Wie der Konzern am Dienstag (21.6.) mitteilte, hat das Gericht entschieden, das von
Bayer beantragte Berufungsverfahren für den Fall Hardeman nicht anzunehmen. Das betreffende Verfahren dürfte damit abgeschlossen sein.
Edwin Hardeman hatte glyphosathaltige Produkte für seine Krebserkrankung verantwortlich gemacht und dafür vor einem Gericht in San Francisco einen Schadenersatz von mehr als 23 Mio Euro erstritten. Bayer reagierte mit Unverständnis auf die Entscheidung des USSC. „Wir können die Ablehnung nicht nachvollziehen“, hieß es in einer Stellungnahme.
Die Entscheidung untergrabe die Verlässlichkeit von Regulierungsentscheidungen für Unternehmen, weil zugelassen werde, dass jeder einzelne Bundesstaat unterschiedliche Gebrauchshinweise verlangen könne. Das widerspreche klar dem Anspruch an Einheitlichkeit, den der US-Kongress in Gesetzesgrundlagen wie dem Federal Insecticide, Fungicide and Rodenticide Act (FIFRA) formuliert habe.
Bereits wenige Tage vor der Entscheidung des USSC hatten Gerichtsentscheidungen den Konzern beschäftigt. Zwar konnte Bayer ein weiteres Produkthaftungsverfahren in Verbindung mit Roundup für sich entscheiden; daneben gab allerdings das Bundesberufungsgericht in San Francisco der Umweltschutzbehörde (EPA) auf, ihre Bewertung des Gesundheitsrisikos durch
Glyphosat zu überarbeiten.
Der entsprechende Teil der vorläufigen Entscheidung im Rahmen der Zulassungsprüfung wurde unter Verweis auf gravierende Fehler annulliert. Die Richter schlossen sich einstimmig der Auffassung mehrerer Nichtregierungsorganisationen an, dass die Behörde das Krebsrisiko nicht angemessen berücksichtigt habe und bei der Bewertung der Auswirkungen des Herbizids auf
bedrohte Arten ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sei.
Folgenabschätzungen fehlenDie
EPA hatte Anfang 2020 festgestellt, dass der umstrittene Wirkstoff keine ernsthaften Gesundheitsrisiken mit sich bringe und wahrscheinlich nicht krebserregend für den Menschen sei. Nach Einschätzung der Berufungsrichter sind diese Bewertungen allerdings nicht im Einklang mit der Datenanalyse der Behörde und den Leitlinien zur Bewertung von Krebsrisiken erfolgt.
Laut dem Gericht ist die EPA in ihren Auswertungen selbst zu dem Schluss gekommen, dass eine abschließende Bewertung bestimmter Krebsrisiken anhand der vorliegenden Daten nicht möglich sei. Diese Feststellung sei jedoch nicht in angemessener Weise mit der Einschätzung zu vereinbaren, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend sei.
Auch die Beschwerde in Sachen
Artenschutz war nach Einschätzung des Gerichtes begründet. Gerügt wird unter anderem, dass die vorläufige Entscheidung getroffen worden sei, ohne dass die nach dem Artenschutzrecht vorgeschriebenen Folgenabschätzungen durchgeführt worden seien.
Ungeachtet dessen wurde der diesbezügliche Teil der Zwischenbewertung nicht annulliert. Die Richter versprachen sich davon keinen Vorteil und gaben der EPA auf, im Rahmen der abschließenden Zulassungsprüfung nachzubessern. Diese muss bis Oktober vorliegen.
Intensiver ZuspruchDas Urteil des Berufungsgerichtes dürfte die Situation für Bayer nicht einfacher machen. Der Konzern hatte sich im Zusammenhang mit den zahlreichen Produkthaftungsverfahren in Verbindung mit Glyphosat beziehungsweise Roundup immer wieder auf die Einschätzung der EPA berufen.
Das Unternehmen geht nach eigenen Angaben aber davon aus, dass die Behörde ihre Position nicht verändern wird. Seit mehr als vier Dekaden seien Zulassungsbehörden zu dem Schluss gekommen, dass glyphosatbasierte
Herbizide sicher angewandt werden könnten und nicht krebserregend seien. In diesem Zusammenhang verwies Bayer auch auf die entsprechende Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) von Ende Mai (AgE 23/22, EU-Nachrichten 3).
Mit Blick auf die Entscheidung zur Hardeman-Berufung betonte der Konzern, das es noch weitere Fälle gebe, auch in Verbindung mit Roundup, in denen sich der USSC mit Fragen des Vorrangs von Bundesrecht und widersprüchlicher Rechtsprechung der Vorinstanzen beschäftigen könne.
Bestärkt fühlt man sich in Leverkusen durch den „intensiven Zuspruch von Amtsträgern, Landwirtschaftsverbänden und anderen Interessensgruppen“. Es seien erhebliche Bedenken wegen der „Abkehr von wissenschaftsbasierter Regulierung“ geäußert worden. Diese könnte die Ernährungskrise in ohnehin schwierigen Zeiten verschärfen und Nachhaltigkeitsziele gefährden. Laut Bayer wurde zudem die Stellungnahme der Regierung an den USSC ohne Konsultation des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) erstellt, das „erhebliche Interessen“ an diesem Fall habe.
Bayer steht zu RoundupAn Bedeutung gewinnen dürften nun die Rückstellungen, die der Konzern für den Umgang mit den Rechtsrisiken künftiger Klagen gebildet hat. Unternehmensangaben zufolge wurden vor Steuern und Abschreibungen umgerechnet rund 6,2 Mrd. Euro zurückgestellt, um dem finanziellen Bedarf für Vergleiche, künftige Gerichtsprozesse und administrative Kosten angemessen Rechnung zu tragen.
Im Geschäftsbericht wurden zum 31. Dezember 2021 Rückstellungen von insgesamt umgerechnet 7,1 Mrd. Euro für die Glyphosatverfahren ausgewiesen. Ungeachtet dessen bekräftigte Bayer, weiterhin vollständig hinter den Roundup-Produkten zustehen. Entscheidend sei, dass Wissenschaft und Bewertungen der verantwortlichen Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt bestätigten, dass glyphosatbasierte Herbizide sicher und nicht krebserregend seien.