Anwohner und Mitarbeiter sind verunsichert, Umweltschützer fühlen sich bestätigt, wie leicht die Meiler zu einer Zielscheibe werden könnten. Allein in Frankreich gibt es 58 Atomreaktoren an 19 Standorten.
Dann tauchen Anfang 2015 mehrere Drohnen auch im Luftraum über einem streng gesicherten Militärhafen an der Bretagneküste auf - dort sind französische Atom-U-Boote stationiert. Wer hinter den mysteriösen Überflügen steckt, ist unklar. Technikfreaks, Atom-Gegner, Journalisten, die Schwachstellen aufzeigen wollen, ausländische Geheimdienste - oder vielleicht Terroristen, die mögliche Ziele ausloten wollen?
Aus mehreren Ländern liegen Berichte vor, dass Kriminelle oder Terroristen in der Vergangenheit Kernkraftwerke bedroht haben, darunter Argentinien, Russland, Litauen, Südkorea, die USA und Frankreich, wie das Öko-Institut in einer Studie dokumentiert hat. Mal waren es Sabotageversuche durch unzufriedene Mitarbeiter, Bombendrohungen oder die Ankündigung, ein Flugzeug auf ein AKW abstürzen zu lassen.
Das ist die Horrorvision: Ein großes Verkehrsflugzeug wird gezielt auf ein Kernkraftwerk gesteuert, so wie es die Al-Kaida-Terroristen am 11. September 2001 beim World Trade Center und dem Pentagon machten. Die Behörden könnten kaum reagieren: Den Abschuss eines entführten Flugzeugs mit unbeteiligten Passagieren hatte das Bundesverfassungsgericht untersagt.
Bei der Diskussion über den 2011 beschlossenen Atomausstieg wiesen Fachleute immer wieder auf Terror-Bedrohungen hin. Gerade bei den sieben ältesten und zuerst abgeschalteten deutschen AKW bestand die Sorge, dass das Reaktorgebäude bei einem Absturz weitgehend zerstört worden wäre.
Wenn 2022 das letzte AKW in Deutschland vom Netz geht, ist die Gefahr nach Ansicht von
Greenpeace längst nicht gebannt. «Die Zwischenlager für den Atommüll werden ein riesiger Gefahrenherd bleiben», sagt Greenpeace-Experte Tobias Münchmeyer. Auch die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague sei gefährdet.
Grundsätzlich klar ist, dass die
Energieversorgung in Zeiten von Cyber- und islamistischen Terrorbedrohungen zur Achillesferse der westlichen Industrieländer werden kann. Eher nicht gemeint sind Anschläge von Einzeltätern wie nun in der Industriegase-Anlage bei Lyon, die zwar Angst und Schrecken verbreiten - aber nicht die Versorgungssicherheit berühren.
Als viel gefährlicher werden Cyber-Terroristen eingeschätzt, die über das Internet Viren in die Steuerung von Stromnetzen und Großkraftwerken einschleusen könnten, um Stromausfälle («Blackouts») und Panik herbeizuführen.
Im Mai war das ein Topthema beim Treffen der Energieminister der G7-Industrieländer in Hamburg. Die immer stärkere Vernetzung von Geräten und die Umstellung auf digitale Strominfrastrukturen ist ein Problem. Gastgeber und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (
SPD) betonte in Hamburg: «Intelligente Netze sind viel anfälliger für Cyber-Kriminalität.»
Aber ist die deutsche Energiewirtschaft wirklich gewappnet? Bislang gab es - anders als etwa bei Zwischenfällen in Atomkraftwerken - keine Meldepflicht für Cyberattacken. Das wird sich mit dem gerade vom
Bundestag beschlossenen IT-Sicherheitsgesetz ändern - das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik soll «unverzüglich erhebliche Störungen» der Bundesnetzagentur melden.
Auch auf EU-Ebene gibt es Programme für ernsthafte Störungen bei der Versorgung mit Öl, Gas und Strom. Netzbetreiber sind verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht vorzulegen und Sicherbeauftragte für ihre Anlagen zu bestimmen.
Abzuwarten bleibt, was im Ernstfall passiert. In seinem Thriller «Blackout» hat Marc Elsberg ein Szenario aufgeschrieben, das Experten für durchaus plausibel halten: Durch die Manipulation von Stromzählern brechen an einem kalten Februartag nach und nach in Europa die Stromnetze zusammen. (dpa)