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20.04.2009 | 07:03 | Energiepflanzen 

Chinaschilf längst auch in Rheinland-Pfalz

Bad Kreuznach - Nicht nur an der A 61 bei Bonn sondern auch an der A 48 bei Kenn oder an der Rhein-Mosel-Straße bei Karbach stehen Chinaschilfbestände.

Chinaschilf
(c) proplanta
Seit 1989 läuft hier ein Versuchsprogramm der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Wurde zu dieser Zeit die EU-Agrarpolitik von dem Bemühen geprägt, über Flächenstilllegungsprogramme die Überschüsse an den Nahrungsmittelmärkten abzubauen, versuchte die Landwirtschaftskammer schon damals, über den Anbau von Rohstoff- und Energiepflanzen einen Beitrag zur Entlastung der Agrarmärkte zu leisten und die volkswirtschaftliche und ökologische Leistung der Landwirtschaft durch ein weiteres Betätigungsfeld zu verbessern. Züchtungserfolge, Sortenauswahl und optimierte Anbautechniken haben den Miscanthusanbau bis heute zu einer interessanten Alternative für Betriebe mit geeigneten Standorten gemacht und die Aussichten für eine Miscanthus-Renaissance verbessert.

Nachdem Ende der 1980er Jahre der Anbau von Miscanthus aufgrund der vielfältigen stofflichen und energetischen Nutzbarkeit versprach, einen Boom zu erleben, machte sich aufgrund schlechter Erfahrungen in der Anbaupraxis zunächst rasch Ernüchterung breit. In zahlreichen Versuchen gelang es aber in den Folgejahren, die bestgeeigneten Sorten und Anbau­techniken zu ermitteln und damit u.a. die Winterhärte auf nahezu 100 Prozent zu optimieren. Auf der Suche nach geeigneten Pflanzen folgte die Landwirtschaftskammer dem Hinweis eines Landwirts aus dem Rhein-Lahn-Kreis und wurde beim Institut für Landschaftspflanzen in Hornum (Dänemark) fündig. Das dort für die Rohstoffnutzung kultivierte Miscan­thus sinen­sis Gigantheus zeichnete sich durch hohe Biomasseleistung bei niedrigem Faktoreinsatz für Düngung und Pflanzenschutz und eine vielseitige stoffliche und energetische Nutzung aus. Desweiteren kann die Kultur mit in der Landwirtschaft vorhandenen Technik begründet und geerntet werden. Zudem bietet sie über Winter Schutz für Niederwild und belebt das Landschaftsbild.

Zur Prüfung der Anbauwürdigkeit dieser ursprünglich aus dem ostasiatischen Raum stammenden C 4 Pflanze mit hohem photosyntetischen Wirkungskrad wurden zunächst an den Standorten Horbach, Wiesel, Bingen und Rinkenbergerhof bei Speyer erste Versuche angelegt. Das von der LWK initiierte Versuchsprogramm wurde vom Land Rheinland-Pfalz gefördert und von Prof. Dr. Hubert Braun von der FH Bingen wissenschaftlich begleitet. Mit eingebunden war vor allem unter dem Aspekt Beregnung und Nährstoffversorgung die Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt Speyer. In den Jahren 1990 und 1991 wurde das Versuchsprogramm um die Standorte Allenfeld und Kenn und die Frage der Nährstoffversorgung der Kultur mit Gülle und Klärschlamm erweitert. Die Versuche haben gezeigt, dass bei entsprechenden klimatischen Bedingungen, etwa Maisstandorten, Miscanthusbeständen mit hohem Ertragspotential etabliert werden können. Maximalerträge von 25 Tonnen Trockemmasse pro Hektar (TM/ha) erfordern trotz eines günstigen Transpirati­onskoeffizienten ein Wasserangebot, das auf vielen Standorten auf natürlichem Wege nicht vorhanden ist und somit die Erträge meist auf 12 - 15 Tonnen TM/ha begrenzt. Festgestellt wurde auch, dass die Erträge langfristig weitgehend ohne Stickstoffdünger erzielt werden konnten, was die hohe ökologische Wertigkeit der nunmehr seit 20 Jahren etablierten Miscanthusbestände, die zudem derzeit noch ohne Pflanzenschutz auskommen, unterstreicht.

Neben der Prüfung der agronomischen Ansprüche und Eigenschaften stand für die Initiatoren des Versuchs auch stets die stoffliche und energetische Nutzung des Ernteguts im Fokus. Um hier die Möglichkeiten und Chancen auszuloten, hat die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz unter Federführung von Manfred Schnorbach an der damaligen Lehr- und Versuchsanstalt Emmelshausen schon im Jahre 1989 den Kontakt zu potentiellen Verwer­tern, wie etwa dem Energiekonzern VEBO Oel, der Daimler Benz AG, der Holzwerkstoffindustrie, Bauelementehersteller, Pflanzerdenproduzenten und Papierfabriken aber auch wis­senschaftlichen Instituten, wie dem Institut für Holzchemie der TU München oder der Technischen Universität Dresden, der Universität Bonn, dem Kernforschungszentrum Jülich, der Industrie- und Handelskammer zu Koblenz, aber auch bisherigen Marktpartnern der Landwirtschaft gesucht. Aus diesen Kontakten resultierten eine versuchsweise Herstellung von verrottbaren Pflanzentöpfen, eine mitteldichte Faserplatte zur Möbelherstellung, Formteile für die Automobilindustrie oder auch das Projekt Fensterrahmen aus DSD- Material und Miscanthus für das zusätzlich etwa 40 ha Miscanthus um den Standort der Fensterfabrik Meeth in Laufeld angepflanzt wurden.

Heute wird aus den etwa 70 ha Miscanthusbestände in der Gemarkung Kenn Saatgut zum Aufbau weiterer Bestände im Inland und dem europäischen Ausland gewonnen und mit dem Erntegut vornehmlich private Miscanthusheizungen, aber auch die Heizung im Kloster Himmerod teilweise befeuert. Der Brennwert von 2,5 Kilogramm Miscanthus entspricht in etwa dem von 1 kg Heizöl. So können durch die Energieerzeugung von einem Hektar Miscanthus bei einem Ertrag von 15 t TM etwa 6.000 Kilogramm Heizöl eingespart werden und das bei positiver CO2-Bilanz. Neben Dämmstoffen und Pressplatten für den Hausbau können auch Mulcherden oder Pferdeeinstreu hergestellt und vermarktet werden. Die stoffliche Verwertung ist derzeit in Rheinland-Pfalz aber eher in den Hintergrund getreten.

Nicht vergessen werden sollte auch das durch den Besuch des damaligen Umweltministers Prof. Dr. Klaus Töpfer im April 1991 und zahlreiche parlamentarischer Anfragen von Landtagsabgeordneten dokumentierte politische Interesse an dem Projekt. Der Besuch des Fernsehjournalisten Dr. Franz Alt, der für sein Buch "Schilfgras statt Atom" auch bei der LVA Emmelshausen recherchierte, sorgte für öffentliche Aufmerksamkeit. All dies macht deutlich, dass für bestimmte Entwicklungen und Konzepte die Zeit zur Realisierung reif sein muss und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen sollten. Angesichts der derzeit niedrigen Preise für Getreide und hohen Preisen für die Produktionsmittel könnte eine Pflanze mit vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten sowie hohen und nachhaltigen Erträgen bei niedrigen Produktionskosten durchaus wieder eine Chance haben. In Rheinland-Pfalz ist auch infolge einer weitsichtigen Entscheidung der Landwirtschaftskammer das "Know how" vorhanden. Es sollte es im Interesse von Ökonomie und Ökologie genutzt werden. Vielfältige und detaillierte Informationen zu Anbau, Vermarktung und Verwertung von Miscanthus finden sich u.a. unter www.miscanthus.de und www.miscanthusverein.de (hier auch weitere Links). (lwk rlp)
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