Die Bilanz der Versuchskellerei der
Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW zeigt, dass die Temperatur bei der Weinbereitung und die allgemein sehr hohen Alkoholgehalte die größten Schwierigkeiten bereitet haben. Doch es hat sich gelohnt: Am Ende der Vergärung präsentieren die Weine einen ausgeprägten Sortencharakter und sind im Allgemeinen reich strukturiert.
Ein besonderes KlimajahrDie außerordentlichen Klimabedingungen des Jahres 2009 führten zu einer ausgezeichneten Traubenreife. Beobachtungen in Changins zeigten ein Niederschlagsdefizit von 180 mm/Jahr, konzentriert auf die Monate April bis Oktober, und Durchschnittstemperaturen, die 1.4°C über dem Schnitt der letzten 30 Jahre (1961-1990) lagen. Untersuchungen der Traubenmoste aus den verschiedenen Rebbergen von ACW zeigten, dass der Zuckergehalt des Chasselas im Kanton Waadt deutlich über dem Schnitt der letzten zehn Jahre lag (+ 6°Oe).
Bei roten Rebsorten konnte mit Mostgewichten, die 100°Oe häufig überschritten, die gleiche Tendenz festgestellt werden. Wegen der ungünstigen Wetterbedingungen kurz vor der Weinlese (61 mm Niederschläge eine Woche vor Lesebeginn) gestaltete sich die Reifung der Merlot-Trauben im Tessin schwieriger. Der Zuckergehalt liegt im Vergleich zum Schnitt der letzten zehn Jahre um 7°Oe tiefer. Die Klimabedingungen, welche die Zuckerproduktion anregen, fördern allerdings auch den Abbau der Säure in den Trauben. Die untersuchten Säurewerte lagen unter dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre – und zwar bei allen Rebsorten und in allen Regionen der Westschweiz und des Tessins. Beim Waadtländer Chasselas beispielsweise lag der Apfelsäuregehalt um 1.2g/l tiefer und beim Walliser Cornalin um 2.0 g/l. Dennoch erreichten diese tiefen Werte nicht jene des Hitzejahrs 2003.
Warmes TraubengutDie erste Herausforderung für die Weinkelterer bestand darin, beim Vorklären der Moste der weißen Rebsorten eine ausreichend tiefe Temperatur einzustellen. Die Durchschnittstemperaturen der Moste lagen im Bereich von 21°C, d.h. 5°C über jenen des Jahrs 2008. Dies ist heikel, da das Vorklären normalerweise bei 14°C erfolgt. Um eine solche Temperatur zu erreichen, bedurfte es Geräte zur Regulierung wie Wärmeaustauscher, die viel Energie verbrauchen.
Alkoholische GärungDie alkoholische Gärung, ein wärmeerzeugender biochemischer Prozess, bei dem Zucker in Alkohol umgewandelt wird, erforderte den Einsatz einer Temperaturregulierung, um die Bouquets der Weißweine zu erhalten (Optimum 20°C). Die besonders zuckerreichen Moste 2009 stellten eine Herausforderung für die Hefen dar, deren Stoffwechsel gegen Ende der Gärung durch hohe Alkoholgehalte blockiert werden konnte. Die alkoholische Gärung der Versuchskellerei von ACW dauerte bei den Weißweinen im Schnitt 19 Tage, bei den Rotweinen 14 Tage. Im Vergleich zu den beiden letzten Jahre sind dies 4 Tage mehr. Es wurden auch Gärstockungen festgestellt. In diesen Fällen waren eine Belüftung und/oder ein Animpfen mit fructophilen Hefen oder solchen mit starkem Alkoholbildungsvermögen notwendig, um Restzucker im Wein zu verhindern. Zur Umwandlung des gesamten Zuckers nahmen einige alkoholische Gärungen mehr als einen Monat in Anspruch.
Biologischer SäureabbauDer hohe Alkoholgehalt nach der alkoholischen Gärung, der bei Pinot gris von Changins bis 16 % und bei einigen Rotweinen wie Galotta von der La Côte bis 15 % betragen kann, hat den spontanen Start und einen raschen Ablauf des biologischen Säureabbaus verhindert. Das Animpfen mit gezüchteten Milchsäurebakterien half meistens, dieses Problem zu bewältigen. Den betroffenen Weinen kann es dennoch an Frische fehlen oder sie können Milch- oder Butternoten aufweisen. Deshalb eignete sich der Jahrgang 2009 besonders gut zur Ausarbeitung von Weißweinen ohne biologischen Säureabbau, was somit Frische, Ausgewogenheit und optimale Aromatypizität der Weißweine garantiert.
Erste Degustationen
Die Weißweine 2009 drücken ihren Sortencharakter gut aus. Ungeachtet ihres hohen Alkoholgehalts weisen sie runde und gehaltvolle Strukturen auf. Erste Degustationen der Rotweine lassen charakteristische reiche Bouquets erkennen, unterstützt durch interessante Aromen von Trockenfrüchten. Aufgrund der langen Gärungszeit und der hohen Alkoholgehalte präsentieren gewisse Rotweine Aromen von warmem Trester, welche das typische Aromaprofil der Rebsorte leicht überdecken können. Die Rotweine des Jahrgangs 2009 haben von einem außergewöhnlichen Ausgangsmaterial profitiert, das ausgewogener war als im Hitzejahr 2003. Sie sind erfolgversprechend und weisen ein gutes Lagerprofil auf. (acw)