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02.03.2012 | 12:41 | Schleppersitz-Test 

Aktiv gefederte Schleppersitze zeichnen sich durch besonders hohen Komfort aus

Frankfurt/Main - Sitze auf Ackerschleppern sollen durch eine geeignete Federung und Dämpfung Schwingungseinwirkungen vom Fahrer fernhalten.

Schleppersitz
(c) proplanta

Mechanische oder luftgefederte Sitzsysteme gelangen jedoch vor allem auf stark unebenen Fahrbahnen schnell an ihre Grenze. Automatische Sitze hingegen stellen sich automatisch auf das Fahrergewicht ein. Dieses Kriterium ist besonders wichtig, wenn ein häufiger Fahrerwechsel erfolgt.

Da bei dieser Federungsart die Eigenfrequenz kaum von den Fahrergewichten abhängig ist, muss man keine Kompromisse eingehen und kann den Sitz so auslegen, dass er weitgehend von den Schwingungseinflüssen entkoppelt ist. Zusätzlich wird der Dämpfer in kürzester Zeit auf die Schwingungsanregungen eingestellt, sodass auch in dieser Hinsicht ein besseres Verhalten des Sitzes erreicht werden kann (semiaktive Lösung).


Aktiv gefederte Sitze

Die DLG hat in den zurückliegenden Jahren DLG-FokusTests für aktiv gefederte Sitze von John Deere (Active Seat), Grammer (MSG 95 EAC/741) und IWS Handling (Apollo Active Pro - AFS 3006-high) durchgeführt. Aktive Systeme regeln im Gegensatz zu semiaktiven Sitzen nicht nur die Dämpfereinstellung, sondern versuchen auch die Sitzposition durch das Nachliefern von pneumatischer und hydraulischer Energie konstant zu halten. Dazu ist aber ein größerer Rechner- und Energieversorgungsaufwand nötig. Diese Sitzsysteme sind deshalb an die Schleppervoraussetzungen anzupassen.

Alle Sitze, die auf Schleppern im öffentlichen Straßenverkehr zum Einsatz kommen, müssen grundsätzlich eine EG-Typgenehmigung besitzen. Dies wird durch eine entsprechende Genehmigung dokumentiert und durch einen Aufkleber (e-Zeichen) anzeigt. Die Werkstatt, der Schlepper- oder Sitzhersteller sollten Landwirten Auskunft darüber geben können, welcher Sitz auch für ihren Schlepper zugelassen ist.

Die Schwingungsmessungen an den Sitzsystemen erfolgten im DLG-FokusTest nach den Vorgaben der EG-Richtlinie 78/764/EWG. Die Schwingungsaufnehmer befanden sich auf dem Sitzkissen und zum Vergleich der einwirkenden Schwingungen auf dem Kabinenboden beziehungsweise am Chassis des Schleppers.

Als Fahrbahn für die Versuchsfahrten standen eine genormte Strecke von 100 m Länge und ein üblicher Feldweg zur Verfügung. Parameter für die Messungen war die Fahrgeschwindigkeit, die von 5 bis 40 km/h variiert wurde.


John Deere Active Seat

Für den Test des John Deere Active Seat wurden der DLG-Prüfstelle zwei Schlepper von John Deere zur Verfügung gestellt: einer mit starrer Vorderachse und luftgefedertem Sitz und ein weiterer Schlepper mit gefederter Vorderachse (Independent Link System) und Active Seat.

Um die Einflüsse der Reifen auszuschließen , wurden der Höhen- und Seitenschlag der Räder gemessen und die Reifen entsprechend auf der Felge gedreht, um die Rundlaufabweichungen von Felge und Reifen zu minimieren. Für die Messfahrten wurden dieselben Räder an beiden Schleppern verwendet. Bei dem aktiv geregelten Active Seat wurden mit einem Beschleunigungssensor und einem Lagesensor 200-mal pro Sekunde die augenblickliche Lage und die auf den Sitz einwirkende Beschleunigung gemessen.

Die elektronische Steuerung versucht anhand der Signale ständig, die Position der Sitzfläche über einen mit einem Hydrauliksystem des Schleppers verbundenen Zylinder auf konstanter Höhe zu halten. Die auf den Fahrer einwirkenden Kräfte werden dadurch in senkrechter Richtung vermindert. Der John Deere Active Seat war seinerzeit der erste aktiv geregelte Sitz im DLG-FokusTest.

Die Messungen hatten gezeigt, dass er den Fahrkomfort in einem großen Fahrgeschwindigkeitsbereich erhöht, wie es mit konventionellen Systemen bis dahin so noch nicht gelungen ist. Der Nachfolgesitz dieses Typs ist der John Deere Active Seat II. Anstelle der hydraulischen Energieversorgung erfolgt hier eine elektrische Energieversorgung. Der Energieraufwand für die Schwingungsminderung wird nach Angaben des Herstellers von etwa 500 W auf 60 W gesenkt.


Grammer MSG 95 EAC/741

Für den DLG-FokusTest des Grammer Sitzes MSG 95 EAC/741 standen zwei Schlepper von Fendt bzw. John Deere zur Verfügung. Beide Schlepper hatten eine gefederte Vorderachse. Der Fendt-Schlepper war zusätzlich mit einer luftgefederten Kabine, der John Deere lediglich mit einer durch Gummielemente gefederten Kabine ausgerüstet.

Um Vergleichsmöglichkeiten zu haben, wurden alle Messungen sowohl mit dem Aktivsitz wie auch mit herkömmlichen luftgefederten Sitzen gefahren. Bei dem Grammer-Sitz mit aktiver, elektronisch geregelter Federung wurden mithilfe eines Lagesensors 250-mal pro Sekunde die augenblickliche Lage und die auf den Sitz einwirkende Beschleunigung gemessen.

Das bedeutet, dass die elektronische Steuerung (Controller) anhand der Signale ständig versucht, die Position der Sitzfläche über eine Luftfeder und ein zusätzliches Luftreservoir auf konstanter Höhe zu halten. Dadurch werden die auf den Fahrer einwirkenden Beschleunigungen in senkrechter Richtung vermindert.

Der Test hat ergeben, dass der Grammer-Sitz in der Lage ist, die schädlichen Beschleunigungen in senkrechter Richtung vor allem bei leichten Fahrern zu reduzieren. Der Sitz erhöht den Fahrkomfort in einem großen Fahrgeschwindigkeitsbereich. Aufgrund der elektronisch gesteuerten automatischen Funktion ist er sehr einfach auf Gewicht und Größe des Fahrers einzustellen.


Apollo Active Pro - AFS 3006-high

Für die Sitzmessungen am Apollo Active Pro - AFS 3006-high von IWS Handling wurde ein Claas-Schlepper der Serie Arion 540 mit gefederter Vorderachse und luftgefederter Kabine genutzt. Um Vergleichsmessungen durchführen zu können, wurden alle Messungen sowohl mit dem Aktivsitz mit vollautomatischer und aktiver Federung als auch mit einem luftgefederten Vergleichssitz der gehobenen Mittelklasse durchgeführt.

Das Sitzkonzept Apollo arbeitet mit einem integrierten Mikrocontroller, der den Fahrersitz durch Ansteuern eines speziellen magnetorheologischen Dämpfers aktiv dämpft. Diese Flüssigkeit kann bei Anregung bzw. Spannungsänderung ihre Viskosität in sehr kurzer Zeit ändern.

Der Dämpfer kann dadurch auf jeden Betriebszustand (Fahrbahnen, Beladungszustände, Aufbaubewegungen) innerhalb von Millisekunden reagieren und die Dämpferkraft gezielt anpassen. Ein Beschleunigungssensor misst dafür 200-mal pro Sekunde die augenblicklich auf den Sitz einwirkenden Vibrationen.

Der Sitz hat des Weiteren eine vollautomatische Gewichtseinstellung integriert und fährt entsprechend dem Fahrergewicht in die optimale Mittellage. Auf diese Weise können die Federwege nach oben und unten optimal ausgenutzt werden. Die Messungen haben gezeigt, dass der Apollo Active Pro - AFS 3006-high auf der Teststrecke und auf der Straße den Fahrkomfort im Vergleich zum luftgefederten Fahrsitz erhöht. Der aktuelle Testbericht 6040F ist unter www.dlg-test.de/traktoren - Zubehör zu finden.

Die Messergebnisse zeigen bei allen aktiv gefederten Sitzen, dass der Vorteil dieser Federung besonders bei hoher Schwingungsbelastung und hohen Fahrgeschwindigkeiten zum Tragen kommt. Man muss aber die Besonderheiten der einzelnen Systeme kennen, um eine optimierte Auswahl treffen zu können.


Stärken und Schwächen von Sitzkonzepten

  • Mechanisch gefederte Sitze
    Sitze mit mechanischer Federung sind preiswert. Bei sorgfältiger Einstellung auf das jeweilige Fahrergewicht können diese Sitze einen ähnlich guten Schwingungskomfort bieten wie die vergleichbaren, aber teureren luftgefederten Sitze. Für leichte Fahrer haben sie aber unter Umständen eine höhere Schwingungsbelastung, weil die Eigenfrequenzen des Sitzes zu dicht an denen der Anregung liegen. Da keine spezielle Energieversorgung notwendig ist, sind diese Sitze für jeglichen Anwendungen denkbar.

  • Luftgefederte Sitze
    Diese Sitzsysteme sind durch die aufwendigere Bauweise etwas teurer als mechanische Federsysteme. Ihre Eigenfrequenz ist weitgehend unabhängig vom Fahrergewicht. Eine automatische Fahrergewichtseinstellung ist optional möglich. Luftgefederte Sitze sind auf Landmaschinen am weitesten verbreitet. Sie stellen noch den Stand der Technik dar und können in jeden Schlepper eingebaut werden.

  • Semiaktiv gefederte Sitze
    Anders als mechanische und luftgefederte Systeme basiert das semiaktive System darauf, dass der Sitzdämpfer auf die einwirkenden Schwingungen optimal eingestellt wird. Dazu erfasst ein Controller die Schwingungssituation und stellt den Dämpfer innerhalb sehr kurzer Zeit optimal ein. Diese Lösung ist von einer schleppereigenen Energieversorgung unabhängig. Allerdings ist eine elektrische Versorgung des im Sitz eingebauten Kompressors nötig.

  • Aktiv gefederte Sitze
    Bei aktiv gefederten Sitzen versucht die Regelung, den Sitz ruhig auf einer mittleren Höhe in Bezug auf die Kabinenbewegung zu halten. Dafür ist eine Energiequelle mit einer entsprechenden Leistung notwendig. Bislang wurden diese Systeme an die Steuerung und an die hydraulische Versorgung des Schleppers angeschlossen. Man greift dazu aktiv sowohl in die Federung als auch in die Dämpfung ein. Ein Schlepperhersteller nutzt dabei als zusätzliches Steuersignal die Lagesignale der gefederten Vorderachse. Deshalb ist der Einbau dieser Sitze nur in speziell geeignete Schlepper möglich.

Ausführliche Informationen zu den Fokus-Tests „Schleppersitze" finden Interessenten im Internet unter http://www.dlg.org/sonder.html und unter http://www.dlg.org/sonder-archiv.html oder bei Heinz Roethemeyer, Tel. 069/24788-645, E-Mail: h.roethemeyer@dlg.org. (dlg)
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