„Die aktuelle Zuwendungspraxis der gekoppelten Zahlungen für den
Zuckerrübenanbau verzerrt den Wettbewerb“, stellte der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ), Dr. Hans-Jörg Gebhard, am Dienstag (22.3.) in Berlin klar.
Gemäß der Bestimmung sollten Prämien nur in Ausnahmefällen gewährt werden. In vielen Mitgliedstaaten seien sie aber längst die Regel. „Das verstößt gegen europäisches Beihilferecht“, so Gebhard. Er wies darauf hin, dass die entstandenen Wettbewerbsverzerrungen von Wissenschaft und Politik schon lange anerkannt seien. Trotzdem habe sich nichts daran geändert. Daher habe die WVZ nun eine Beihilfebeschwerde eingereicht.
„Wir verlangen, dass EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und ihr Amtskollege Janusz Wojciechowski endlich einen fairen Wettbewerb auf EU-Ebene schaffen“, erklärte der Verbandsvorsitzende. Die bisherige Zuwendungspraxis müsse korrigiert werden. Außerdem dürfe sich diese wettbewerbsverzerrende Praxis in den nationalen Strategieplänen für die
Gemeinsame Agrarpolitik (
GAP) ab 2023 nicht fortsetzen.
Zuckermarktreform wird unterlaufenNach Angaben der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker können EU-Mitgliedstaaten seit 2015 gekoppelte Zahlungen auch für den Zuckerrübenanbau bewilligen. Seitdem hätten elf der 19 Mitgliedstaaten mit Zuckerrübenanbau ihren Landwirten derartige Prämien in Höhe von insgesamt mehr als 1,3 Mrd. Euro für den Anbau dieser Kultur gezahlt.
Laut der Universität Wageningen führten diese Prämien zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Dies widerspreche auch dem eigentlichen Ziel der
Zuckermarktreform, nämlich einer Marktbereinigung und Stärkung der effizientesten Standorte, gibt die WVZ zu bedenken. Stattdessen würden nicht wettbewerbsfähige Standorte durch unzulässige Beihilfen am Leben erhalten, zu Lasten der Zuckerwirtschaft in den Mitgliedstaaten, die keine gekoppelten Prämien zahlten, und zu Lasten eines wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Zuckersektors in Europa.
Große PrämienunterschiedeWie die WVZ gegenüber AGRA-Europe erläuterte, wurden 2021 auf mehr als 35 % der EU-Rübenfläche freiwillige gekoppelte Prämien gewährt. Diese machten schätzungsweise mehr als 180 Mio. Euro aus. Die durchschnittliche Fördersumme lag bei 356 Euro/ha, wobei es zwischen den einzelnen Ländern große Unterschiede gab
Die betreffenden Hektarprämien reichten laut der WVZ von 673 Euro in Rumänien über 388 Euro in Polen bis zu 101 Euro in Finnland. Legt man diese Zahlungen auf den Zuckerertrag pro Hektar um, ergibt sich pro Tonne Zucker ein Wettbewerbsvorteil von 10 Euro in Finnland und Litauen, von 45 Euro in Polen und Ungarn und von 110 Euro in Rumänien. Der mittlere
Zuckerpreis in der EU habe dabei im Januar 2022 bei 434 Euro/t gelegen, so die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker.
Weiterer WettbewerbsnachteilZusätzlich verschärft wird der Wettbewerb zwischen den EU-Ländern nach Darstellung der WVZ noch dadurch, dass zwölf Mitgliedstaaten im Gegensatz zu Deutschland den Einsatz von Neonikotinoiden auch in diesem Anbaujahr erlauben. Die
Beizung sei das einzige Mittel, das wirksam virusübertragende
Blattläuse bekämpfe.
Während die Erträge in den betreffenden zwölf Ländern vor Vergilbungsviren geschützt seien, könnten sich für hiesige Anbauer teils erhebliche Ertragseinbußen ergeben, warnt der Verband. Dies passiere bei aktuell sowieso steigenden Kosten. Im März 2019 sei das
Thünen-Institut (TI) von einer Benachteiligung durch das Verbot in Höhe von 500 Euro/ha ausgegangen.
Vor diesem Hintergrund konstatierte die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker, dass Landwirte, egal in welchem Land, ihre Pflanzen schützen müssten, um ihre Lebensgrundlage zu sichern. Solange es keine wirksamen Alternativen gebe, zähle dazu bei Vergilbungsviren die Beizung mit Neonikotinoiden.