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07.03.2023 | 11:09 | Berufsausbildung 

Landfrauenausbildung in den 1950ern: Sparsamkeit aus Demut

Nemitz - Von Gleichbehandlung war da noch keine Rede. Denn ausschließlich, um Bauernsöhne professionell und kostensparend auf die Bewirtschaftung ihrer Höfe vorzubereiten, entstanden im Deutschen Reich ab Ende des 19. Jahrhunderts landwirtschaftliche Winterschulen.

Landfrauen
In der Nachkriegszeit, als auf den Feldern noch mit Pferd und Wagen gearbeitet wurde, sah auch die Arbeit der Frauen auf den Höfen anders als heute aus. Vier ehemalige Bäuerinnen aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg erinnern sich an ihre Ausbildung. (c) proplanta
Dabei konnten die jungen Männer abends noch zuhause im Stall helfen und im Sommerhalbjahr auf dem Feld arbeiten. So geschah es ab 1905 auch in Lüchow im heutigen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Erst ab 1937 wurden dort in einer «Mädchenabteilung» auch zukünftige Bäuerinnen ausgebildet.

Wenngleich in anderen, als weiblich angesehenen Fächern. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür waren 1936 geschaffen worden. «Unsere erste Aufgabe bestand darin, dass wir uns blau-weiße Kleider nähen mussten, mit blauen bestickten Schürzen und einem weißen Tüchlein im Ausschnitt», erinnert sich Inge Tebel an ihre Lehrzeit 1952/53.

In dieser Uniform wurde dann der Unterricht absolviert. Die 88-Jährige muss darüber schmunzeln. Mit weiteren Ehemaligen aus Dörfern der Umgebung - ihrer Schwägerin Maria Mente (86), Margret Jacobs (84) und Regina Krüger (84) - trifft sich die ehemalige Bäuerin zu Kaffee und Kuchen im Dörfchen Nemitz nahe Lüchow.

Nach und nach fällt den vier rüstigen Damen, die alle Kinder, Enkel, Urenkel haben, ihr Lehrstoff wieder ein. Neben etwa Kochen und Backen, Schlachten und Handarbeiten, Buchführung und Hühnerhaltung ist ihnen vor allem das Putzen in - eher unguter - Erinnerung. «Es gab nicht viele technische Geräte wie Waschmaschinen und Staubsauger.

Man musste noch vieles mit der Hand machen», sagt die sehr adrett wirkende Regina Krüger. Und erklärt: «Im Zimmer von unserer Direktorin Frau Biermann hatten wir deshalb den Teppich auf Knien mit Handfeger und Schaufel zu reinigen. Das fand ich ganz furchtbar.» Doch Maria Mente fügt schnell hinzu: «Im Winter wurde der Teppich auf Schnee ausgeklopft - das war ein Highlight.»

Lachen müssen alle vier über einen Rat aus dem Fach «Gesundheitspflege»: Alle drei bis vier Wochen sollte man sich die Haare waschen. Einer wichtigen Aufgabe im Bereich Haushaltsführung wurde nicht jede Landwirtschaftsschülerin gerecht. Krüger, die später in einen eher kleinen Bauernhof eingeheiratet hat, gesteht: «Wir mussten Hühner mitbringen. Die wurden nach einem Betäubungsschlag auf den Kopf mit einem Nackenstich getötet, dann bluteten sie aus. Ich hab' mein Huhn aber immer «vergessen» - ich konnte nicht töten.» Das Schlachten von Schweinen und Rindern war den Männern vorbehalten.

Über etwas ganz Grundsätzliches, das sie geprägt habe, sind sich die Landfrauen, die später bei ihrer Arbeit in Haus und Hof noch die Schwiegereltern mit zu versorgen hatten, ebenfalls einig: dass man äußerst sparsam zu wirtschaften und zu kochen gelernt habe. Darauf habe gerade ihre Direktorin Erika Biermann streng geguckt. «Vor allen Dingen haben wir verinnerlicht, kein Brot wegzuschmeißen», sagt Krüger, «noch heute mache ich aus alten Kanten Brotsuppe. Was die Fernsehköche so alles wegschneiden, das kann ich gar nicht sehen.»

Den Gemüseabfall hätten die Schweine bekommen. Dabei betonen die Frauen, die ihr Halbjahr in Lüchow mit einem Zeugnis abschlossen: «Das war keine Sparsamkeit aus Armut, sondern aus Demut vor den Produkten und der Arbeit. Gedarbt haben wir nie.» Denn selbst in der kargen Nachkriegszeit hätten die Landwirte, von denen es noch wesentlich mehr gab und die auch vielfältiger produzierten, reichlich Lebensmittel gehabt. «Alles, was wir im Unterricht verkochten, mussten wir ja von zuhause mitbringen», erklärt Tebel, die von damals ein Heft mit ihren handgeschriebenen Grundrezepten mitgebracht hat. Von Pellkartoffeln mit Schlachtwurst bis zu Gänsebraten und Kompott.

Küchenarbeit wurde leichter, als um 1960 in den Dörfern Kalthäuser entstanden, in denen man sich Fächer zum Einfrieren mieten konnte. Zu der Zeit wurden - im Übrigen unter Anleitung ihrer Schulleiterin Biermann - auf den Höfen auch die Küchen modernisiert. Etwa mittels neuer Elektro- neben den alten Kohleherden. Am langen Tisch versorgten die Bäuerinnen, die morgens schon früh zum Kuhmelken aufstanden und abends um 21.00 Uhr zu Bett gingen, dort zweimal täglich ihre zahlreichen Familienmitglieder mit warmem Essen. Auf großen Höfen wie dem von Mentes Familie wurden Mägde und Knechte mit verköstigt.

Haben die alten Damen dieses Leben, zu dem auch Feldarbeit wie Kartoffeln pflanzen und Rüben hacken gehörte, als hart empfunden - oder als erfüllend? Eine Antwort darauf gibt Margret Jacobs, die - weil sie keine Brüder hatte, als einzige einen Hof geerbt hat: «Wie die Zeit ist, in der man lebt, so erkennt man sie auch an. Wir haben das damals nicht als schwer empfunden, so war es eben. Wir haben es gern gemacht - und wenn wieder ein Teil fertig war, hat man sich gefreut.» Heute gibt es in einigen ihrer Dörfer gar keinen Bauernbetrieb mehr. Die Ausbildung wurde längst neu geregelt und 1974 in die Berufsbildenden Schulen (BBS) in Lüchow eingebracht. Mit den Bereichen Landwirtschaft und Hauswirtschaft - und natürlich nicht mehr nach Geschlechtern getrennt.

Dazu erklärt der BBS-Leiter Stefan Eilts (58), dass derzeit nur wenige junge Frauen den Beruf einer Landwirtin erlernen wollen. «Nur knapp ein Viertel unserer rund 50 Azubis sind weiblich», erklärt Eilts. Er sieht dafür zwei Gründe: «Einerseits hat das mit der teils immer noch schweren körperlichen Arbeit zu tun. Und andererseits scheint in unserer Region der Betrieb oft aus Traditionsgründen an männliche Nachkommen zu gehen.»
dpa/lni
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