Wie sich die Bologna-Reform auf das „Agrarstudium in Deutschland“ auswirkt, diskutierten auf Initiative von VDL-Bundesverband und
Bauernverband Vertreter von Hochschulen, Wirtschaft und Berufsverbänden Ende September im Berliner Haus der Land- und Ernährungswirtschaft. Die Zwischenbilanz „10 Jahre Bologna-Reform“ fällt in Teilen nüchtern aus. Denn trotz aller grundsätzlichen Zustimmung sind gewisse „handwerkliche Fehler“ bei Umsetzung der Studiengänge Bachelor und Master nicht zu übersehen, die es zu korrigieren gilt.
223 Agrar-StudiengängeVDL-Präsident Markus Ebel-Waldmann beleuchtete die Hochschulentwicklung der letzten Jahre und stellte fest: „Wir reden von Harmonisierung und Mobilität, ohne dass dies in den Bundesländern, geschweige denn im Bildungsraum Europa umgesetzt worden ist“. Allein im Agrarbereich gebe es zur Zeit 223 Bachelor- und Masterstudiengänge. “Wer soll sich da noch zurecht finden“, so Ebel-Waldmann, der auch die viel zu hohe Quote der Studienabbrecher monierte. Seine Forderung: „Bachelor- und Masterabschlüsse müssen der universitären Ausbildung gerecht werden“. Bekennendes Ziel müsse weiter sein, dass der Masterabschluss und nicht der Bachelorabschluss zum Regelabschluss wird.
„Aber Master ist nicht gleich Master“, so der Einwand von Professor Dr. Karl H. Mühling (Kiel). Der Masterabschluss an der Universität basiere auf einer wissenschaftlichen Ausbildung. Als einen praktikablen Lösungsweg hob Mühling den gemeinsamen Master „Agrarmanagement“ an der FH Rendsburg und der Universität Kiel hervor. Nach Aussage von Professor Dr. Martin Braatz (FH Rendburg) hilft ein „Verriss“ der Bologna-Reform niemandem, viel wichtiger sei der Dialog zwischen Hochschulen und Wirtschaft. „Wir müssen über eine Optimierung der Studiengänge nachdenken, ohne die Reform in Frage zu stellen“. Auf der anderen Seite bekannte Prof. Dr. Bauer (FH Weihenstephan): „Bologna ist in vielen Professoren-Köpfen noch nicht richtig angekommen!“
Netzwerken gehört ZukunftDie Chancen mit der Umstellung auf Bachelor und Master liegen in der Vernetzung, wie sie BHGL-Präsident Professor Dr. Uwe Schmidt (HU Berlin) am Beispiel von AgrosNet, einem Verbund der Agrarfakultäten Berlin, Halle und Rostock, vorstellte. Dem vernetzten
Agrarstudium gehöre die Zukunft, die Konzentration auf einen einzigen Studienort der Vergangenheit an. Stellvertretend für die Studierenden schilderte Christian Bahsitta aus Halle - 5. Bachelor-Semester - die Situation an der Hochschule. Er fordert mehr zeitlichen Spielraum für Praktika und Studium generale: „Ein Blick über den Tellerrand ist gar nicht mehr möglich“
Soziale Kompetenz gefragtAuf dem zweitägigen Forum erläuterten auch Experten der
Agrarwirtschaft ihre Anforderungen und Erwartungen an Fach- und Führungskräfte der neuen Generation. Nach Auffassung von Frank Wiese, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Lückstedt /Sachsen-Anhalt, werden die Kenntnisse der Arbeitspsychologie und Menschenführung in der Hochschulausbildung vernachlässigt. Und auch Dr. Thomas Christen,
BASF Limburgerhof, sieht in der Vermittlung sozialer Kompetenzen einen „großen Nachholbedarf“. Die entscheidende Frage bleibe, wie sich der Absolvent in seinem beruflichen Umfeld und am Arbeitsplatz behauptet.
Der „Beratungsmarkt“ ist nach Darstellung von Franz Jansen-Minßen (Landwirtschaftskammer Niedersachsen) größer und dynamischer geworden. In der deutschen Agrar- und Ernährungsforschung fehle allerdings eine „strukturierte Clusterbildung“.
Ergebnisse auf einen BlickAls wichtigste Ergebnisse der Berliner Tagung, auf der immerhin 15 Experten referierten, sind festzuhalten: Der Bologna-Prozess muss zügig vorangebracht werden, dabei bleiben Kommunikation und Dialogbereitschaft wichtige Impulsgeber. Die Studiengänge bedürfen gezielter Korrekturen - z.B. Verlängerung des Bachelorstudium von 6 auf 7 Semester und Straffung der Prüfungsordnung. Die Agrarwissenschaften (Lehre und Forschung) sollen auf nationaler wie internationaler Ebene stärker vernetzt werden. (VDL)