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18.10.2015 | 09:48 | Dieselfahrzeuge 

Zukunft des Diesels in Gefahr?

Wolfsburg - In den USA werden sie als stinkende «Traktoren» verspottet, Europa dagegen ist «Dieselland».

Zukunft des Diesels
Werden nach dem Abgas-Skandal bei VW jetzt Dieselautos bei allen Herstellern zu Ladenhütern? Zumindest kurzfristig könnte es einen Knick geben, befürchten Experten. Auf lange Sicht entscheidet aber ohnehin nicht das Image, sondern die Politik. (c) proplanta
In Westeuropa tanken mehr als die Hälfte aller im vergangen Jahr zugelassenen Neuwagen Diesel. Doch wegen des Skandals um manipulierte Dieselmotoren bei Volkswagen machen sich in der Autobranche Sorgen breit über die Zukunft des Antriebs, der gerade für die deutschen Hersteller so wichtig ist. Was wird jetzt aus dem Selbstzünder?

Der Chef von Continental, einem der größten Autozulieferer weltweit, schließt einen Verkaufsknick nicht aus: «Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in Europa kurzfristig eine Verschiebung von Diesel zu Benziner ergibt, ist gegeben», sagte Elmar Degenhart der Deutschen Presse-Agentur. «Dies gilt unter anderem, weil die Verbraucher verunsichert sind. Wie nachhaltig das sein wird, ist schwierig einzuschätzen.» Continental hat an VW Software geliefert, betont aber: «Die Software, so wie wir sie geliefert haben, war nicht in der Lage, Abgaswerte zu manipulieren», sagte ein Conti-Sprecher.

Vor allem bei den deutschen Autobauern liegen die Dieselanteile an der Gesamtflotte hoch. Bei BMW sind fast drei von vier in Deutschland verkauften Autos Diesel. Nach Berechnungen des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen lag der Dieselanteil bei Mercedes in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres in Deutschland bei 59 Prozent, bei der Marke VW waren es 55 Prozent.

Noch höher als in Deutschland ist der Diesel-Anteil in Frankreich, 2014 lag er bei 64 Prozent. Frankreichs Regierung hatte in dieser Woche eine Kehrtwende bei der Besteuerung von Kraftstoffen angekündigt. Die Bevorzugung des Diesels, für den bislang fast 20 Cent pro Liter weniger Steuern fällig werden als für Benzin, solle in den kommenden fünf Jahren abgebaut werden. Bei Automobilclubs in dem traditionellen Diesel-Land kam das gar nicht gut an, auch die Lastwagenbranche ist besorgt. Der Diesel war nicht immer ein Verkaufsschlager. 1990 war nicht einmal jeder zehnte verkaufte Neuwagen in Deutschland ein Diesel - heute ist es fast die Hälfte.

Der Hauptgrund dafür sind die Kosten. Nicht der Anschaffungspreis, denn der liegt meist über vergleichbaren Benzinern. Auch bei der Kfz-Steuer kommen Diesel meist schlechter weg. Dafür sind sie an der Zapfsäule die Billigmeister: Der Liter Diesel kostete im vergangenen Jahr im Schnitt 1,35 Euro und damit gut 14 Cent weniger als ein Liter Super E10, wie Daten des ADAC zeigen. Zuletzt im Sommer marschierte der Dieselpreis hierzulande sogar zur magischen 1-Euro-Marke.

Der gesamte Preisvorteil kommt durch unterschiedliche Mineralölsteuersätze zustande. Bis Mitte der 1980er Jahre wurden Benzin und Diesel noch nahezu gleich besteuert, danach stieg die Abgabe, die heute Energiesteuer heißt, auf Benzin deutlich stärker. Heute liegt die Differenz zwischen den beiden Steuersätzen bei 18,4 Cent pro Liter.

Zu den geringeren Spritkosten kommt auch ein in der Regel geringerer Verbrauch von Dieselautos. Weil der Kraftstoff von den Motoren effizienter verbrannt werden kann, schlucken Diesel meist weniger Sprit als vergleichbare Benziner. «Der Doppelvorteil - niedrige Preise an der Tankstelle und geringerer Spritverbrauch - ist natürlich für Autokäufer attraktiv», sagt ADAC-Experte Jürgen Albrecht. Vor allem bei hoher Fahrleistung ist ein Diesel günstiger. Aber auch PS-starke SUV wären als Benziner noch größere Spritfresser und so deutlich teurer im Unterhalt.

«Die Mehrheit der Dieselfahrer wählt das Auto aus Kostengründen», sagt Benjamin Kibies vom Marktforschungsinstitut Dataforce. Er hält einen Rückgang bei den Verkäufen von Dieselautos zwar für wahrscheinlich, «aber das wird eher ein kurzfristiger Effekt sein.» Auch Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler rechnet in den kommenden 12 Monaten höchstens mit einem weltweiten Rückgang des Dieselanteils von 1 bis 2 Prozent.

Wenn sich nun nach dem Abgas-Skandal der Wind in Berlin und Brüssel dreht und zum Beispiel höhere Steuern auf Diesel fällig würden, könnte das dagegen empfindliche Auswirkungen haben. «Das sieht man sehr schön in den Niederlanden», erläutert Experte Kibies. «Die ändern jedes Jahr die Kfz-Steuer und da sieht man immer große Ausschläge im Kaufverhalten.» Auch in Norwegen, wo zum Beispiel Elektroautos stark begünstigt werden, zeigt sich, welchen Einfluss die Politik auf das Verhalten der Autokäufer hat. Bezogen auf die Einwohnerzahl ist der Anteil der Elektroautos dort am höchsten.

Mit sinkenden Dieselanteilen bekämen die Hersteller ein ohnehin schon dringliches Problem noch stärker zu spüren: Die Thematik rund um das als Klimakiller verschriene Kohlendioxid CO2. Nach dem Jahr 2020 dürfen die Flotten der Hersteller in Europa im Schnitt nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft blasen. Und bei dieser Grenze hilft ein hoher Dieselanteil enorm.

Vor allem bei teuren Oberklasse-Autos unterscheidet sich der CO2-Ausstoß zwischen Dieseln und Benzinern stark. Im Schnitt liege der Ausstoß bei Diesel-Luxuskarossen 35 Prozent niedriger als bei Benzinern, heißt es in einer Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger. Dafür ist der Anteil giftiger Stickoxide im Dieselabgas meist deutlich höher, wenn der Wagen auf der Straße gefahren wird.

Politiker stehen also bei der Entscheidung über die Förderung einer bestimmten Antriebsart vor der Entscheidung Pest oder Cholera. Aber bei solchen politischen Weichenstellungen dürfte auch in Zukunft die mächtige Auto-Lobby ein Wörtchen mitzureden haben - trotz VW-Skandals.
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