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26.06.2022 | 11:00 | Pflanzenschutzmittel 

Pflanzenschutzmitteleinsatz: Kommission hält an Halbierung bis 2030 fest

Brüssel - Die Europäische Kommission bleibt trotz des Ukraine-Krieges bei ihrer Zielmarke aus der Farm-to-Fork-Strategie: So soll der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel EU-weit rechtsverbindlich bis zum Jahr 2030 um 50 % reduziert werden.

Pflanzenschutzmitteleinsatz
Verwendung der gefährlicheren Pestizide ebenfalls um 50 Prozent reduziert - Pflanzenschutzrichtlinie wird zur einheitlicheren Umsetzung in Verordnung umgewandelt. (c) proplanta
Wie die Brüsseler Behörde dazu am Mittwoch (22.3.) erläuterte, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Reduktionsziele innerhalb bestimmter Parameter festzulegen, um sicherzustellen, dass das EU-weite Soll auch erreicht wird. Betont wird, dass vor allem die Verwendung der gefährlicheren Pestizide bis zum Ende dieses Jahrzehnts halbiert werden müsse.

Im Weiteren gab die EU-Kommission bekannt, dass mit dem jetzt vorgelegten Vorschlag die bestehende Richtlinie in eine Verordnung umgewandelt werde. Im Unterschied zu einer Richtlinie ist eine EU-Verordnung bekanntlich in allen Mitgliedstaaten direkt und gleichermaßen umzusetzen. Damit würden „die anhaltenden Probleme mit der schwachen und uneinheitlichen Umsetzung der bestehenden Vorschriften in den letzten zehn Jahren angegangen werden“, erklärte die Brüsseler Behörde.

Zudem sollen die Mitgliedstaaten ihr jährlich detaillierte Fortschritts- und Umsetzungsberichte vorlegen. Dem Verordnungsentwurf zufolge soll es im Einzelnen unter anderem strenge Vorschriften für eine umweltfreundlichere Schädlingsbekämpfung geben.

So ist nach Angaben der Kommission geplant, mit neuen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass alle Landwirte und andere professionelle Anwender von Pflanzenschutzmitteln Integrierten Pflanzenschutz praktizieren. Zudem sollen zunächst „alternative, umweltfreundliche Methoden der Schädlingsprävention und -bekämpfung in Betracht gezogen werden“ müssen, bevor chemische Wirkstoffe als „letztes Mittel“ eingesetzt werden dürfen.

Verbot in Schutzgebieten

Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört auch die Pflicht zur Führung von Aufzeichnungen durch die Landwirte und andere gewerbliche Anwender. Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten künftig kulturspezifische Regeln aufstellen müssen, in denen die möglichen Alternativen zum Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel wiedergegeben sind.

Ferner soll der Einsatz aller Pflanzenschutzmittel an Orten wie städtischen Grünflächen einschließlich öffentlicher Parks oder Gärten, Spielplätzen und Schulen verboten werden. Dieses Anwendungsverbot wird gemäß der Vorstellung der Kommission auch für Erholungs- oder Sportplätze, öffentliche Wege und in Natura 2000-Schutzgebieten sowie für alle ökologisch empfindlichen Gebieten gelten, damit diese für bedrohte Bestäuber erhalten bleiben oder wiedergewonnen werden. Die Kommissionsbeamten versprechen sich von dieser neuen Regelung, dass chemische Pflanzenschutzmittel „aus unserer Nähe im Alltag verschwinden“.

Öko-Sektor hilft

Zur Abfederung der Kosten und Ertragseinbußen, die den Landwirten aufgrund der Reduzierung des chemischen Pflanzenschutzes entstehen, soll es laut Kommissionsangaben eine „außergewöhnliche EU-Unterstützung“ geben. Fünf Jahre lang sollen die Mitgliedstaaten Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nutzen, um die Aufwendungen der Bauern, die durch die neuen Anforderungen notwendig werden, zu decken.

Im Zuge dessen sind auch „intensivere Maßnahmen“ zur Erweiterung des Angebots an biologischen und risikoarmen Alternativen auf dem Markt geplant. Ferner soll es gemäß des Verordnungsvorschlages mehr Mittel im Rahmen des EU-Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe zur Förderung neuer Technologien und Verfahren einschließlich der Präzisionslandwirtschaft geben. Im Detail soll dafür ein „spezielles Datennetz“ für die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe aufgebaut werden.

Darüber hinaus soll die Präzisionslandwirtschaft durch Marktentwicklungen zum Beispiel bei Feldspritzen, der Geolokalisierung und Schädlingserkennungstechniken, unterstützt werden. Im Weiteren verweist die EU-Behörde auf den 2021 vorgelegten Aktionsplan für den Bio-Sektor hin. So werde auch eine Förderung des Ökosektors helfen, den Pflanzenschutzmitteleinsatz weiter zu begrenzen.

Strenge Auslegung geplant

Die Kommission kündigte zudem an, im Einklang mit dem Gesetzesvorschlag zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden „in Kürze“ auch eine Maßnahme vorzuschlagen, in der globale Umwelterwägungen Berücksichtigung finden würden. Konkret will die Behörde dabei ihrer Zusage nachkommen, die Problematik Rückstande in Lebensmitteln strenger anzugehen.

Eingeführte Lebensmittel mit messbaren Gehalten an verbotenen Stoffen sollen dann der Kommission zufolge in der EU grundsätzlich nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen, also auch bei minimalstem Nachweis. Hierdurch sollen Drittländer dazu angeregt werden, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die in der EU bereits verboten sind, ebenfalls einzuschränken oder gar komplett zu untersagen.

Als ersten Schritt will die Kommission zeitnah Vertreter von Mitgliedstaaten und Drittländer mit Blick auf mögliche Rückstände der Wirkstoffe Thiamethoxam und Clothianidin konsultieren. Diese beiden Neonikotinoide sind in der EU bekanntlich für den Freilandanbau nicht mehr zugelassen, ihre Anwendung wurde aber in verschiedenen Mitgliedstaaten in den vergangenen per Notfallzulassung immer wieder erlaubt.

Nach Annahme einer entsprechenden Maßnahme dürften der EU-Kommission zufolge indes eingeführte Lebensmittel, die messbare Rückstände dieser beiden Stoffe enthalten - nach einer Übergangsfrist - nicht mehr in Verkehr gebracht werden.

Verweis auf Bestäuber

Die geplante Einschränkung der Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel begründet die EU-Kommission mit dem massiven Rückgang der Bestäuber in landwirtschaftlichen Gebieten. Hervorgehoben wird deren Bedeutung für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Laut der Brüsseler Behörde sind mehr als 75 % der weltweit angebauten Nahrungspflanzen auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen.

Derweil weise aber schon die Hälfte der Flächen, auf denen von Bestäubern abhängige Nutzpflanzen angebaut würden, ein Bestäubungsdefizit auf. In der EU sei die Erzeugung von Agrarprodukten im Wert von fast 15 Mrd. Euro jährlich direkt auf die Tätigkeit von Bestäuberinsekten zurückzuführen. Beklagenswerter Weise seien aber 10 % der Bienen- und Schmetterlingsarten in Europa akut vom Aussterben bedroht; 33 % verzeichneten laut Kommission einen deutlichen Rückgang.
AgE
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