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06.02.2023 | 13:41 | Strom, Biodiesel, Methan? 

Landtechnik sucht alternative Antriebe

Straubing - Ohne Diesel läuft nichts in der Landwirtschaft: Mähdrescher, Häcksler, Traktoren verbrauchen - je nach Einsatz - viele Liter pro Tag.

Rapsöl im Tank
Das E-Auto gehört in Deutschland inzwischen zum Straßenbild. Auch andere Mobilitätsbranchen suchen händeringend nach Alternativen zu Benzin und Diesel. Und die Landtechnik? Pflügt bald der E-Traktor auf dem Feld? (c) proplanta
Fünf Prozent des jährlichen Dieselverbrauchs in Deutschland gehen aufs Konto der Land- und Forstwirtschaft, wie das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) schätzt. In der Energiekrise sind die Kosten der Betriebe gestiegen. Zudem hat die EU auch für die Landwirtschaft Klimaziele zur Senkung des Emissionsausstoßes formuliert.

Der E-Mobilität auf den Betrieben sind derzeit Grenzen gesetzt. Für kürzere Einsatzzeiten und geringen Leistungsbedarf eigneten sich elektrische Antriebe sehr gut - bestenfalls gespeist durch den Photovoltaik-Strom vom eigenen Dach, sagt Edgar Remmele. Er ist Chef der Abteilung Erneuerbare Kraftstoffe und Materialien am Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe in Straubing. Sogenannte Hoflader oder Futtermischwagen könnten emissionsfrei betrieben werden: «E-Mobilität findet hier mehr und mehr Nutzung.»

Batteriebetriebene Traktoren stünden zwar kurz vor dem Eintritt in die Praxis, jedoch nur im unteren Leistungssegment, sagt der Wissenschaftler Roland Bauer von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Sie seien für begrenzte Einsätze etwa für Grünland oder für Spezialbetriebe im Wein- oder Obstbau eine Alternative.

Der Landtechnik-Hersteller Fendt aus dem Allgäu will mit dem E-Traktor e100 Vario Ende 2024 in Serie gehen, wie eine Sprecherin sagt. Im Dezember 2022 präsentierte der Konzern CNH Industrial in den USA einen elektrisch angetriebenen New-Holland-Traktor mit autonomen Funktionen. Ende 2023, so die Ankündigung, will man in die Produktion einsteigen.

«Wir werden im Segment von Landmaschinen kleinerer Leistung batterieelektrische Lösungen anbieten», sagt Peter Pickel, Experte für Zukunftstechnologien bei John Deere. Die fortschreitende Digitalisierung in der Landwirtschaft helfe dabei. «Denn elektrische Antriebe können ungleich präziser gesteuert werden als heutige mechanische und hydrostatische Antriebe.»

Das Problem: Bei größeren Landmaschinen wäre die Technik für einen Elektro-Antrieb viel zu schwer und zu groß. Der Verbrennungsmotor bei größeren Traktoren bleibe für den Einsatz im Ackerbau auch in Zukunft unverzichtbar, sagt Tobias Ehrhard, Landtechnik-Geschäftsführer beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). «Aktuell spricht man von einem praktikablen Leistungskorridor für elektrische Traktoren zwischen 100 und 150 PS. Alles, was darüber hinausgeht, erfordert Batteriekapazitäten, die momentan allein hinsichtlich des Gewichts konstruktiv kaum darstellbar sind.»

Was aber wären die Alternativen? Methan sei eine Möglichkeit, sagt Remmele aus dem Straubinger Forschungszentrum - vor allem, wenn Landwirte ihre eigene Biogasanlage mit Methanaufbereitung nutzen könnten. Allerdings: Methan habe nur ein Fünftel der Energiedichte von Dieselkraftstoff.

Alternativen seien Pflanzenölkraftstoff, Biodiesel oder hydrierte Pflanzenöle (HVO). Biodiesel werde derzeit vor allem beigemischt, könnte aber auch als Reinkraftstoff verwendet werden. «Wir favorisieren daher für Maschinen im oberen Leistungsbereich Antriebe mit pflanzenölbasierten Kraftstoffen», sagt Remmele. Bestenfalls könnten die dazu benötigten Ölfrüchte - etwa Raps - auf dem Betrieb angebaut werden. Das Nebenprodukt könne als eiweißhaltiges Viehfutter verwendet werden. «Eigentlich ist es genau das, was man gerne hätte: lokale Energie- und Stoffkreisläufe.» Allerdings plant Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bis 2030 einen schrittweisen Ausstieg aus Kraftstoffen aus Pflanzen, die für Nahrung und Futter nutzbar sind. Die Zukunft dieser Ideen ist also ungewiss.

Technisch wäre ein Umstieg auf alternative Antriebe nicht schwer, sagt Remmele, «es gibt viele Konzepte». Die große Hürde sei derzeit der Dieselpreis: Durch die Regelungen zum Agrardiesel - gemeint ist die teilweise Rückerstattung der Energiesteuer für konventionellen Diesel - hätten es biogene Kraftstoffe schwer, da für diese eine Rückerstattung seit Anfang 2022 nicht mehr gewährt wird. Daher habe man momentan die «groteske Situation», dass durch die Steuerrückvergütung herkömmlicher Diesel finanziell gefördert wird - Biokraftstoffe jedoch nicht.

In dieser Unsicherheit werde niemand in Maschinen mit alternativen Antrieben investieren, fürchtet Remmele. Doch es müsse jetzt gehandelt werden, Landmaschinen hätten eine lange Lebensdauer. Wer jetzt ein Fahrzeug kaufe, nutze dies oft für die nächsten 15 Jahre. Beim VDMA bringt man E-Fuels ins Spiel. «Fest steht, dass wir für Ackerschlepper und große Erntemaschinen mittelfristig kompatible E-Fuels benötigen», sagt Ehrhard. Der Vorteil: Bestehende Fahrzeugflotten könnten mit synthetischen Kraftstoffen weiterbetrieben werden.

Das Leistungsniveau, auf dem sich Traktoren und Erntemaschinen «im modernen ackerbaulichen Prozess bewegen, ist höchst ambitioniert», betont Ehrhard. Mähdrescher kämen inzwischen auf bis zu 100 Tonnen Getreide pro Stunde. «Das entspricht in etwa der Getreidemenge, die eine Millionenmetropole wie Berlin täglich für Backwaren benötigt.» Bei Europas größtem Mähdrescherhersteller Claas heißt es, man forsche und entwickle «grundsätzlich technologieoffen». Claas arbeite an verschiedenen Konzepten für alternative Antriebe «und wird in den nächsten Jahren serienreife Technik vorstellen», teilt ein Sprecher mit.

Auch von Wasserstoff-Antrieben ist in der Branche immer wieder zu hören. Wasserstoff habe aber derzeit noch die gleichen Probleme wie Batterieantrieb und Methan, sagt Peter Pickel von John Deere: «Um Landmaschinen mit Methan oder Wasserstoff anzutreiben, müssten diese mit riesigen Tanks ausgestattet werden, um den Treibstoff für lange Arbeitstage auf dem Feld zu speichern.»
dpa
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