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18.08.2010 | 06:25 | Getreideernte Baden-Württemberg 

Rukwied: Getreideernte fordert von den Bauern höchsten Einsatz und gute Nerven

Stuttgart - Die diesjährige Getreideernte ist von massiven Erschwernissen geprägt. Hitze und Trockenheit in der Abreifephase führten zu Ertrags- und Qualitätseinbußen. Anhaltende Regenfälle verzögerten die Ernte.

Getreideernte Baden-Württemberg

Diese Umstände erfordern höchsten Einsatz der Landwirte, um das Erntegut zu bergen. Weltweit sorgte das Wetter für heftige Marktturbulenzen mit steigenden Preisen. „Die Preisvolatilität zeigt erneut die Notwendigkeit neuer Vermarktungsmodelle, um den Preis abzusichern und den Landwirten eine angemessene Teilhabe an der Marktentwicklung zu ermöglichen. Zudem benötigen wir dringend eine steuerliche Risikoausgleichsrücklage zur Abfederung der Preisschwankungen.“ Das erklärte Präsident Joachim Rukwied beim Ernte-Pressegespräch des Landesbauernverbandes (LBV) am 17. August 2010 auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familien Markus und Christoph Eberhardt in Deizisau (Landkreis Esslingen).

„Nach dem langen, schneereichen Winter haben sich die Getreidebestände im Frühjahr gut entwickelt. Erst extreme Hitze und Trockenheit, danach immer wieder auftretende Regenfälle haben die Erträge geschmälert und die Erntebedingungen massiv erschwert. Das erfordert vielerorts den Einsatz bis in die Morgenstunden, Geduld und gute Nerven. Deshalb sind dieses Jahr bis heute erst etwa 70 Prozent des Getreides im Land eingebracht. Besonders in Spätdruschgebieten stehen teilweise noch mehr als 60 Prozent auf dem Halm. Was wir jetzt gut brauchen können, wären ein paar schöne, trockene Sommertage, um die Ernte vollends einzufahren.“ So beschreibt Rukwied den bisherigen Ernteverlauf.


Hitze und Trockenheit schmälern Ertrag, Niederschläge gefährden Qualität

Die extreme Hitze und Trockenheit von Ende Juni bis Mitte Juli haben vor allem Weizen- und Sommergerstenbestände auf schwächeren Standorten zur Notreife gebracht. Dieses Jahr sind die Ertragsunterschiede zwischen guten und schlechten Standorten mit entsprechenden Bodenqualitäten besonders ausgeprägt. Auf besseren Böden wurden durchaus zufriedenstellende Erträge erzielt. Vor allem spät abreifende Sorten verloren an Ertrag.

In den vergangenen vier Wochen haben teils ergiebige Regenfälle die Erntearbeiten immer wieder zum Stillstand gebracht. Öfters kam es durch Auswuchs zu Einbußen in der Qualität. Teilweise konnte Auswuchs durch Vorziehen der Weizenernte vor den Rapsdrusch vermieden und die Weizenqualität gesichert werden. Dennoch waren nicht überall Qualitätseinbußen zu vermeiden.


Weltweite Ernteausfälle führen zu steigenden Preisnotierungen

Die Entwicklung am Getreidemarkt verfolgen die Landwirte mit gemischten Gefühlen. Nach dem Hochpunkt 2007 zeigte aufgrund sehr guter Ernten der weltweite Preistrend 2008 und 2009 nach unten. Die Preise gingen zeitweise sogar noch unter das niedrige Niveau des Jahres 2006 zurück. Angesichts der weltweit sehr guten Versorgungslage in den vergangenen zwei Jahren und positiver Ernteaussichten für diese Saison hielt der Preisdruck bis Juni an. Dann jedoch führten die weltweite Verschlechterung der Ertragsaussichten und folgende Ernteausfälle zu steigenden Preisnotierungen. Beispielhaft seien einige Ereignisse in Erinnerung gerufen:

  • Überflutungen in Osteuropa, insbesondere in Polen, Tschechien und der Slowakei, führen zu geringeren Ernteerwartungen.
  • Trockenheit in Syrien, Russland und der Türkei führt zu Ernteausfällen.
  • Hitzewelle und Notreife lassen in Deutschland Ertragsrückgang vor allem bei Weizen und Gerste erwarten.
  • Anfang August 2010 heizen die russischen Waldbrände die Getreidenotierungen weiter an.
  • Am 3. August 2010 überspringt die Weizennotierung an der Pariser Terminbörse Euronext die 200-Euro/t-Marke.
  • Am 5. August 2010 verhängt Russland einen vorübergehenden Exportstopp. Die Weizennotierungen steigen in Paris auf 224,50 Euro/t (November-Kontrakt).


Kostendeckung nur knapp erreicht

Die Erzeugerpreise für Brotweizen liegen aktuell bei rund 170 (160 bis 180) Euro je Tonne zuzüglich Mehrwertsteuer. Günstige Vermarktungsstandorte mit Hafenanschluss erzielen auch 200 Euro/t. Das entspricht durchschnittlich etwa dem Niveau in den Jahren 2007 und 2008 zum selben Zeitpunkt. Im August 2007 lagen die Erzeugerpreise für Brotweizen bei rund 180 (170 bis 200) Euro je Tonne, im August 2008 bei rund 160 (150 bis 170) Euro. Im August 2009 beliefen sich die Erzeugerpreise für Brotweizen nur auf etwa 110 (100 bis 120) Euro je Tonne, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer. Derzeit liegen sie also um rund die Hälfte höher als im Vorjahr.

Die Getreidepreise aus der Ernte heraus haben in den vergangenen beiden Jahren die Produktionskosten nicht gedeckt. Viele Getreideerzeuger kamen deshalb in wirtschaftliche Schwierigkeiten. „Selbst bei den nun gestiegenen Preisen erreichen wir nur knapp die Kostendeckung“, sagt Rukwied.

„Wir sind jetzt, was die Erzeugerpreise angeht, auf dem Weg zur Normalität“, betont er. „Nur mit kostendeckenden Preisen können wir auf Dauer unsere Existenz und die Rohstoffbasis für die Agrar- und Ernährungswirtschaft in unserem Land sichern. Außerdem muss es mit unseren Marktpartnern gelingen, durch entsprechende Vertragsmodelle eine bessere Absicherung gegen die immensen wirtschaftlichen Risiken aus den zunehmenden Marktschwankungen zu erreichen“, unterstreicht Rukwied.


Preisentwicklung an den Energie- und Betriebsmittelmärkten macht Sorge

Die Preisentwicklung an den Energie- und Betriebsmittelmärkten sieht der Bauernverband mit Sorge. Nach dem Rückgang der Düngerpreise im Laufe des vergangenen Jahres - diese hatten sich bis Januar 2009 binnen Jahresfrist verdoppelt - haben sie mittlerweile schon wieder angezogen.


Preisschwankungen am Getreidemarkt erfordern bessere Preisabsicherung

Der Landesbauernverband erwartet von seinen Marktpartnern neue Vermarktungsmodelle, bei denen die Landwirte ihre Verkaufserlöse optimieren können. Dazu ist anzustreben, dass dem Landwirt von seinem Marktpartner eine größere Flexibilität beim Festlegen des Verkaufszeitpunktes eingeräumt wird, um an der weiteren Marktentwicklung teilhaben zu können. Der Fokus muss dabei allerdings auf der Absicherung von mindestens kostendeckenden Preisen liegen. Preisspekulationen führen nämlich für beide Marktpartner mittelfristig nicht zum Erfolg.

Die Marktbeteiligten orientieren sich bereits heute an der Warenterminbörse Euronext in Paris. Sie eröffnet vielfältige Möglichkeiten der Preisorientierung, -ableitung und -absicherung. Im Sinne einer guten und tragfähigen Partnerschaft biete es sich an, bereits bestehende Modellansätze weiterzuentwickeln, damit sie noch stärkeren Eingang in die Getreidevermarktung finden. „Durch solche Vermarktungsmodelle kann es gelingen, die Marktrisiken auf breiter Basis zum Nutzen aller Beteiligten -  der Landwirte, der Erfassungs- und Verarbeitungsunternehmen - zu senken“, erläutert der Präsident des Landesbauernverbandes. „Die aktuellen Entwicklungen am Getreidemarkt belegen dies eindrucksvoll.“

Rukwied spricht sich angesichts der immer größer werdenden Ver- und Einkaufsrisiken auf den landwirtschaftlichen Märkten erneut für die Einführung einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage aus. „Den landwirtschaftlichen Betrieben wird dadurch ermöglicht, eine wirkungsvollere Eigenkapitalvorsorge als bisher zu betreiben“, erläutert er. Eine solche Ausgleichsrücklage stellt ein wichtiges Instrument im Risikomanagement der Landwirtschaft dar. Sie ermöglicht es, in guten Jahren ein Teil der Erlöse zurückzulegen. In schlechten Jahren steht dieses Geld zur Verbesserung der Liquidität zur Verfügung.


Die Ernteergebnisse im Überblick

Die Erträge liegen bisher über alle Getreidearten um zehn bis 15 Prozent unter dem Vorjahr und um etwa fünf Prozent unter dem fünfjährigen Durchschnitt. Es zeichnet sich in Baden-Württemberg eine Ernte deutlich unter dem hohen Vorjahresniveau und leicht unter dem fünfjährigen Mittel ab.

Die Qualitäten sind im Schnitt insgesamt zufriedenstellend. Dabei gibt es allerdings große Unterschiede zwischen den einzelnen Kulturarten und Regionen.

  • Wintergerste: Erträge 60 (50 bis 80) dt/ha; Hektolitergewichte um 65 kg/hl, teilweise unter 60 kg/hl.
  • Winterweizen: Ertragsverluste durch sehr hohe Temperaturen und Notreife; Erträge stark schwankend; knapp 70 (60 bis 90) dt/ha; teils Auswuchs mit Fallzahlen von 140 bis 160 (optimal 200 bis 250) Sekunden.
  • Sommergerste: Ertragsverlust durch Hitzewelle; Erträge stark schwankend; 50 (40 bis 80) dt/ha; Proteingehalte 9,5 bis 11,5 Prozent; Vollgerstenanteil: häufig unter 80 (gefordert 90) Prozent.
  • Raps: etwa 42 (30 bis 50) dt/ha; Ölgehalte 42 (40 bis 44) Prozent.


Ökologischer Getreidebau

Die Ernte 2010 ist auch im ökologischen Getreidebau geprägt von Ertragsverlusten durch die Hitzwelle und Verzögerung durch die anhaltenden Niederschläge.

  • Weizen: 40 (35 bis 45) dt/ha; teilweise niedrige Proteingehalte.
  • Roggen: 40 (35 bis 45) dt/ha; zufriedenstellende Qualitäten.
  • Dinkel: 35 (30 bis 40) dt/ha; Fallzahlen teilweise unter 150 Sekunden.
  • Hafer: Ernte hat erst begonnen; bisher niedrige Hektolitergewichte. (LBV)
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