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14.07.2014 | 11:00 | Medizin-Splitter 
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Warum das Chlorhühnchen in Deutschland unerwünscht ist

Karlsruhe/Hohenheim - Seit den Freihandelsgesprächen mit den USA geistert in Deutschland auch der Begriff Chlorhuhn vermehrt durch die Medienlandschaft. Was hat es damit auf sich?

Chlorhühnchen
Sind Chlorhühnchen wirklich gesundheitlich bedenklich? (c) Foodlovers - fotolia.com
In den USA werden die geschlachteten und gerupften Hühner zur Desinfektion in eine Chlorlauge getaucht. In Europa ist diese keimabtötende Prozedur bislang untersagt. Doch geht tatsächlich eine Gesundheitsgefahr von den US-Chlorhühnern aus, wie in hitzigen Diskussionen behauptet wird?

Nein, meint Lüppo Ellerbroek, Leiter der Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Damit schätzt er das Sicherheitsrisiko genauso ein wie ein Gutachten der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA).

Das deutsche Huhn sei keinesfalls gesünder als das US-Chlorhuhn – ganz im Gegenteil: „Wir müssen leider feststellen, dass wir ein massives Salmonellen- und Campylobacter-Problem auf deutschem Geflügel haben“, so Ellerbroek, und das ließe sich auch nicht verheimlichen.

Die in Deutschland erhobenen Daten bestätigen, dass mit Keimen belastetes Geflügelfleisch beim Menschen zu schweren Durchfallerkrankungen führt. Man schätzt die Fälle von Lebensmittelinfektionen in Deutschland pro Jahr auf etwa eine Million. (siehe auch Proplanta "Vorsicht beim Verzehr von rohem Hackfleisch")

Während der Widerstand gegen das US-Chlorhuhn wächst, sprechen sich Wissenschaftler jetzt erstmals dafür aus, auch bei europäischen Hühnchen Chlor als zusätzliche Hygienemaßnahme gegen Keime einzusetzen. So meint der Leiter des Instituts für Fleischhygiene und -technologie an der Freien Universität Berlin Reinhard Fries: „Die Behandlung von Geflügelfleisch mit Chlorverbindungen ist von Vorteil, weil wir damit eine weitere Möglichkeit haben, Mikroorganismen auf Geflügel und auf anderen Schlachtkörpern unter Kontrolle zu bekommen.“

Auch Thomas Blaha von der Tierärztlichen Hochschule Hannover glaubt, dass man die hiesigen Hygienestandards in der Produktionskette auf den Prüfstand stellen müsse. Eine keimabtötende Hygienemaßnahme könne daher äußerst hilfreich sein.

Hinter dem Widerstand gegen den US-Import von Chlorhühnern vermuten Wirtschaftswissenschaftler und Politiker indes einzig und allein wirtschaftliche Interessen der deutschen Geflügellobby (ZDG). Man versuche in Scheindebatten gezielt Ängste zu schüren, da die deutsche Geflügelproduktion durch billige Importe möglicherweise in Gefahr sei.

Der Ökonom Rudolf Hickel von der Universität Bremen findet die Position des ZDG  scheinheilig, ja sogar verlogen. Sie sei kein Eintreten für besseren Verbraucherschutz, sondern ein reines Ablenkmanöver.

Damit dürften die konträren Aussagen der Wissenschaftler und Rainer Wendt, Vizepräsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) und Vorsitzender des Bundesverbandes bäuerlicher Hähnchenerzeuger (BVH), der die hohen deutschen Erzeugungsstandards gegenüber den niedrigeren der importierten US-Ware anprangert, zu Gunsten der Forscher ausfallen.

Fazit
Die Desinfektion von Hühnern mit Chlorlösung ist nicht gesundheitsgefährdend und könnte eine effektive Möglichkeit darstellen, die hohe Zahl der Lebensmittelinfektionen zu reduzieren. (Hr)


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Facharzt für Allgemeinmedizin-Sportmedizin,
Dr. med. H. Rüdinger
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Kommentare 
maximilian schrieb am 25.03.2018 16:09 Uhrzustimmen(8) widersprechen(9)
Salmonellen und Campylobacter unterscheiden nicht zwischen ökologisch und konventionell gehaltenem Geflügel. Hühnchen vom Biobauern sind nicht zwangsläufig keimärmer.
Campylobacter und Salmonellen sind Darmbewohner; sie kommen von Natur aus nicht im Fleisch des Geflügels vor.
Die Keimbelastung auf der Fleischoberfläche des Geflügelschlachtkörpers ist eine Folge der Schlachthygiene.
Phönix schrieb am 02.12.2014 02:31 Uhrzustimmen(60) widersprechen(71)
In Dänemark, Estland, Finnland und Luxemburg waren alle untersuchten Proben, die kurz nach dem Schlachten aus dem Brust- und Halsbereich entnommen wurden, frei von Salmonellen. Die mit deutlichem Abstand größte Fallzahl registrierte die Behörde in Ungarn (85,7 Prozent). Auch innerhalb der meisten Länder gab es häufig große Unterschiede zwischen den geprüften Unternehmen
Charlie schrieb am 01.11.2014 10:27 Uhrzustimmen(90) widersprechen(69)
Es wäre nicht das erste mal, daß die Amis sich Wissenschaftler kaufen, die zu den von Ihnen vertretenen Regeln "Umsatz zur Not auch über Leichen" Ihren scheinheiligen Senf beisteuern. Leben hat bei diesen Managern erst die letzte Priorität egal ob tierisch oder menschlich.
rosi schrieb am 09.10.2014 05:49 Uhrzustimmen(122) widersprechen(82)
Die Frage ist warum ist das Importhühnchen so viel billiger als die Hühnchen hierzulande? Wollten wir nicht der Massentierhaltung den Rücken zu kehren? Es geht immerhin um Lebewesen wo ein angemessener Preis auch (fast) immer eine Garantie auf ein einigermaßen lebenswertes Leben darstellt. Es ist das gute Recht sich als einheimischer Geflügelbauer über dieses Freihandelsabkommen Sorgen zu machen.....
nietz schrieb am 14.07.2014 19:01 Uhrzustimmen(145) widersprechen(135)
Chlorhühnchen ist das geringste Problem! Kennzeichnung ist das größte Problem! Und vielleicht sollte man mal der Ursache nachgehen, warum die Deutschen Hühner so arg mit Keimen belastet sind. Was mich aber vor allem stört... die Befürworter essen selber nicht solches Fleisch sondern gehen ganz bestimmt zum Biobauern... ist ja ein Widerspruch
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