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12.03.2016 | 11:03 | Reet 

Schilfernte im Steppensee gestartet

Neusiedl - Es ist ein guter Tag zum Ernten. Im Drei-Sekunden-Takt wirft der schnauzbärtige Ferenz (56) aus Ungarn seinem Landsmann Zoltan (40) ein Bündel Schilf zu.

Schilf
Die wirklich harten Winter scheinen vorbei - und das ist nicht gut so. Auch die Schilfernte leidet. Das seit Jahrhunderten gebräuchliche Baumaterial kommt unter anderem aus Österreich. Noch. (c) proplanta
Die Erntemaschine rollt auf meterbreiten Ketten fast problemlos durch den dichten Schilfgürtel im Nationalpark Neusiedler See an der österreichisch-ungarischen Grenze. «Wir kommen schon seit 20 Jahren hierher», sagt Anton und lacht. Er ist zufrieden mit dem regenfreien Tag.

Der 52-jährige Kroate am Steuer des betagten Mechanik-Unikats der Marke Eigenbau muss wie seine Helfer hart im Nehmen sein. Eine Fahrer-Kabine mit Radio und Internet und Heizung? Fehlanzeige!

«Die Erntemaschine muss so leicht wie möglich sein. Sie wiegt schon fünf Tonnen», sagt Landwirt Erwin Sumalowitsch. Der 59-Jährige ist einer der letzten Schilfernter am zweitgrößten europäischen Steppensee. An seinem Rand wächst der mit 180 Quadratkilometern - nach dem Donaudelta - größte zusammenhängende Schilfgürtel in Europa.

Die aktuelle Ernte des gemeinen Schilfrohrs (Phragmites communis) macht dem Bauern aber keine Freude. Der nass-milde Winter und die immer billiger werdende Konkurrenz aus China schlagen aufs Gemüt. «Es gibt kein Eis mehr und wird es auch nicht mehr geben», klagt Sumalowitsch. Eine Eisschicht, auf der die Erntefahrzeuge schnell dahinrollen können, ist in der Branche das große Glück.

Doch in diesem Winter - europaweit dürfen die Schilfernter von November bis Februar oder März unterwegs sein - war nur teils hüfthoher Matsch, Dauernebel und viel Regen angesagt. All das kostet Zeit und Geld. «Statt 300.000 bis 400.000 Bund werden wir wohl nur 150.000 Bund ernten», sagt Sumalowitsch. Nicht nur ihm gehe es so: «Alle klagen», sagt er über die Stimmung in Ungarn und Rumänien.

«Die Qualität stimmt, die Menge nicht», sagt der Sprecher der Interessengemeinschaft Reet, Tom Hiss, in Bad Oldesloe (Schleswig-Holstein).

Die Schilfernte müsse pro Jahr für 3.500 bis 4.000 Reetdächer in Europa reichen. 80 bis 90 Prozent werde für Dächer gebraucht, der Rest für Sichtschutz- oder Dämm-Matten. Unter den Lieferländern ragten Ungarn und Rumänien heraus. Die Ukraine habe ihre Bedeutung verloren. «Vor zwei Jahren haben wir noch Schilf von der Krim bekommen», sagt Hiss. China-Schilf schätzten fast nur die Niederländer. Dort ist auch der größte Markt - gefolgt von Deutschland, Dänemark und Großbritannien.

«Die Deutschen haben es gerne kräftiger, die Holländer mögen es feinhalmig und goldgelb», sagt Sumalowitsch über die Vorlieben der Kundschaft. Seit 27 Jahren ist er im Geschäft, aber nun sieht er die Zukunft alles andere als rosig. Von den ganz wenigen einheimischen Schilferntern rund um den See würden demnächst wohl wieder einzelne aufgeben, meint er. Noch vor 30 Jahren hätten etwa ein Dutzend Firmen viele Hundert Mitarbeiter im Winter beschäftigt. Damals wie heute wird das Schilf zum Schutz vor Nässe zu großen Kegeln geschichtet - von weitem erinnern sie an die Zelte in einem Indianerdorf.

Der Neusiedler See - ein vor allem vom Niederschlag gespeister, abflussloser Steppensee - hat inzwischen mehr Schilf als offene Wasserfläche. Der seit 1992 bestehende Nationalpark hat 140 Quadratkilometer freies Wasser als Paradies für Segler und Schwimmer, die sich vor tiefem Wasser fürchten - auch weit draußen ist der See kaum tiefer als 1,50 Meter.

Eine immer wieder befürchtete Verschilfung drohe dem See aber nicht, sagt Alois Lang von der Nationalpark-Verwaltung. Das Schilf habe sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch wegen der Nährstoffe aus der Landwirtschaft massiv ausgebreitet. Doch jüngste Kartierungen bewiesen, dass der Schilfgürtel - Ernteerfolg hin oder her - nicht mehr wachse. «Warum, das wissen wir noch nicht», sagt Lang.
dpa
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