Statt
Speisekartoffeln und Brot-Getreide säumt inzwischen in immer mehr Teilen der Republik strahlend gelb blühender Raps Autobahnen und Bahntrassen - angebaut als Rohstoff für die Biodiesel-Herstellung. Was noch vor einigen Jahren eher ein Nischen-Dasein fristete, könnte sich nach Einschätzung von Fachleuten in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu einem Boom entwickeln - mit einem Anteil von bis zu 20 Prozent am europäischen Primärenergieverbrauch.
Die Experten sehen vor allem in der Ölpflanze Raps eine Chance, Deutschland von Energie-Exporten ein Stückweit unabhängiger zu machen. «Vom heimischen Acker in den heimischen Tank», formulierte der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Gerd Müller, auf einer am Dienstag in Nürnberg zu Ende gegangenen EU-Konferenz euphorisch. Bauern erhielten völlig neue Einnahme-Möglichkeiten, könnten still gelegte Flächen mit Raps oder Getreide für die Bio-Treibstoff-Gewinnung anbauen und würden zum «Energiewirt».
Vor allem die aktuelle Klimaschutz-Debatte hat das Interesse an den Rohstoffen aus Acker und Wald deutlich gesteigert. Schließlich, so betonen die Fachleute, werde - anders als bei dem in großen Tiefen eingeschlossenen Rohöl - bei nachwachsenden Rohstoffen immer nur so viel Kohlendioxid frei, wie die Pflanzen während ihres Wachstums der Erdatmosphäre entnommen haben. Sie seien damit «kohlendioxid-neutral» und trügen nicht zum
Treibhauseffekt bei.
Die Branche selbst sieht die Entwicklung hin zu einem größeren Anteil von Biotreibstoffen am Energiemix weitaus nüchterner. Noch immer lasse die serienreife Produktion von Rapsölmotoren auf sich warten. Daher setzt auch das Bundeslandwirtschaftsministerium in absehbarer Zeit zunächst darauf, den Verbrauch von Bio-Treibstoffen durch die Bemischung zu konventionellen Treibstoffen zu erhöhen. Bereits 2015 könnte der Anteil auf acht Prozent gesteigert werden, lautet das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung, zu dem sie die gesamte EU verpflichten will.
Nachdem die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Steuerfreiheit für Biodiesel beendet hat und kurz darauf der Preis für konventionellen Diesel in den Keller sackte, schrillen bei den Raps-Erzeugern die Alarmglocken: «Unsere Rapsöl-Lager sind voll. Seit Rapsöl teurer als normaler Diesel ist, sind inzwischen viele Speditionen aus dem Biodiesel ausgestiegen», klagte der Präsident der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen, Klaus Kliem, auf der Nürnberger EU-Konferenz. Auch an den 1900 Biodiesel-Zapfsäulen in Deutschland gehe kaum noch etwas. «Ich fürchte, dass die ersten Hersteller demnächst Insolvenz anmelden werden.»
Umwelt- und Entwicklungspolitiker treibt derweil die Sorge um, dass die langfristig wachsende Bedeutung nachwachsender Rohstoffe zu dramatischen Fehlentwickelungen in der Dritten Welt führen könnte. Schon jetzt gebe es in einigen asiatischen Ländern Pläne, ganze Landstriche mit Ölpalmen zu bebauen, um den europäischen Markt mit Palmöl bedienen zu können. Innerhalb der EU wächst daher die Forderung nach einem Zertifizierungsverfahren für importierte Rohstoffe. «Der künftig wachsende Imort-Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen in Europa darf in den Lieferländern nicht zur Abholzung von Regenwäldern führen», stellte Agrar-Staatssekretär Müller klar. (dpa)