In den USA werden die geschlachteten und gerupften Hühner zur Desinfektion in eine Chlorlauge getaucht. In Europa ist diese keimabtötende Prozedur bislang untersagt. Doch geht tatsächlich eine Gesundheitsgefahr von den US-Chlorhühnern aus, wie in hitzigen Diskussionen behauptet wird?
Nein, meint Lüppo Ellerbroek, Leiter der Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Damit schätzt er das Sicherheitsrisiko genauso ein wie ein Gutachten der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA).
Das deutsche Huhn sei keinesfalls gesünder als das US-Chlorhuhn – ganz im Gegenteil: „Wir müssen leider feststellen, dass wir ein massives Salmonellen- und Campylobacter-Problem auf deutschem Geflügel haben“, so Ellerbroek, und das ließe sich auch nicht verheimlichen.
Die in Deutschland erhobenen Daten bestätigen, dass mit Keimen belastetes Geflügelfleisch beim Menschen zu schweren Durchfallerkrankungen führt. Man schätzt die Fälle von Lebensmittelinfektionen in Deutschland pro Jahr auf etwa eine Million. (siehe auch Proplanta "
Vorsicht beim Verzehr von rohem Hackfleisch")
Während der Widerstand gegen das US-Chlorhuhn wächst, sprechen sich Wissenschaftler jetzt erstmals dafür aus, auch bei europäischen Hühnchen Chlor als zusätzliche Hygienemaßnahme gegen Keime einzusetzen. So meint der Leiter des Instituts für Fleischhygiene und -technologie an der Freien Universität Berlin Reinhard Fries: „Die Behandlung von Geflügelfleisch mit Chlorverbindungen ist von Vorteil, weil wir damit eine weitere Möglichkeit haben, Mikroorganismen auf Geflügel und auf anderen Schlachtkörpern unter Kontrolle zu bekommen.“
Auch Thomas Blaha von der Tierärztlichen Hochschule Hannover glaubt, dass man die hiesigen Hygienestandards in der Produktionskette auf den Prüfstand stellen müsse. Eine keimabtötende Hygienemaßnahme könne daher äußerst hilfreich sein.
Hinter dem Widerstand gegen den US-Import von Chlorhühnern vermuten Wirtschaftswissenschaftler und Politiker indes einzig und allein wirtschaftliche Interessen der deutschen Geflügellobby (ZDG). Man versuche in Scheindebatten gezielt Ängste zu schüren, da die deutsche Geflügelproduktion durch billige Importe möglicherweise in Gefahr sei.
Der Ökonom Rudolf Hickel von der Universität Bremen findet die Position des ZDG scheinheilig, ja sogar verlogen. Sie sei kein Eintreten für besseren Verbraucherschutz, sondern ein reines Ablenkmanöver.
Damit dürften die konträren Aussagen der Wissenschaftler und Rainer Wendt, Vizepräsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) und Vorsitzender des Bundesverbandes bäuerlicher Hähnchenerzeuger (BVH), der die hohen deutschen Erzeugungsstandards gegenüber den niedrigeren der importierten US-Ware anprangert, zu Gunsten der Forscher ausfallen.
FazitDie Desinfektion von Hühnern mit Chlorlösung ist nicht gesundheitsgefährdend und könnte eine effektive Möglichkeit darstellen, die hohe Zahl der Lebensmittelinfektionen zu reduzieren. (Hr)
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Facharzt für Allgemeinmedizin-Sportmedizin,
Dr. med. H. Rüdinger