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17.01.2011 | 02:36 | Ackerbau in Osteuropa 

Landwirtschaft in Russland und der Ukraine: Die Kornkammer Osteuropa bietet riesige Potenziale

Frankfurt/Main - Die Kornkammer Osteuropa bietet riesige unerschlossene Potenziale für Ackerbauern mit Pioniergeist.

Gerste
(c) proplanta
Wer als deutscher Landwirt in Ländern wie Russland oder der Ukraine Fuß fassen will, sollte sich vorher aber genau über die Verhältnisse vor Ort informieren, um nicht Schiffbruch zu erleiden. Dr. Heinz-W. Strubenhoff vom Deutsch-ukrainischen agrarpolitischen Dialog kann deutschen Landwirten durchaus empfehlen, in der Ukraine zu investieren. „Sie können mit Ackerbau in der Ukraine gutes Geld verdienen, sollten aber die teils schwierigen Rahmenbedingungen kennen und berücksichtigen “, so die Empfehlung des Osteuropa-Experten beim Ausschuss für Betriebsführung und agri benchmark anlässlich der diesjährigen DLG-Wintertagung in München. So sei das politische System in keinster Weise mit dem westlicher Demokratien vergleichbar. Jüngstes Beispiel für poltische Willkür seien die 2010 verhängten Exportquoten: Obwohl eine durchaus ordentliche Ernte - beim Mais die beste aller Zeiten - eingefahren wurde, sei der Export seit Monaten stark reglementiert. Dadurch hätten sich die Getreidepreise vom hohen Weltmarktniveau abgekoppelt, auf Kosten der Erzeuger. Strubenhoff geht davon aus, dass den Landwirten in der Ukraine durch die Exportquoten ein Schaden von 2 Mrd. $ entsteht. Warum trotz guter Erträge Exportquoten verhängt wurden, ist für den Osteuropa-Experten ganz einfach. „Mit der Vergabe von Quoten lässt sich gutes Geld verdienen“. Da viele internationale Agrarhändler nicht bereit gewesen seien, Geld für Ausfuhrrechte zu bezahlen, seien diese bei den Exportlizenzen nicht berücksichtigt worden. Unternehmen wie Toepfer International, Bunge oder Cargill hätten in den letzten Jahren Millionensummen in den Ausbau von Logistik- und Hafenkapazitäten investiert, berichtete Strubenhoff vor über 400 interessierten Landwirten in der bayerischen Landeshauptstadt. Aufgrund der jetzt gemachten Negativerfahrungen sei nicht auszuschließen, dass sich der eine oder andere westliche Agrarhändler wieder aus der Ukraine zurückziehe.


Die Pachtpreise in der Ukraine steigen

Für den Landwirt Johann Wenzl zählt die Bodenpolitik der Regierung in Kiew zu den am wenigsten kalkulierbaren Herausforderungen der nächsten Jahre. Sollte demnächst das Moratorium zum Bodenverkauf fallen, müsste der Ackerbauer auf einen Schlag bis zu 30 % der von ihm bisher gepachteten Fläche kaufen, will er diese nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Aus den Überresten einer früheren Sowchose hat Wenzl gemeinsam mit den Söhnen Matthias und Johannes 2003 im Herzen der Ukraine einen erweiterten Familienbetrieb mit 2.500 ha Ackerbau gegründet. In der fruchtbaren Region – der Betrieb TOB Dukra agro liegt etwa auf halber Strecke zwischen Kiew und Odessa – gibt es schon heute keine ungenutzten Flächen mehr. Das Pachtpreisniveau liegt bei 80 Euro/ha – Tendenz weiter steigend. Aufgrund begrenzter Zupachtmöglichkeiten will der Ukraine-Pionier die Wertschöpfung auf der Fläche steigern, vermutlich über den Aufbau einer Schweinzucht einschließlich Mast. Wer in der Ukraine einen Pachtbetrieb übernehmen will, sollte pro Hektar 1.000 Euro für Anlaufinvestitionen einplanen, nannte Wenzl als Faustzahl. Solle westliche Landtechnik eingesetzt werden, gebe es bei den Investitionskosten nach oben kaum eine Grenze. „Ich würde jedem Berufskollegen raten, schlank zu starten und kostspieligere Investitionen aus den laufenden Überschüssen zu stemmen, so der Neueinrichter. Was die Erträge angeht, kann Wenzl inzwischen durchaus mit guten Ackerbaustandorten in Deutschland mithalten. Zur Ernte 2009 hat der leidenschaftliche Ackerbauer beim Weizen die 9-Tonnen-Grenze geknackt, beim Raps holt er in guten Jahren mehr als 4 Tonnen vom Hektar. Und auch die Qualitäten können sich sehen lassen. Wenzl strebt die Produktion von Weizen der ukrainischen Klasse 1 an – vergleichbar mit deutschen A-und E-Sorten. Sein Qualitätsgetreide vermarktet er dabei zunehmend an inländische Abnehmer. Anfangs habe er gute Geschäfte mit Toepfer International gemacht. Im Export seien aber einfach nicht so hohe Preise zu erlösen wie beim Absatz an einheimische Händler und Mühlen.


Grenzen des Wachstums noch nicht erreicht

Stefan Dürr, der vor 17 Jahren als einer der ersten deutschen Landwirte den Sprung nach Russland wagte, plant als Geschäftsführer der selbst für russische Verhältnisse großen Agrarholding EkoNiva für das Frühjahr 2011 den Börsengang, um mit frischem Kapital das Betriebswachstum weiter voranzutreiben. Das aus mehreren Teilbetrieben in 5 russischen Regionen bestehende Unternehmen umfasst mittlerweile 128.000 ha und soll nach dem Börsengang weiter um jährlich bis zu 30 % wachsen. Der Viehbestand ist auf inzwischen über 22.000 Rinder gewachsen, davon mehr als 8.000 Milchkühe. Auch deshalb hat bei der Feldbewirtschaftung der Futterbau die erste Priorität, noch vor der Saatgutproduktion. Verkaufsfrüchte würden angebaut, wenn sie in der jeweiligen Region gut Vermarktet werden könnten, erläuterte Dürr bei der DLG-Wintertagung. Anders als Wenzl peilt er keine Spitzenerträge an. „Wenn unser Teilbetrieb in der Schwarzerderegion stabil 5 bis 6 Tonnen pro Hektar verkaufsfähiges Getreide liefert sind wir im Optimum, da wir das gute Betriebsergebnis über sehr niedrige Produktionskosten einfahren“. Zwar sei Russland riesig und Flächen deshalb noch reichlich verfügbar. Aber selbst im flächenreichsten Land der Erde würden die guten Ackerbaustandorte langsam knapp, so Dürr, der den Pachtanteil der von ihm geleiteten Holding auf aktuell 80 % beziffert. Grenzen des Wachstums sieht der Vollblut-Unternehmer für russische Agrarbetriebe erst in einer Größenordnung von 500.000 ha: “Dann ist der Chef so weit von der eigentlichen Produktion entfernt, dass die Reibungsverluste zu groß werden“. Schon heute gebe es in Russland 50 Agrarholdings mit mehr als 100.000 ha sowie weitere 500 moderne Farmen über 20.000 ha, berichtete Dürr.


Qualifizierte Mitarbeiter schwer zu bekommen

Als größte Herausforderungen in Russland wertet Dürr die teils schwierige klimatischen Verhältnisse in Russland, wo es in vielerorts zu geringe Niederschläge gebe. Zudem seien zwar häufig gute Böden vorhanden, die durch jahrelange Misswirtschaft aber häufig in schlechtem Zustand seien. Das Hauptproblem ist aus seiner Sicht aber der Mangel an qualifiziertem Personal. „Es gibt in der Breite nicht genügend gut ausgebildete Mitarbeiter und Knowhow“. Die Zahl der aktuell in Russland aktiven Landwirte aus Deutschland bezifferte der EkoNiva-Geschäftsführer auf etwa 50, dazu „einige Holländer und Österreicher“. „Besuchen Sie mich vor Ort, wenn ich ihr Interesse geweckt habe und sie den Einstieg in Russland planen“, so Dürrs Einladung an die Berufskollegen bei der DLG-Wintertagung in München. Zwar gebe es einige Nachteile, wie die leider noch immer alltägliche Korruption. Umgekehrt werde die Landwirtschaft finanziell stark gefördert und habe einen hohen Stellenwert in der Politik. Aus Erzeugersicht positiv sei auch der hohe Außenschutz über Zölle, die nicht rückzahlbaren Investitionszuschüsse sowie die zahlreichen Steuervergünstigungen. Langfristig wolle Russland nicht nur Öl und Gas exportieren, sondern auch agrarische Rohstoffe. Deshalb sei die Agrarförderung auf große, modern geführte Betriebe ausgerichtet. Im Jahr 2010 habe EkoNiva umgerechnet 8 Mio. Euro aus staatlichen Töpfen erhalten, die russische Landwirtschaft insgesamt 5 Mrd. Euro.


Niedrige Stückkosten als Standortvorteil

Simon Walther vom Institut für Betriebswirtschaft am Johann von Thünen Institut (vTI) zeigte in Zahlen, was den Ackerbau in Ländern wie Russland und der Ukraine so interessant macht. Gute Betriebe hätten Getreide zur Ernte 2009 zu Vollkosten zwischen 100 und 120 Dollar pro Tonne produziert und damit trotz niedriger Erzeugerpreise ein positives Unternehmensergebnis ausweisen können. Angesichts solcher Stückkosten sei die Expansion der Agrarholdings in Russland und der Ukraine ungebrochen, so Walther, der für das von DLG und vTI getragene Netzwerk agri benchmark Betriebe in Russland und der Ukraine analysiert hat. In Russland gebe es durch die große Ausdehnung die unterschiedlichsten Standortbedingungen. Die Bandbreite reiche von kalten und trockenen reinen Sommergetreidestandorten in Westsibirien bis hin zu den sehr produktiven Standorten im Nordkaukasus. Die Ukraine sei von den Standortfaktoren wesentlich homogener als Russland, da sich das Land nicht über mehrere Klimazonen erstrecke. Typisches Kennzeichen moderner Ackerbaubetriebe sei eine schlanke Mechanisierung sowie eine sehr hohe Maschinenauslastung. Bei den Direktkosten (Dünger, Saatgut, Pfanzenschutz) pro Tonne – als Benchmark zum Vergleich von Standorten mit unterschiedlicher Flächenproduktivität – lägen Betriebe in Russland und der Ukraine bei nur 40 $. Zum Vergleich: An typischen Ackerbaustandorten Ostdeutschlands sind es 60 $ pro Tonne. Die Arbeitserledigungskosten lägen in ostdeutschen Vergleichsbetrieben bei 75 $/t, verglichen mit nur 45 $/t in der Ukraine und Russland. Prägend für den Ackerbau in der Kornkammer Osteuropa sei der hohe Arbeitseinsatz bei äußerst niedrigen Löhnen. Noch interessanter werde der Ackerbau in Osteuropa, wenn man die Flächenkosten mit einbeziehe. Während in der Magdeburger Börde oder in Mecklenburg-Vorpommern - gepuscht durch die Flächenprämie – Pachten zwischen 300 und 500 $ je Hektar bezahlt werden müssten, seien es in Osteuropa je nach Standort nur 20 bis maximal 100 $/ha. (dlg)
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