Er ist mit seinem Spargel im Großmarkt in Frankfurt/Main gewesen, rund 65 Kilometer entfernt. Gerade als er ins Büro kommt, ruft ein wichtiger Kunde an, der Lebensmittelhändler Edeka aus dem nahe gelegenen Bensheim. Ein Saisonarbeiter aus Kroatien kommt rein und will wissen, wo die Etiketten für den Spargel der ersten Sorte sind.
Die gerade einsetzende
Spargelsaison ist für den 54-jährigen List Arbeit fast ohne Ende. «Ich stehe um Mitternacht auf, fahre nach Frankfurt, dann zurück», erzählt er. «Nach dem Mittagessen zwei Stunden Schlaf, dann geht es weiter.» Abends um acht Uhr dann noch mal vier Stunden Schlaf. «So geht das sechs Tage die Woche», sagt seine Frau Dragana List (45), die im Büro arbeitet.
Doch nicht nur der Chef schuftet. Wie jedes Jahr kommen rund 300.000 Saisonkräfte meist aus Polen und Rumänien, um erst die weißen Stangen, später Erdbeeren, Obst und Gurken zu ernten. Rund 1.500 Arbeitsstunden brauche es, um den Spargel auf einem Hektar Land zu ernten und für den Verkauf aufzubereiten, berichtet Hans-Dieter Stallknecht vom Deutschen Bauernverband. Bei einem Durchschnittsertrag von 5.000 Kilogramm pro Hektar komme man leicht auf einen fixen Personal-Kostenblock von 2,50 Euro pro Kilo, die auf dem Markt erst einmal wieder reingeholt werden müssten.
Gegen erheblichen Widerstand der Bauern gilt seit dem vergangenen Jahr auch in der Landwirtschaft ein Mindestlohn, der aufgrund eines Tarifvertrags aktuell noch unter dem gesetzlichen Niveau von 8,50 Euro liegt, aber schrittweise angepasst wird. Schon in diesem Jahr müssen die Verbraucher nach Einschätzung des Bauernverbandes bei einem Stundenlohn von 8,00 Euro im Westen und 7,90 Euro im Osten wegen der gestiegenen Lohnkosten 30 bis 50 Cent mehr pro Kilo zahlen. Nun müsse sich zeigen, ob sie dazu und zu weiteren Preissteigerungen in den Folgejahren auch bereit seien.
«Im Großen und Ganzen wird der Tarifvertrag wohl eingehalten», sagt Dominique John von der DGB-Einrichtung «Faire Mobilität», die sich für die Belange der Saisonarbeiter einsetzt. Plumpe Unterzahlungen kämen kaum vor, die Verstöße gebe es eher im Detail, berichtet er von den Erfahrungen aus 60 Betriebsbesuchen in Brandenburg und Rheinland-Pfalz aus dem Vorjahr. Häufig sei der Mindestlohn aber an eine Akkordgrenze gebunden, die mindestens erreicht werden müsse. Schafft ein Arbeiter die Anforderung nicht, stehen die Zeichen schnell auf Entlassung.
Am meisten Ärger gebe es um intransparente Stundenabrechnungen, die häufig erst zum Ende des Arbeitseinsatzes vorgelegt würden, sagt John. Hier müssten die Arbeiter selbst Buch führen, um den Feststellungen der Betriebe eigene Aufzeichnungen entgegensetzen zu können, rät auch die zuständige IG BAU. Auch würden häufig die vom Lohn abzuziehenden Beträge für Kost und Logis nicht klar genug benannt oder von Drittfirmen überteuert erbracht. Hier könnten vor allem schärfere Kontrollen der einzelnen Betriebe Verbesserungen bringen, meint der DGB.
Auch Andreas List vom südhessischen Bärli-Hof zahlt seinen rund 100 Helfern den Agrar-Mindestlohn. Das Gebiet rund um Darmstadt ist die Hochburg des Spargelanbaus in Hessen. Manche Spargelbauer verkaufen auch Erdbeeren, die aber auf einer deutlich kleineren Fläche wachsen.
Für beide Bereiche zusammengefasst gebe es in Südhessen rund 7.500 Saisonkräfte. «Vor fünf Jahren waren das mal etwa 5.000», sagt der Geschäftsführer des regionalen Bauernverbandes, Peter Gheorgean. Das liege mit am Mindestlohn. «Außerdem arbeitet keiner mehr 15 Stunden am Tag.»