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14.06.2022 | 16:55 | Produktionsausweitung 

Angespannte Agrarmärkte: Bauern für mehr Getreideanbau

Lübeck - Der Bauernverband macht wegen knapperer weltweiter Getreidemengen infolge des Ukraine-Krieges Druck für eine Produktionsausweitung auch in Deutschland. 

Getreideanbau
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat auch weitreichende Folgen für die Lebensmittelmärkte: Preise für Verbraucher steigen, diverse Kosten für die Höfe auch. Wie reagieren Politik und Branche darauf? (c) proplanta
Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte am Dienstag auf dem Bauerntag in Lübeck, Russland setze Lebensmittel als Waffe ein. «Dieses Schwert muss stumpfer werden, und wir können es stumpfer machen.» Er forderte von der Ampel-Koalition Klarheit über eine gesicherte Finanzierung für den geplanten Umbau der Tierhaltung hin zu höheren Standards. Angesichts der angespannten Märkte und stark gestiegener Energiekosten erwarten Branche und Politik vorerst weiter hohe Lebensmittelpreise in den Supermärkten.

Ernährungssicherung

Rukwied warb für eine vorübergehende Nutzung zusätzlicher Flächen, womit 1,4 Millionen Tonnen Weizen mehr erzeugt werden könnten - bei einer deutschen Erntemenge von insgesamt mehr als 40 Millionen Tonnen Getreide. Jede zusätzliche Tonne schwäche den Aggressor Russland, argumentierte der Bauernpräsident. Er erwarte von der Politik, dass sie das Instrument nutze. Rukwied machte zugleich ein «glasklares Nein» zu einer generellen Kehrtwende der Agrarpolitik deutlich. Am Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz müsse weiter gearbeitet werden. Es gelte aber, Regelungen nachzujustieren.

Bundesagrarminister Cem Özdemir hat unter anderem schon ermöglicht, dass ausnahmsweise Gras und Pflanzen von «ökologischen Vorrangflächen» als Futter genutzt werden dürfen. Er wendet sich aber gegen weitergehende Rufe auch aus den Ländern, auf Brachflächen etwa wieder Getreide anzubauen. Angesichts ausfallender Exporte aus der Ukraine wegen des Krieges wird in einigen Staaten, etwa in Afrika und Asien, mit einer knappen Versorgung gerechnet. Geringere Mengen haben zudem Preise auf den internationalen Märkten in die Höhe getrieben.

Preise

Für Verbraucher dürften die bisherigen Preissprünge kaum die letzten bleiben, wie auch Özdemir deutlich machte. «Wir müssen im Herbst und Winter mit Steigerungen rechnen, weil sich der Handel jetzt mit teurer Energie versorgen muss und die Preissteigerungen an die Kunden weitergereicht werden», sagte er der «Rheinischen Post». In den Betrieben schnellen gerade Kosten in Serie hoch, wie Rukwied erläuterte: von Energie über Futter bis zu Dünger. Wichtiger Stickstoffdünger werde mit Gas hergestellt. Die Branche fordert deshalb, dass sie Priorität bei der Gasversorgung bekommt.

Bei der allgemeinen Inflation gehört Nahrung - nach Energie - zu den Preistreibern. So verteuerten sich Lebensmittel im Mai um 11,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Damit verstärkte sich der Preisauftrieb nach 8,6 Prozent im April noch einmal kräftig. Für Energie waren im Mai sogar 38,3 Prozent mehr zu zahlen. Insgesamt lagen die Verbraucherpreise um 7,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

Tierhaltung

Alarmsignale sandte der Bauerntag zur Tierhaltung. Sie sei ein Rückgrat der Landwirtschaft, das nicht gebrochen werden dürfe, sondern stabilisiert werden müsse, mahnte Rukwied. Vor allem für Schweinehalter bestehe akute Gefahr - und es finde schon eine Produktionsverlagerung ins EU-Ausland wie nach Spanien statt. «Dieser Prozess muss gestoppt werden.»

Die Koalition müsse jetzt eine verlässliche Finanzierung der Milliarden-Mehrkosten für mehr Tierwohl in den Ställen auf den Weg bringen. Im Moment scheitere dies an der mitregierenden FDP. Die Politik sei jetzt in der Pflicht.

Özdemir hat nach jahrelangen Diskussionen einen neuen Anlauf für eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch gestartet. Dazu soll auch die Finanzierung kommen. «Wir dürfen die Landwirtinnen und Landwirte beim Umbau der Tierhaltung nicht im Stich lassen», sagte der Grünen-Politiker der «Augsburger Allgemeinen».

«Sie können die Kosten für eine artgerechtere Tierhaltung und mehr Klimaschutz sicher nicht von heute auf morgen nur am Markt erlösen, wie manche meinen.» Im Gespräch sind nach Empfehlungen einer Expertenkommission ein höherer Mehrwertsteuersatz oder eine Abgabe auf tierische Produkte.

Weitere Felder

Rukwied forderte weitere Schritte für die geplante Kennzeichnung, mit fünf Haltungsformen vom gesetzlichen Standard bis Bio, die mit Schweinefleisch im Handel starten soll. Sie müsse auch für Rindfleisch und etwa in der Systemgastronomie kommen - also großen Imbissketten. Rukwied beklagte Dumping-Angebote wie ein Kilogramm italienischen Spargel für drei Euro und appellierte an Kunden wie Handel, auf heimische saisonale Ware zu setzen.

Die FDP forderte mehr Handlungsspielraum für die Bauern. «Landwirte sind Unternehmer, die zur Ernährungssicherheit und zur Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele gleichermaßen beitragen können», sagte Agrarexperte Gero Hocker. Dazu bräuchten sie Raum für unabhängige Entscheidungen und richtige Werkzeuge. Unter anderem eine ideologische Ablehnung moderner Pflanzenschutzmittel habe die Branche zurückgeworfen. «Dieser Zustand ist auch vor dem Hintergrund einer drohenden Hungerkrise in der Welt moralisch nicht mehr haltbar.»
dpa
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