Ein bilaterales Treffen zwischen türkischen und russischen Vertretern habe in Moskau „zu konkreten Ergebnissen geführt“, hieß es jedenfalls am Mittwoch (22.6.) in Ankara. Wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte, haben sich die beiden Parteien aber lediglich darauf geeinigt, die Verhandlungen über eine sichere Transitroute im Schwarzen Meer als Voraussetzung für Getreideexporte aus der Ukraine fortzusetzen.
Für Aufsehen sorgte jedoch, dass kurz nach dem Gespräch der beiden Delegationen ein türkisches Frachtschiff den ukrainischen Hafen Mariupol verließ. Das ukrainische Verteidigungsministerium stellte jedoch klar, dass in der Frage der Freigabe der Schwarzmeerhäfen bisher keine konkreten Vereinbarungen zwischen Kiew, der UN, Moskau und Ankara getroffen worden seien.
Tatsächlich sei es bisher nicht zu vierseitigen Verhandlungen gekommen. Ein Sprecher des Verteidigungsressorts begrüßte die Bemühungen von UN-Generalsekretär Antonio Guterres, betonte aber erneut, dass ukrainische Sicherheitsfragen rund um die Seehäfen und eventuelle Transitrouten geklärt werden müssten, wolle man substantielle Fortschritte bei der Wiederaufnahme der Exporte erreichen. Ungeachtet dessen mehren sich die Zeichen für ein vierseitiges Treffen, dass „in naher“ Zukunft in Istanbul solche Fragen ausloten soll.
Kein Vertrauen in RusslandDer Ukrainische Agrarrat (VAR) zeigte sich hinsichtlich eines solchen Treffens vorsichtig optimistisch. Der stellvertretende Verbandsvorsitzende Denis Marchuk stellte klar, dass man Russland nicht über den Weg traue. Allerdings bestehe ein Vertrauensverhältnis zwischen der ukrainischen und der türkischen Führung. Insofern gebe es eine Chance, dass man sich auf die Öffnung der Häfen einigen könne.
Dafür brauche die Ukraine aber Garantien von den beteiligten Ländern und Organisationen, dass Russland im Falle einer Räumung der Schwarzmeerhäfen von Seeminen keinesfalls Truppen anlande oder Frachtschiffe beschieße, betonte Marcuk. Dazu gehört für ihn die
Lieferung „leistungsfähiger Schiffsabwehrwaffen“ an die Ukraine als „eine Art von Sicherheitsgarantie“.
Putin sieht kein ProblemRusslands Präsidenten Wladimir
Putin hält die gesamte
Diskussion um die Freigabe der ukrainischen Seehäfen für „hysterisch und künstlich aufgeblasen“. Laut Interfax erklärte Putin vergangene Woche bei einem Treffen der BRICS-Staaten, dass Russland den Export von ukrainischem Getreide „nicht verhindere“ und bereit sei, den freien Transit von Frachtern durch internationale Gewässer zu gewährleisten.
Bedingung sei, dass die Verschiffungshäfen und die vorgelagerten Seegebiete durch das ukrainische Militär zuvor geräumt würden, so der russische Präsident. Er warf Kiew vor, in diesem Punkt „nicht konstruktiv“ zu sein. Unabhängig davon bot der britische Premierminister Boris Johnson laut dem Branchendienst ProAgro Group der Ukraine die Hilfe des Vereinigten Königreichs bei der Minenräumung und Absicherung von Getreidetransporten an. Erwogen werde auch die Bereitstellung von Versicherungspolicen für Frachtschiffe durch Großbritannien, da private Träger das Risiko scheuten, berichtete ProAgro.
Umschlagplätze bauenDer ukrainische
Landwirtschaftsminister Mykola Solsky will offenbar nicht auf ein russisches Entgegenkommen warten. Er kündigte vergangene Woche innerhalb der nächsten „ein bis zwei Monate“ den Bau von Getreideumschlagplätzen in der Nähe der polnisch-ukrainischen Grenze an. Angepeilt werden demnach Kapazitäten von bis zu 8,0 Mio. t, die zur Entlastung der bestehenden Lagerinfrastruktur und als Zwischenpuffer für die alternativen Westrouten für ukrainische Agrarrohstoffe dienen sollen.
Er stellte zudem weitere Maßnahmen zur Beschleunigung der Exporte an. Bei einem Treffen von Solsky mit
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir war zudem am Freitag (24.6.) die Rede von weiteren Treffen mit europäischen Partnern zur Ausgestaltung und zum
Ausbau der Transitrouten von der Ukraine in EU-Mitgliedstaaten.
Werthaltige Produkte bevorzugenEine Beschleunigung der Prozesse in der Exportkette wird auch von den im Ukrainischen Agrarforum gebündelten Branchenverbänden gefordert. Diese zeigten sich zuletzt unzufrieden mit der bisherigen Abwicklung der Agrarausfuhren über die Schiene und legten ein Papier mit einem Maßnahmenkatalog vor, mit dem sich die Exporte nach ihrer Überzeugung deutlich steigern lassen könnten.
Angeregt wird unter anderem eine verbindliche Mindestquote für Getreide und Ölsaaten bei den Schienentransporten, da derzeit ein Großteil der verfügbaren Waggons mit anderen Gütern ausgelastet sei. Zudem sollten Rückfrachten optimiert werden, um die
Versorgung der Ukraine mit dringend benötigten Gütern zu verbessern.
Beim Export sollten Händler und Politik zudem für die Zeit des Kriegsrechts den Fokus auf höherwertige
Agrarprodukte legen, um auf diese Weise mehr Geld für den
Agrarsektor und damit auch für den ukrainischen Staat zu erwirtschaften.
Die Verbände weisen darauf hin, dass die Ausfuhr von 10.000 t
Pflanzenöl im Hinblick auf Umsatz und Deviseneinnahmen dem Export von 35.000 t Weizen entspreche, aber deutlich weniger Frachtraum benötige. Deshalb sollten vorrangig Pflanzenöl, tierische Produkte sowie Obst- und Gemüse abgefahren werden, heißt es in dem Papier.
AgE