Ihre Anwendung in der Praxis nimmt langsam, aber sicher zu. Über den aktuellen Stand der alternativen Antriebskonzepte tauschte sich heute die Expertenrunde beim Pressegespräch „Landtechnik unter Hochspannung - Elektrische Antriebe mit Zukunft?!" anlässlich der 69. Internationalen VDI-Tagung LAND.TECHNIK - AgEng 2011 aus.
„Der Einsatz elektrischer Antriebe ist sinnvoll, wenn durch ihn, unter Beachtung ökonomischer Randbedingungen, eine bessere Energieeffizienz oder Prozessexzellenz entsteht", sagt Prof. Stefan Böttinger, Vorsitzender des VDI-Fachbereichs Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik. Die Möglichkeit, elektrische Antriebe in
Landmaschinen einzusetzen, breche zudem bestehende Denkmuster auf, sodass die Strukturen bisheriger Antriebe und Maschinenkonzepte hinterfragt und Alternativen entworfen werden.
„Große Leistungsverbraucher an Landmaschinen und Geräten werden heute sowohl mechanisch als auch hydraulisch angetrieben. Aufgrund der Vielzahl von Antrieben sind zahlreiche Übertragungselemente notwendig, die zu komplexen Antriebssträngen führen", erläutert Thomas Herlitzius, Professor für Agrarsystemtechnik an der TU Dresden. Eine Alternative dazu seien elektrische Antriebe.
„Die aktuellen Entwicklungen auf den Gebieten der Elektrotechnik und der Elektronik ermöglichen nicht nur die Anwendung elektrischer Antriebe, sondern auch deren Integration in die Arbeitselemente, womit bestehende Nachteile konventioneller Antriebstechnik überwunden werden könnten", so Herlitzius. Dennoch gäben mechanische und hydraulische Antriebe aufgrund ihrer eigenen Vorteile noch immer das Maß an, an dem sich auch elektrische Antriebe messen lassen müssten.
Dass elektrische Antriebe im Bereich mobiler Arbeitsmaschinen an Bedeutung zunehmen werden, ist für Peter-Michael Synek, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbandes Fluidtechnik im
VDMA, unstrittig.
„Elektrische Antriebe stoßen aufgrund ihrer sehr guten Steuer- und Regelbarkeit, der hohen Wirkungsgrade sowie der fluidfreien Leistungsübertragung als neue Antriebstechnologie vermehrt auf das Interesse der Landmaschinenhersteller", meint Synek. Er räumt allerdings auch ein, dass sich die Hydraulik aufgrund vieler Vorteile in der
Landtechnik bewährt habe. Daher werde es kurzfristig wohl „keinen technologischen Paradigmenwechsel in der Antriebstechnik geben. Jedoch wird die Bedeutung der Hybridtechnologie deutlich zunehmen, da sie die Stärken der einzelnen Technikdisziplinen verbindet und somit einen erheblichen Beitrag zur
Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung leistet", so Synek weiter.
Wichtige Voraussetzung für einen Technologiewandel hin zu elektrischen Antrieben ist die Standardisierung. Die Agricultural Industry Electronics Foundation (AEF), die sich für die verstärkte Nutzung der Elektronik in der Landwirtschaft einsetzt, hat zu diesem Zweck die Projektgruppe „High Voltage" gegründet. „Ziel der neuen Projektgruppe ist die Erarbeitung eines in der Agrartechnik international anerkannten Industriestandards für eine leistungsfähige Traktorenschnittstelle zur Stromversorgung von Anbaugeräten", sagt Harald Dietel, Leiter der Projektgruppe. „Dahinter steht der Gedanke, dass die Ausrüstung mit Elektromotoren auf marktgängigen Anbaugeräten mit jedem Traktormodell kompatibel und die Leistungsdaten des Verbrennungsmotors die einzige Begrenzung sein sollten", so Dietel weiter.
Um langfristig alternative Antriebskonzepte zu entwickeln, bedarf es laut der Expertenrunde vor allem der interdisziplinären Zusammenarbeit sowie angepasster und abgestimmter Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die beteiligten Ingenieure.
Zur diesjährigen Tagung „LAND.TECHNIK - AgEng 2011" des VDI Wissensforums unter fachlicher Leitung des VDI-Fachbereichs Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik sind mehr als 850Teilnehmer nach Hannover gereist. Renommierte Referenten aus Wissenschaft und Industrie zeigten unter anderem auch die neuesten Trends bei elektrischen Antrieben auf. (vdi)