.12.2020 | 12:17 | Windkraftausbau 

Südwesten: Streit über Windräder im Staatsforst erneut entfacht

Stuttgart - Mittlerweile scheinen Forstminister Peter Hauk (CDU) und sein grüner Kabinettskollege aus dem Umweltressort, Franz Untersteller, so etwas wie einen Rhythmus gefunden zu haben.

Windräder im Wald
Ein bisschen ist es wie ein Déja-vu: Die beiden Minister Hauk und Untersteller streiten sich wieder um Windräder im Staatsforst. Denn dort sollte es nach Ansicht der Grünen mehr Anlagen geben. Hauk hingegen verweist auf die Bremse Naturschutz - unter anderem. (c) proplanta
Alle zwei Jahre braust es auf zwischen den beiden. Buchstäblich. Denn wenn es um das Thema Windkraft geht, schenken sich die Koalitionspartner nichts.

Das war im Oktober 2016 so, als Hauk im Streit um Abstände zwischen Windrädern und Wohnhäusern von der grün-schwarzen Koalition zurückgepfiffen wurde. Das war zwei Jahre später im Sommer 2018 zu sehen, als die Grünen ihm vorwarfen, den Bau von Windrädern in landeseigenen Wäldern zu blockieren. Und das zeigt sich in diesen Tagen erneut. Wieder geht es um Wind, Räder und auch um den Staatswald. Und erneut stehen sich Hauk und Untersteller eher unversöhnlich in dieser Frage gegenüber.

Die Ausgangslage

Ausgerechnet im grünregierten Südwesten kommt der Ausbau der Windkraft nicht richtig in Schwung. Laut Umweltministerium waren zu Ende des ersten Halbjahres 726 Anlagen in Betrieb. Im vergangenen Jahr wurden 723 Anlagen gezählt und 2018 insgesamt 719 Anlagen.

Zum Vergleich: In Niedersachsen als Nummer 1 im Ländervergleich drehen sich mehr als 6.350 Windräder. Noch 2012 hatte man in Stuttgart aber gemeinsam mit der damals mitregierenden SPD das Ziel ausgegeben, 1.200 Windanlagen zu bauen, um bis 2020 mindestens zehn Prozent des Energiebedarfs aus heimischer Windenergie zu erzeugen.

Der Staatswald

Rund 320.000 Hektar oder etwa ein Viertel des baden-württembergischen Waldes gehören dem Land, 40 Prozent sind in Besitz von Städten und Gemeinden. Geht es um den landeseigenen Forst, haben Untersteller und seine Partei in Hauk einen Gegenspieler.

«Der Staatsforst trägt viel zu wenig dazu bei, dass wir unsere Energieerzeugung auf Erneuerbare umstellen», kritisiert der Umweltminister. «Ohne den Staatsforst werden wir uns sehr schwer tun, die Windkraft massiv auszubauen. Wir können es uns nicht leisten, unsere Wälder quasi auszuklammern, wenn wir neue Standorte suchen.»

Hauk dagegen hält es für illusorisch, wenn die Grünen in ihrem neuen Wahlprogramm den Ausbau von Windkraft «auf allen geeigneten Flächen im Staatswald [..]» und in der Fläche versprechen und «über 2.000 neue Anlagen» zusagen. «Das ist genauso utopisch wie die 1.000 Windräder, die die Grünen bereits in der letzten Legislaturperiode gefordert haben», sagt Hauk. Derzeit drehen sich 85 Windräder im Staatswald.

Mindestabstand oder Naturschutz

Nach Ansicht Hauks stockt der Ausbau der Windkraft nicht etwa wegen des Streits um die Mindestabstände zwischen Anlage und Häusern. Problematisch seien vielmehr die naturschutzrechtlichen Vorgaben, sagt der CDU-Minister. «Es wurde in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet vor allem so wenig getan, weil die Restriktionen im Umweltministerium so streng waren. Deshalb liegt der Bremser im Haus Untersteller.»

Windparkprojektierer hätten keine große Lust mehr, bei Bau und Betrieb mit dem Naturschutz herum zu diskutieren. «Deshalb ist die Zahl der Windräder auch vergleichsweise gering.» Hauk forderte vor allem mehr Toleranz auf der Halbhöhenlage und in den Kommunen. «Warum sollen wir in eine zusammenhängende Waldfläche und ein geschlossenes Ökosystem eingreifen?» Die Grünen müssten auch die kahlen Freiflächen und öffentlichen Wälder in den Blick nehmen.

Untersteller wehrt sich

Das will der Umweltminister natürlich nicht so stehen lassen. Hauk werfe mit Nebelkerzen, kritisiert Untersteller. «Im Staatswald gibt es ein riesiges bisher ungenutztes Potenzial an Flächen für Windkraftanlagen», sagt er. Zwar könnten auch aus naturschutzfachlichen Gründen nicht überall Windkraftanlagen errichtet werden.

«Sich der Öffnung ganz zu verweigern, wie das in den vergangenen Jahren seitens des Landwirtschaftsministeriums der Fall war, ist aber ebenso unangemessen.» Das Potenzial sei da. Die Forstverwaltung müsse die Flächen für die Energieerzeugung zugänglich machen.

Der Staat als Vorbild?

Die Grünen appellieren vor allem an die Vorbildfunktion des Landes. «Das Land muss beispielhaft vorangehen», fordert die energiepolitische Fraktionssprecherin Jutta Niemann. «Das Potenzial ist da - Windkraft im Süden lohnt sich. Hauk müsse sich öffnen und Flächen zugänglich machen. «Dann kann geprüft werden, ob es Bedenken gibt bezüglich Naturschutz und Bundes-Immissionsschutzgesetz», sagt Niemann.

Das sieht die FDP anders: «Nicht das Land mit den meisten Windrädern ist der beste Klimaschützer, sondern das mit den effizientesten Anlagen», sagt der Sprecher der FDP-Fraktion für Energiewirtschaft, Daniel Karrais. Das Land solle stärker auf Photovoltaik setzen. «Da hat Baden-Württemberg deutlich mehr nachzuholen als beim Wind und vor allem auch mehr zu bieten.»

Weitere Bremser für die Windkraft

Es geht allerdings auch nicht nur um den Tier- und Naturschutz. Seitdem der Bund das System von festen Vergütungen auf Ausschreibungen umgestellt hat, wird der Südwesten im Wettbewerb mit Norddeutschland abgehängt.

Umweltminister Untersteller pocht daher weiter auf faire Wettbewerbsbedingungen bei den Ausschreibungen für neue Windkraftanlagen. Projekte aus Baden-Württemberg kämen kaum zum Zug, weil flache Küstenländer wie Schleswig-Holstein oder ein Land wie Niedersachsen konkurrenzlos günstig Windkraft nutzen könnten.

Der Grünen-Minister forderte daher eine regionale Komponente in den Ausschreibungen, eine Art «Süd-Bonus» oder eine «Süd-Quote». Sie ist auch auf Druck Unterstellers nun Teil einer Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll.
dpa/lsw
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