Die IARC ist Teil der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichten IARC-Wissenschaftler am 20. März eine Neubewertung von insgesamt vier Wirkstoffen, wobei Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für Menschen“ klassifiziert wurde. Nach IARC-Einschätzung liefern Studien, die seit 2001 in den USA, Kanada und Schweden erschienen sind, begrenzte Hinweise auf eine krebsauslösende Wirkung beim Menschen und ausreichende Belege für eine Kanzerogenität im Tierversuch.
Dem
BfR erscheint das IARC-Papier „auf Basis der vorliegenden Informationen wissenschaftlich schlecht nachvollziehbar und offenbar nur mit wenigen Studien belegt“. Die Entscheidung der IARC könne jedoch nicht abschließend beurteilt werden, da ausführliche Begründungen noch nicht vorlägen.
„Dass verschiedene Gremien aufgrund unterschiedlicher Informationen und Einschätzungen von experimentellen Daten Sachverhalte unterschiedlich bewerten, gehört zum Alltag in der Risikobewertung“, erläuterte das BfR. Man werde die IARC-Monografie nach Erscheinen gründlich prüfen.
Relativ geringe ToxizitätDie EU-Zulassung für Glyphosat läuft Ende 2015 aus; deshalb befindet sich der Wirkstoff derzeit in einem Überprüfungsverfahren. Deutschland ist dabei der federführende Mitgliedstaat. Das BfR bescheinigte dem Herbizid vergangenen Sommer bei einer Expertenanhörung eine relativ geringe Toxizität und legte dem
Bundestag mittlerweile auch einen entsprechenden Bericht vor.
Die Europäische Kommission lehnt Schnellschüsse in Bezug auf das Risiko von Glyphosat ab. Die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA) führe eine Befragung von Experten aus sämtlichen Mitgliedstaaten durch, um ein Gutachten zur Risikobewertung des Wirkstoffs Glyphosat zu erstellen, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Kommission selbst werde dem Antrag auf Wiederzulassung auf dieser Grundlage, aber eben erst nach Abschluss des EFSA-Verfahrens begegnen.
Zulassung aussetzenBündnis 90/Die Grünen sehen durch die IARC-Veröffentlichung ihre Bedenken gegenüber Glyphosat bestätigt. Für die Bundestagsfraktion forderte Harald Ebner Konsequenzen. „Das allgegenwärtige Allzweck-Ackergift ist eben nicht harmlos“, so Ebner. Die Bundesregierung dürfe sich an der Neubewertung nicht „vorbeimogeln“. Sie müsse die Zulassung umgehend aussetzen und die Risiken gründlich untersuchen. Gerade die Folgen der Glyphosatbelastung von Nahrungsmitteln seien immer noch zu wenig untersucht.Anwendungen kurz vor der Ernte, auf Grünflächen und in Privatgärten müssten sofort die Zulassungen entzogen werden.
Ähnlich äußerten sich die agrarpolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Gisela Sengl, sowie ihr Amtskollege im Europaparlament, Martin Häusling. Die Kommission müsse dafür sorgen, dass die
EFSA „die wissenschaftlich einseitig zustande gekommene Bewertung aus Deutschland“ kritisch überprüfe und sämtliche aktuellen Studien zu Glyphosat in ihre Bewertung miteinbeziehe.
Methodische MängelDie Glyphosate Task Force (GTF) lehnt indes die IARC-Klassifikation ab. „DieAuswertung, die zu diesem Schluss gekommen ist, weist erhebliche methodische Mängel auf, und die daraus gezogene Schlussfolgerung steht im Widerspruch zu sämtlichen regulatorischen Sicherheitsbewertungen von Glyphosat“, hieß es von Seiten der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat, einem Verbund von sieben Unternehmen der deutschen Pflanzenschutzindustrie.
Die IARC habe lediglich eine Auswahl öffentlich zugänglicher Informationen in Betracht gezogen, nicht jedoch die vorliegende, umfangreiche Datengrundlage zu Glyphosat, die bereits von den Zulassungsbehörden der westlichen Industrieländer evaluiert worden sei.
Die von der IARC nicht berücksichtigten Studien seien unter Einhaltung validierter Testverfahren und höchsten Qualitätsstandards in behördlich kontrollierten Laboratorien durchgeführt worden. Diese Studien lieferten den eindeutigen Nachweis, dass Glyphosat kein genotoxisches oder karzinogenes Potential besitze. Nach eingehender Prüfung sämtlicher Daten seien die zuständigen Behörden wiederholt zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat weder bei Menschen noch bei Tieren Krebs auslöse.
Die US-Zentrale des Saatgutkonzerns
Monsanto zeigte sich über das IARC-Gutachten empört und sprach von „Pseudowissenschaft“. Sicherheit habe für sämtliche Monsanto-Mitarbeiter oberste Priorität. (AgE)