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09.05.2020 | 04:08 | Schönste Kuh 

Kühe beim Friseur

Rückholz - Die Schönheitskur seiner Models beginnt für Tobias Guggemos immer am hinteren Körperteil. Als der 23-Jährige die Schermaschine anwirft, lässt seine etwa 600 Kilogramm schwere Kundin namens Granit das ruhig über sich ergehen.

Schönheitswettbewerb
Öl fürs Euter, Spray fürs Fell und Toupets für den Schwanz: Kuh-Fitter richten Rinder für große Auftritte her. Für manche Züchter geht es dabei um eine Menge Geld. Doch das Schönmachen hat seine Grenzen. (c) proplanta
«Sie ist es gewohnt», sagt Guggemos. Er hält große Stücke auf die Brown-Swiss-Kuh. Mit vier Jahren hat sie schon 8.500 Liter Milch gegeben - und bei der Bundesjungzüchterschau 2019 in der Kategorie «schönstes Euter» den zweiten Platz geholt. Für Guggemos ein besonderer Erfolg: Er macht Rinder wie Granit als Kuh-Fitter für große Auftritte schön.

Wie oft er das in den vergangenen sieben Jahren getan hat, weiß Guggemos nicht genau. «200 bis 300 Tiere werden es schon sein», sagt er und lacht. «Irgendwann hört man auf zu zählen.» Aber er weiß, worauf es ankommt: eine gerade Oberlinie am Rücken als Zeichen für Langlebigkeit, die Betonung von breiten, abfallenden Beckenknochen, die fürs Kalben wichtig sind, und gut sichtbare Adern, die viel Milch versprechen.

«Das Auge spielt immer mit», sagt Guggemos. Deswegen reibt er Euter mit Babyöl ein, kaschiert Unebenheiten am Rücken durch gerade Felllinien oder bringt ein Echthaar-Toupet am Schwanz an. «Manche finden auch Muster im Fell total toll, aber das mache ich nur spaßeshalber», sagt er.

Bis zu zweieinhalb Stunden kann es dauern, bis seine Kundinnen für Zuchtschauen bereit sind. Für dieses Hobby muss im Zweifelsfall auch mal die Arbeit auf dem Hof der Eltern in Rückholz im Landkreis Ostallgäu in Bayern hintenanstehen. Schöne Kühe können Züchtern beim Verkauf der Kälber, Embryonen oder des Tieres selbst viel Geld bringen. «Für eine durchschnittliche Kuh bekommt man bis zu 2.000 Euro», schätzt Guggemos, Vorsitzender der Allgäuer Jungzüchter. «Ein echter Champion kann aber 5.000 bis 10.000 Euro wert sein.»

Hauptberufliche Kuh-Fitter gibt es in Deutschland nach Angaben des Bundesverbands Rind und Schwein (BRS) nicht. Man schätze, dass hierzulande etwa 25 Fitter im Nebenberuf aktiv seien. Darüber hinaus gebe es einige Nachwuchskräfte. «Davon leben kann man nur in den USA und vielleicht in der Schweiz», sagt Guggemos. Ihn fasziniere, was man aus den Tieren herausholen könne.

«Sie werden dadurch elegant wie Models», sagt er. «Dafür braucht man Leidenschaft und einen gewissen Ehrgeiz.» Eine gerade Oberlinie zu schneiden, zu bürsten, zu föhnen und mit Spray zu fixieren, erfordert Konzentration und Geduld. Gleiches gilt für die «Nassrasur» des Fells am Euter auf ein Zehntel-Millimeter.

Beim tierischen Schönheitswettbewerb gibt es aber auch Grenzen. «Das fängt da an, wo es um den Tierschutz geht», sagt Christoph Busch. Er ist bei der Allgäuer Herdebuchgesellschaft unter anderem für Messen zuständig und als Richter bei Zuchtschauen tätig. «Wenn ein Züchter seine Kuh zum Beispiel nicht milkt, damit das Euter bei der Schau optimal aussieht, kann ich das Tier disqualifizieren», sagt er. Das komme selten vor, müsse aber kritisch verfolgt werden.

Gegen den Grundgedanken, die Vorteile einer Kuh durch schönes Herrichten hervorzuheben, sei dagegen nichts einzuwenden, findet Busch. Er selbst habe in seiner Freizeit schon als Kuh-Fitter gearbeitet. «Das kann beim Verkaufspreis einen Unterschied von bis zu 100 Euro machen», sagt er. Inzwischen gebe es aber auch Veranstalter, die diese Art der Vorbereitung bei ihren Schauen teilweise oder gar nicht mehr zulassen: «Da geht es um Chancengleichheit für Landwirte, die kein Geld dafür ausgeben wollen.» Manche Veranstalter setzten deshalb auf mehr Natürlichkeit bei mehr Teilnehmern.

Doch beim Kuh-Fitting geht es längst nicht nur ums Geld: «Das ist auch eine Visitenkarte für die Betriebe, da ist eine gewisse Ehre mit dabei», sagt Busch. Die Möglichkeit, sich so zu zeigen, ist wegen der Corona-Krise derzeit aber kaum vorhanden: Schauen und Auktionen sind abgesagt, Kühe werden nur durch Direktvermarktung verkauft. Trotzdem macht Tobias Guggemos weiter, vor allem mit Tieren vom eigenen Hof. «Man muss in Übung bleiben», sagt er. Außerdem werde das Fell durch regelmäßiges Scheren feiner.

Nach mehr als einer Stunde ist Granit mit Ausnahme des Kopfes fertig frisiert: kurzes Fell, gerade Oberlinie und gut sichtbare Adern. Friseur Guggemos ist zufrieden, die Kuh aber unruhig. «Sie muss jetzt in den Melkstand», sagt er.

Für den Landwirt selbst geht es danach mit Arbeit auf dem Hof weiter. Ob er auch Menschen die Haare schneiden könnte? Das habe er sich trotz geschlossener Friseursalons in Zeiten von Corona nicht getraut, sagt Guggemos und lacht. «Für meine Haare hat meine Schwester die Schermaschine vor zwei Wochen aber benutzt.»
dpa
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