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27.08.2011 | 06:20 | Schadinsekten 

Der Appetit der Allesfresser

Monheim/Rhein - Sie knabbern an Wurzeln und Stängeln, saugen an Blattadern und übertragen Pflanzenkrankheiten: Insekten setzen unterschiedliche Werkzeuge ein, um an die Nährstoffe in den Gemüse, Obst oder Getreide zu kommen.

Blattläuse
(c) proplanta
Meist droht die Invasion nach einem milden Winter: Dann fallen die Schädlinge über das her, was auf Äckern und Plantagen wächst. Zudem sorgt der Klimawandel dafür, dass Käfer, Milben und Läuse ihren Lebensraum ausdehnen und die Landwirte rund um den Globus vor neue Herausforderungen stellen.


Winzlinge im Visier

Wenn sie in riesigen Schwärmen über Felder herfallen, sind in kurzer Zeit ganze Landstriche kahl gefressen: Heuschrecken zählen schon in der Bibel zu den schlimmsten Plagen. Wenn sich die Insekten zu einem mehrere Millionen starken Schwarm zusammenschließen, entfalten sie eine immense Zerstörungskraft: Jede einzelne Heuschrecke kann täglich etwa zwei Gramm Pflanzenmaterial verschlingen. Das entspricht ihrem eigenen Körpergewicht. Auf diese Weise fallen den Schwärmen ganze Ernten zum Opfer. Zum Vergleich: 500.000 Insekten verbrauchen etwa die gleiche Menge Nahrung wie 2.500 Menschen am Tag benötigen, so die Welternährungsorganisation.

Aber nicht nur Heuschrecken haben es auf unsere Nutzpflanzen abgesehen. Mais, Raps oder Baumwolle stehen für eine Vielzahl von Schädlingen auf dem Speisezettel. Die Namen deuten oft schon auf die Kulturpflanzen hin, über die sie am liebsten herfallen - wie beispielsweise der Maiswurzelbohrer: Er gräbt sich in die Wurzeln junger Maispflanzen. Dort entzieht der Käfer dem Keimling Nährstoffe und Wasser. Die Folge: Die Wurzeln werden so stark beschädigt, dass die Pflanze kaum noch Halt im Boden findet und leicht umknickt. „Die Pflanzen produzieren weniger Maiskörner und die umgeknickten Sprosse erschweren zudem die Ernte", sagt Dr. Wolfram Andersch, Insektizid-Forscher bei Bayer CropScience.

In den USA hat sich der Westliche Maiswurzelbohrer zum Hauptschädling an Kulturmais entwickelt. In den Vereinigten Staaten verursacht er jedes Jahr Ernteeinbußen und Bekämpfungskosten von etwa einer Milliarde US-Dollar. Ein weiterer gefährlicher Maisschädling ist der Maiszünsler. Er überwintert als Raupe in den Stängeln und frisst sich dann hindurch: Die Pflanzen verlieren ebenfalls ihre Stabilität. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation werden durch Zünslerraupen weltweit jährlich vier Prozent der Maisernte vernichtet. Das entspricht dem Nahrungsbedarf von etwa 60 Millionen Menschen, also etwa der Einwohnerzahl Großbritanniens.

Für europäische Rapspflanzen ist der wenige Millimeter große, schwarze Rapsglanzkäfer gefährlich. Durch sein massenhaftes Auftreten kann er immense Ernteausfälle von bis zu 70 Prozent verursachen, teilweise sogar Totalausfälle. Die Käfer fressen die noch geschlossenen Blütenknospen, so dass sich die Rapsschoten nicht vollständig entwickeln können. Stark geschädigte Knospen vertrocknen und fallen ab. „Der wirtschaftliche Schaden, den der Rapsglanzkäfer in Deutschland jedes Jahr anrichtet, summiert sich auf 25 bis 30 Millionen Euro", sagt Dr. Ralf Nauen von der Produktbegleitenden Forschung bei Bayer CropScience. Auch der Rapserdfloh, ein blauschwarz glänzender Käfer, gehört in Mitteleuropa zu den wichtigsten Rapsschädlingen. Seine Larven bohren sich in die Blätter und öffnen so Pilzsporen die Tore.

Auch beim Baumwollanbau sind gefräßige Insekten das Hauptproblem: Manche Schädlinge dringen in die Baumwollkapseln ein, sodass diese vorzeitig abfallen, andere schädigen die Fasern oder zerstören Blätter und Triebe. Ein großer Feind für die Kulturpflanze ist die Baumwolleule. Der große Appetit ihrer Raupen macht sie zu einem der bedeutendsten Pflanzenschädlinge überhaupt: Allein in den USA vernichten sie jedes Jahr Nutzpflanzen im Wert von etwa einer Viertelmilliarde Dollar. Bevor sich die grünen Raupen in cremefarbene Motten verwandeln, fressen sie aber nicht nur Baumwollpflanzen, sondern auch Obst-, Gemüse- und Sojapflanzen. Ein weiterer Schädling, der Baumwollkapselwurm, ist ebenfalls nicht wählerisch: Ihm schmecken auch Tomaten oder Mais. Durch seine Fraßgänge in der geschlossenen Baumwollkapsel sind seine Raupen für große Schäden verantwortlich.


Krank durch Insekten

Raupen, Käfer und Läuse schädigen Nutzpflanzen nicht nur, indem sie ihnen Nährstoffe oder Wasser abspenstig machen. Die angeknabberten Blätter und Stängel sind leichte Eintrittspforten für Pilzsporen oder Bakterien. Oft übertragen die Insekten bei ihrer Mahlzeit auch gefährliche Krankheiten auf die Nutzpflanzen. Bei manchen Kulturen haben die durch Schädlinge übertragenen Viren sogar schwerwiegendere Folgen als der Ernteverlust durch die Insekten selbst. Laut CropLife International, dem globalen Interessenverband der Pflanzenschutzindustrie, gehen insgesamt durch Insekten, Pflanzenkrankheiten und Unkräuter jährlich 42 Prozent der globalen Pflanzenproduktion verloren. Durch die Bissstellen von Maiswurzelbohrern oder Blutläusen können Pilzsporen eindringen: Sie produzieren zum Teil giftige Substanzen, die so genannten Mykotoxine, die wiederum Nahrungs- und Futtermittel kontaminieren können.


Im Duell mit Milben, Motten und Käfern

Um gefräßigen Schädlingen Herr zu werden, wurden Insektizide entwickelt, die verschiedene Schwachstellen ausnutzen. Mit speziellen Wirkmechanismen können sie die Plagegeister ganz gezielt ausschalten. Die meisten Insektizide greifen in das Nervensystem ein: Sie hemmen oder blockieren dort wichtige Enzyme und wirken gegen die ausgewachsenen Schädlinge oder ihre Entwicklungsformen (Eier und Larven).

Andere Substanzen wirken indirekt, indem die Pflanzen den Wirkstoff zuerst aufnehmen. Die Schädlinge werden erst außer Gefecht gesetzt, wenn sie an den Pflanzen saugen oder fressen. Läusen lässt sich so effektiv der Appetit verderben, beispielsweise mit dem Insektizid Calypso®: Es verteilt sich über das Gefäßsystem der Pflanze und erreicht auch Läuse, die auf der Blattunterseite sitzen. Zapfen die Schädlinge den Zuckersaft an, kommen sie in Kontakt mit dem Insektizid.


Im Wettlauf mit der Evolution

Pflanzenschutzforscher befinden sich jedoch immer im Wettkampf. Denn in einigen Regionen haben sich Insekten inzwischen an gängige Insektizide angepasst. „Durch bestimmte Enzymsysteme können resistente Schädlinge die Wirkstoffe schneller abbauen. Dieser Selektionsvorteil hilft ihnen, sich stark zu vermehren. Auch folgende Generationen reagieren nicht mehr auf die Substanz", erklärt Dr. Ralf Nauen. Weil Insekten sehr mobil sind, können sich Resistenzen rasch ausbreiten. Hier hilft nur ein intelligentes Resistenzmanagement: „Als forschendes Pflanzenschutzunternehmen können wir den Landwirten Instrumente in die Hand geben, mit denen sie die Wirksamkeit der Substanzen möglichst lange erhalten", erklärt Nauen. Für die Forscher ist es wichtig, verschiedene Schwachstellen im Schädling anzusprechen, also Insektizide zu verwenden, die auf unterschiedlichen Wirkmechanismen beruhen. Die Pflanzenschutzexperten forschen nach neuen Substanzen und versuchen neue „wunde Punkte" bei Schädlingen zu finden. Doch das erfordert Zeit und Geld. Rund zehn Jahre dauert die Entwicklung eines neuen Pflanzenschutzmittelwirkstoffes, etwa 200 Millionen Euro müssen dafür investiert werden.

Auch der Landwirt selbst kann etwas tun: Wechselnde Fruchtfolgen sind ein wichtiges Werkzeug, um Resistenzen zu verhindern.


Begehrte Speisekammern

Hamster, Eichhörnchen und Murmeltiere sind für ihre ausgeklügelte Vorratshaltung bekannt. Auch Menschen müssen seit jeher Vorräte anlegen. Deshalb lagert ein großer Teil der Getreideernte in großen Speichern und Silos, um in Krisenzeiten Nahrungsmittel zu haben. In Deutschland werden an mehr als 100 Lagerstandorten Getreide, Reis, Hülsenfrüchte und Kondensmilch vorgehalten.

Solche Nahrungsmittelspeicher sind ein Schlaraffenland für Insekten, Mäuse oder Pilze. Bis zu einem Fünftel der weltweiten Getreideernte werden jährlich durch Vorratsschädlinge vernichtet. Davon gehen allein 80 Prozent auf das Konto von Insekten, schätzt die Welternährungsorganisation.

Kornkäfer können sich explosionsartig vermehren: In einem Jahr kann durch Vermehrung eines Käferpärchens eine Kolonie von etwa 90 Millionen Nachkommen entstehen. Im selben Zeitraum vernichten diese Schädlinge 50 Tonnen Weizen - das entspricht 75.000 Brotlaiben.

Aber auch Nagetiere, die mit Krankheitserregern infiziert sind, verseuchen die Lebensmittel, an denen sie fressen und machen sie ungenießbar. Und Schimmelpilze können nicht nur durch ihre Anwesenheit gefährlich sein, sondern sie produzieren auch giftige Substanzen, die Mykotoxine, die sich in den Nahrungsmitteln anreichern können.


Globale Einflüsse - lokale Folgen

Eine große Herausforderung für die weltweite Schädlingsbekämpfung ist der Klimawandel: In vielen Regionen steigen die Temperaturen - und mit der Wärme kommen mehr Schadinsekten. Denn für Larven, Raupen und Läuse bedeutet das bessere Entwicklungsbedingungen: Sie produzieren mehr Nachkommen und verursachen so höhere Schäden. Zudem müssen die Landwirte ihre Ernten vor bislang unbekannten Insekten schützen. Das wärmere Klima lässt gefräßige Fremdlinge in Richtung Norden wandern, berichtet Prof. Dr. Stefan Vidal von der Universität Göttingen: Schädlinge wie der Baumwollkapselwurm finden sich immer häufiger in Süddeutschland und auch der Maiswurzelbohrer breitet sich weiter aus.

In den USA haben Simulationsmodelle gezeigt, dass der Maiswurzelbohrer durch die Klimaveränderungen Richtung Norden wandert: In den kommenden Jahrzehnten werden die Entwicklungsbedingungen für den Schädling in weiten Teilen Kanadas günstiger. Auch in Europa breitet sich der Maisschädling aus: Von Serbien, wo er in den 1990er Jahren aus den USA eingeschleppt wurde, schwärmt er in den europäischen Westen und Norden aus.

Auch Blattläuse bilden bei höheren Temperaturen mehr Nachkommen und erweitern ihren Lebensraum: Die Russische Weizenlaus aus Südosteuropa drängt beispielsweise stärker nach Zentraleuropa. Sie ist ein gefährlicher Getreideschädling und gilt als Überträger von Viren und Pilzkrankheiten.

Durch die zunehmende Mobilität der Menschen und die Vernetzung der Handelsströme werden Insekten von Kontinent zu Kontinent verfrachtet. Sind die klimatischen Bedingungen günstig und fehlen natürliche Fressfeinde, können sich anpassungsfähige Exoten hervorragend ausbreiten und sogar heimische Arten verdrängen. Oft sind die Invasoren nur mit großem Aufwand zu bekämpfen, sobald sie sich einmal festgesetzt haben. Die EU-Kommission schätzt die Schäden und Kosten für Bekämpfungsmaßnahmen allein in Europa jedes Jahr auf zwölf Milliarden Euro.


Überfall auf Obstplantagen

Der Alptraum jedes Apfelbauern ist die Blutlaus. Die schwarzvioletten Insekten saugen den Pflanzensaft aus den Bäumen. Überschüssige Kohlenhydrate scheiden sie als Honigtau wieder aus. Die Folge: Die Blätter welken, werden fleckig oder vertrocknen, manchmal stirbt die gesamte Pflanze. Die Ausscheidungen der Läuse legen sich als flauschig-weiße Wachsschicht über junge Triebe. Dadurch verkümmern Sprosse und Früchte und an der Rinde entsteht der so genannte Blutlauskrebs. Die Wachsschicht schützt die Schädlinge vor Feinden.

Mit herkömmlichen Kontakt-Insektiziden ist ihnen kaum beizukommen. Mit Movento® lassen sich Kulturpflanzen auch von innen heraus schützen: Der Wirkstoff gelangt dorthin, wo sich Läuse, Weiße Fliegen und Blattflöhe erfolgreich vor Feinden und Pflanzenschutzmitteln verstecken: zu den Wurzeln oder auch zu den innersten Blättern von Salat- oder Kohlköpfen. Ein großer Vorteil: Feldversuche in zahlreichen Ländern belegen, dass Nützlinge durch Movento® nicht geschädigt werden. Weil Schlupfwespen, Marienkäfer und Co. den Wirkstoff nicht direkt aufnehmen, kann er ihnen nichts anhaben. Oft erleichtert die Insektizid-Behandlung den Nützlingen die Arbeit, weil sie die Abwehr der Schädlinge schwächt und zur leichten Beute macht. (bayer)
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