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12.08.2017 | 09:07 | Hobbygärtner 

Alte Pflanzen vor dem Aussterben bewahren

Wolfegg - Eine niedrige, im Sonnenlicht ergraute Holztüre führt in Klaus Langs Garten, der sich unterhalb von Wolfegg in Oberschwaben in eine Senke schmiegt.

Gemüsesorten
Ein Hobbygärtner baut in Wolfegg in Oberschwaben mehr als 500 Pflanzen an. Viele davon sind uralte regionale Sorten, die in der konventionellen Landwirtschaft nicht kultiviert werden. Ohne Menschen wie ihn wären sie vom Aussterben bedroht. (c) proplanta
An der Türe hängt ein grünes Schild. «Saatgut- und Erhaltungsgarten von Klaus Lang», steht darauf.

Daneben drückt sich ein Busch mit Beeren an den Gartenzaun. «Das sind schwarze Himbeeren», erklärt Lang. «Viele Menschen wissen das gar nicht, aber Himbeeren waren ursprünglich nicht rot.»

Mehr als 500 verschiedene Kräuter, Gemüse-, Heil- und Nutzpflanzen baut der 54-jährige Hobbygärtner hier an - darunter Sorten mit so kuriosen Namen wie Kohlrabi «Blauer Speck», den Mais «Pinkpop» und die Weizensorte «alter deutscher Dickkopf».

Seit rund 30 Jahren setzt sich der Ingenieur für die Rettung und den Erhalt alter regionaler Pflanzen ein, die mit der Industrialisierung der Landwirtschaft größtenteils von den Feldern verschwunden sind.

Die Alblinsen, die lange Zeit verschollen waren, sind sein bisher größter Fund. Wiedergefunden hat er sie im Wawilow-Institut in St. Petersburg. Eine Handvoll Saatgut habe er von dort geschickt bekommen, sagt Lang. «Von dieser Handvoll Saatgut leben heute viele Menschen.» Denn gemeinsam mit einem Landwirt aus dem Alb-Donau-Kreis vermehrte er das Saatgut. Mittlerweile werden die Alblinsen wieder von rund 80 Bauern auf der Schwäbischen Alb kultiviert.

In der Agrarindustrie gehe es darum, dass alle Früchte gleich wachsen und gleichzeitig reif werden, damit sie maschinell geerntet werden können, sagt Lang. «Viele alte Nutzpflanzen reifen aber nach und nach.»

Nach dem Saatgutverkehrsgesetz darf das Saatgut bestimmter Pflanzen zudem nur dann verkauft werden, wenn die Sorte zuvor in Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der EU zugelassen worden ist. Zuständig dafür ist in Deutschland das Bundessortenamt. «Um in den Sortenkatalog aufgenommen zu werden, muss eine Sorte über Generationen hinweg beständig, unterscheidbar und ausreichend homogen sein», sagt Pressesprecher Stefan Haffke.

Sind alte Sorten also zum Aussterben verdammt? «Eine Zulassung ist nur für den gewerblichen Vertrieb von Saatgut erforderlich», sagt Haffke. «Wenn ich das Saatgut alter oder nicht zugelassener Pflanzen privat über den Gartenzaun mit dem Nachbarn oder in einem Verein tausche, dann ist das nicht strafbar.»

Außerdem gibt es seit 2009 ein vereinfachtes Zulassungsverfahren für sogenannte Erhaltungs- oder Amateursorten, die nur einen geringen Wert für den Anbau zu gewerblichen Zwecken haben. «Dort beträgt die Antragsgebühr und die jährlich zu zahlende Überwachungsgebühr nur 30 Euro», sagt Haffke. 21 Tomatensorten haben über dieses Verfahren eine Zulassung erhalten, sieben davon in diesem Jahr.

Trotzdem darf das Saatgut vieler Pflanzen, die hierzulande Jahrhunderte lang kultiviert wurden, bis heute nicht verkauft werden. Genau um diese Pflanzen kümmert sich Klaus Lang. «Sonst sterben sie aus», sagt er. Um die Biodiversität zu erhalten, sät er sein Saatgut nicht nur selbst aus, sondern tauscht es mit anderen Hobbygärtnern.

Viele von ihnen sind über den österreichischen Verein Arche Noah miteinander vernetzt. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, regionale und selten gewordene Kulturpflanzen zu bewahren und führt ein eigenes Samenarchiv.

Neben der Freude am Gärtnern und Sammeln kümmert sich Lang vor allem aus einem Grund um den Erhalt von altem Saatgut: «Wenn das keiner mehr macht, sind wir zu hundert Prozent abhängig von einer Handvoll Firmen», sagt er. Derzeit schickten sich einige Großkonzerne an, den weltweiten Saatgutmarkt untereinander aufzuteilen.

Auch Christoph Then vom Verein Test Biotech, der sich mit der Folgenabschätzung in der Biotechnologie beschäftigt, sieht diese Entwicklung kritisch. «In den vergangenen Jahrzehnten hat die Zahl der traditionellen Züchter weltweit stark abgenommen», sagt Then. Viele wurden von globalen Unternehmen aufgekauft, die ursprünglich aus der Agrochemie kommen, also Spritz- und Düngemittel herstellen.

Die drei größten Saatgutzüchter hielten mittlerweile zusammen mehr als 50 Prozent des Marktanteils, sagt Then, der sich seit etwa 20 Jahren mit Gen-und Biotechnologie beschäftigt. «In Europa gibt es noch recht viele mittelständische Saatgutzüchter.» Allerdings hätten diese es schwer - Züchten sei teuer und kleine Betriebe könnten sich gegen die finanzstarken Konzerne kaum durchsetzen.
dpa/lsw
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