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16.07.2016 | 13:02

Pilotprojekt in lippischer Toskana - Lavendelernte in Deutschland

Detmold / Paris - Die «lippische Toskana» als violettes Blütenmeer: Rund 50.000 Lavendelpflanzen stehen derzeit auf einen steinigen Acker in Ostwestfalen-Lippe in voller Blüte.

Lavendelanbau in Ostwestfalen-Lippe
Trüffel im Ruhrgebiet, Weinanbau in Süd-Schweden - und nun Lavendel in Ostwestfalen-Lippe: Auf einem Acker bei Detmold wird der kommerzielle Anbau des Duft- und Heilkrauts mit einer ersten Ernte getestet. Hintergrund sind auch Nöte der Konkurrenz aus der Provence. (c) proplanta
Wo die bäuerliche Konkurrenz mit Althergebrachtem zu punkten versucht, hat der Detmolder Bio-Bauer Martin Meiwes die Duft- und Heilpflanze in großem Stil angebaut.

Nun soll eine erste Ernte zeigen, ob das Lavendelöl aus dem Hügelland in der nordrhein-westfälischen Provinz gegen die Konkurrenz aus dem Mittelmeerraum bestehen kann.

«Wir schauen, was wir an Ergiebigkeit und Duft herausbekommen», sagt Axel Meyer, der als Inhaber des auf natürliche Duftöle spezialisierten Unternehmens Taoasis rund 50.000 Euro in das gemeinsame Pilotprojekt investiert hat. In absehbarer Zeit sei der Lavendelanbau in Deutschland jedoch voraussichtlich noch ein Verlustgeschäft. «In etwa fünf bis sieben Jahren könnte sich das langfristig rechnen», hofft Meyer. Wichtig sei aber auch der Umwelt-Aspekt des Öko-Projekts.

Aus den erwarteten rund zehn Tonnen Lavendelstroh könnten in einer hauseigenen Anlage voraussichtlich etwa 35 bis 40 Liter reines Öl gewonnen werden. Bei derzeitigen Großhandelspreisen sei eine Wirtschaftlichkeit des Projekts dabei jedoch noch nicht in Sicht, meint Meyer. Doch schon bei einer Zertifizierung des Öls nach den strengsten Bio-Standards könnte sich der Preis verdoppeln.

Bei einem jährlichen Verbrauch von rund 1,5 Tonnen Lavendelöl sei das Detmolder Unternehmen damit jedoch auch weiterhin vorwiegend auf den Weltmarkt angewiesen. Genutzt werde das etwa für seine beruhigende Wirkung bekannte Öl meist für medizinische oder auch für kosmetische Zwecke. Nach Engpässen der französischen Lavendelbauern sei man bereits bei der Suche nach hochwertigem Öl verstärkt auf Lieferanten aus Bulgarien umgestiegen, berichtet er.

Bereits seit Jahren leidet der Lavendelanbau in der französischen Provence unter den Folgen von Bakterien, die von Zikaden übertragen werden und die Pflanzen innerhalb von zwei bis drei Jahren zerstören können. Düstere Prognosen gehen davon aus, dass die südfranzösischen Lavendelfelder die kommenden zehn Jahre nicht überstehen könnten.

Schon in den 1970er Jahren habe die Krankheit viel Schaden angerichtet und sei in einer zweiten Welle Mitte der 2000er Jahre zurückgekehrt, berichtet etwa Jean-Baptiste Rivoal, Ingenieur beim regionalen französischen Forschungszentrum Crieppam, in der Zeitung «Le Figaro». Lavendelbauern müssten Pflanzen deshalb weiträumig vernichten oder auf zyklischen Anbau ausweichen. Daneben werde die Ausbreitung der Krankheit durch den Klimawandel mit zunehmenden Hitze- und Dürre-Perioden begünstigt.

In Ostwestfalen sehen sich die Initiatoren mit ihrem zwei Hektar großen Lavendelfeld am Rande des Teutoburger Waldes auch als Pioniere des kommerziellen Lavendelanbaus in Deutschland. «Es gibt keine Grundlagen, auf die wir zurückgreifen könnten», beschreibt Bio-Bauer Meiwes die Ausgangslage. Bislang habe sich der Lavendel auf dem schweren, steinigen Boden der Region jedoch schneller entwickelt als gedacht. Für eine spätere maschinelle Ernte des Lavendels denkt er bereits über den Umbau eines Geräts zum Gemüseernten nach. Bislang kommt noch eine Sichel zum Einsatz.

Professor Hardy Pfanz von der Universität Duisburg/Essen bescheinigt dem Anbau mediterraner Pflanzen auch in Deutschland einige Chancen. «Die Voraussetzungen dafür waren noch nie so gut wie in diesem Jahrhundert», berichtet der Lehrstuhlinhaber für Angewandte Botanik und Vulkanbiologie vor dem Hintergrund des drohenden Klimawandels.

Erfolgreich praktiziert werde bereits Weinanbau in Südschweden, und die bis vor einiger Zeit nur im südlichen Deutschland vorkommenden echten Sommertrüffel seien nun auch im Ruhrgebiet gefunden worden.

Während der wirtschaftliche Erfolg des Pilotprojekts eher noch ungewiss ist, macht der Acker als Besuchermagnet Karriere. In dem Ortsteil Fromhausen, der zur Detmolder Nachbargemeine Horn-Bad Meinberg gehört, sollen einige hundert Meter vor dem Feld nun Hinweisschilder aufgestellt werden, um den Autoverkehr in den Griff zu bekommen und motorisierte Besucher rechtzeitig zu stoppen.
dpa
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