Doch trotz Ertrags- und Qualitätssteigerung scheint das Getreide dem steigenden Bedarf der Weltbevölkerung nicht gewachsen: Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Zusätzlich haben Waldbrände in Russland und
Überschwemmungen in Australien die Erträge weiter geschmälert, so dass sich die
Weizenpreise innerhalb eines Jahres verdoppelt haben. Spekulanten treiben die Preise zusätzlich nach oben. Forscher und Züchter suchen daher nach neuen Sorten und Mitteln, die den Weizen ertragreicher sowie resistenter gegen Dürre und Krankheiten machen.
Weizen - eine der ältesten Kulturpflanzen im AckerbauWeizen ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. Und der Erwartungsdruck steigt von Jahr zu Jahr. Denn die Weltbevölkerung wächst - und damit auch der Bedarf an Brot, Gebäck und Teigwaren. Stimmt die Prognose des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums, wird der
Weizenverbrauch des Jahres 2010/11 die Ernte um rund 19 Millionen Tonnen übersteigen.
Insgesamt werden die Menschen dann 666 Millionen Tonnen Weizen als Brot, Kuchen oder Nudeln verzehrt - oder an ihre Tiere verfüttert haben. Denn mehr als die Hälfte der weltweiten
Weizenernte dient als Futtermittel. Immer mehr Menschen auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern essen Fleisch. Nach Angaben der Welternährungsorganisation
FAO wird der Weizenbedarf im Jahr 2050 bereits bei 907 Millionen Tonnen liegen. Darüber hinaus wird Getreide auch zur Produktion von Bier, Whiskey, industriellem Alkohol, Weizenstärke und Kleistern eingesetzt.
Um die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung zu sichern, muss die Produktion von Weizen dringend gesteigert werden. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn bereits heute wächst das begehrte Getreide auf etwa einem Viertel der weltweit bewirtschafteten Anbaufläche. „Weil die verfügbare Ackerfläche pro Kopf abnimmt und die Versorgungslücke weiter steigt, müssen wir den einzelnen Pflanzen zu mehr Ertrag verhelfen“, sagt Marcus Weidler, verantwortlich für die Kultur Getreide bei Bayer CropScience. Bei Soja, Raps und anderen Ölsaaten hat dies bereits funktioniert: Investitionen in Forschung und Züchtung haben die Produktivität dieser Kulturpflanzen signifikant erhöht. „Und auch einige Pflanzenschutzmittel haben ertragssichernde und -steigernde Wirkungen“, so Weidler.
Engpässe treiben den Weizenpreis nach oben
Für die Forscher und Züchter ist Weizen ein alter Bekannter: Erste Getreidefunde in den fruchtbaren Ebenen von Euphrat und Tigris – den frühen Zentren des Ackerbaus - stammen bereits aus dem siebten Jahrtausend vor Christus. Von hier kam die Kulturpflanze nach Europa und später auch nach Amerika. Heute wird Weizen fast auf der ganzen Welt angebaut. Wichtige Regionen liegen in Australien, China, der EU, Indien, der Schwarzmeer-Region und Nordamerika.
Kommt es in diesen Gegenden zu unerwarteten Klimaereignissen wie extremer Trockenheit oder Überschwemmungen, hat das unmittelbar Folgen auf die globale Versorgungslage: So haben die „Jahrhundertdürre“ und Waldbrände in Russland im letzten Jahr die
Getreideernte ebenso geschmälert wie die jüngsten Überschwemmungen in Teilen Australiens. „Trockenes Wetter in Südamerika und dem Westen der Great Plains in den USA könnten dieses Problem weiter verschärfen“, lautet die Einschätzung von Dr. Claire Schaffnit-Chatterjee von Deutsche Bank Research.
Der drohende Engpass macht sich am Weizenpreis bemerkbar: Innerhalb eines Jahres hat er sich verdoppelt, seit 2000 sogar verdreifacht. „Die Preise dürften noch auf Monate hinaus hoch bleiben“, warnte FAO-Ökonom Abdolreza Abbassian zu Jahresbeginn. Denn nicht nur das Wetter stört das bei Naturprodukten ohnehin labile Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage: Dazu kommen steigende Einkommen und Bevölkerungszahlen auf der einen sowie die Verknappung von Land, Wasser und Rohstoffen für Dünger auf der anderen Seite. Verschärft wird die Situation durch Spekulanten, die von den steigenden Notierungen der Agrarrohstoffe profitieren wollen und die Preise zusätzlich nach oben treiben. Höhere Erträge könnten die Situation wieder etwas entspannen.
Nährstoffmangel oder Trockenheit reduzieren den Ertrag
Beim Weizensaatgut hat der Landwirt mehr als 130 Winter- und 20 Sommersorten zur Auswahl. Drei Viertel der Jahresproduktion stammen vom Winterweizen, der etwa im Oktober gesät wird. Sommerweizen dagegen wird erst im Frühjahr gesät, braucht also keine Ruhephase über den Winter, hat aber weniger Kornertrag. Wenn Ende März die Ährenbildung beim Winterweizen beginnt - von außen zunächst unsichtbar - brauchen die Pflanzen laut Weidler besonders viel Nährstoffe und Wasser - und sollten wenn möglich nicht „gestresst“ werden: „Nährstoffmangel oder extreme Trockenheit führen sonst zu kürzeren Ähren mit weniger Körnern und damit weniger Erträgen.“ Die Landwirte düngen in der Regel bis zu drei Mal: Die dritte und letzte Stickstoffgabe im Frühsommer ist dabei entscheidend für den Eiweißgehalt der Getreidekörner: Je mehr Stickstoff der Weizenpflanze zur Verfügung steht, desto mehr Protein kann sie in ihren Körnern einlagern.
Je nach Klima, Sorte, Nährstoff- und Wasserversorgung erfolgt die Weizenernte schließlich zwischen Ende Juli und Anfang September. Auch dieser Zeitpunkt beeinflusst die Qualität des Mehls: Eine späte Ernte unter feuchten Witterungsbedingungen etwa verschlechtert die Verarbeitungseigenschaften.
Ein Hektar Weizen ergibt etwa 9.250 MischbroteJedes Jahr reift auf den Feldern eine neue Getreideernte unter niemals gleichen Witterungsbedingungen heran. Die Kunst des Müllers, der das Korn verarbeitet, besteht darin, durch geschickte Mischung verschiedener Getreidepartien homogene Mehle zu erzeugen. Hauptkriterien für die Backeigenschaften sind Menge und Qualität des im Mehlkörper enthaltenen Eiweißes. Ein Proteingehalt von 13 Prozent oder mehr gilt als hoch und wird zum Beispiel zum Backen von Christstollen verwendet. Für Kekse und Mürbeteig dagegen greifen die Bäcker zu Mehl mit Werten unter 11,5 Prozent.
Sorten mit höherem Eiweißgehalt sind jedoch nur eines der Ziele, die die Züchter intensiv verfolgen. „Wir wollen bei den Pflanzen auch den Ertrag steigern, ihre Toleranz gegen Trockenheit erhöhen und eine effizientere Verwertung von Düngemitteln erzielen“, erklärt Dr. Joachim Schneider, Leiter BioScience bei Bayer CropScience. Denn unter Klimawandel-Experten besteht ein breiter Konsens darüber, dass extreme Wetterereignisse in Zukunft immer häufiger auftreten werden.
Heute „wachsen“ auf einem Hektar Weizen etwa 9.250 Mischbrote zu je einem Kilogramm. Für den weltweit wachsenden Bedarf reicht das auf Dauer nicht aus. Deshalb soll konventionelle Züchtung in Kombination mit modernen biotechnologischen Verfahren den Weizen fit machen für die Herausforderungen der Zukunft.
Wertvolles NahrungsmittelWeizen ist nach Mais das bedeutendste Getreide der Welt und deckt etwa 20 Prozent des Kalorienbedarfs der Weltbevölkerung. Wie alle Getreideprodukte liefert er lebensnotwendige Nährstoffe: Die Körner enthalten Stärke, Eiweiß, Fette, Vitamine und mehr als 20 Mineralstoffe und Spurenelemente. Der Inhalt und die unterschiedlichen Schichten des Getreidekorns machen es für die menschliche Ernährung so wertvoll und ergiebig. Je mehr Bestandteile aus den Randschichten des Korns etwa mit gemahlen werden, desto mehr Mineralstoffe enthält das Mehl.
MykotoxineDie Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass bis zu 25 Prozent der weltweit produzierten Nahrungsmittel mit Pilzgiften belastet sind. Wie alle Pilze lieben auch Getreideschimmelpilze feuchtwarme Bedingungen. Die sogenannten
Fusarien wachsen nicht nur oberflächlich, sondern dringen auch tief in Nahrungsmittel ein und bilden gefährlichen Giftstoffe, auch Mykotoxine genannt. Diese können den Ertrag der Weizenähren um bis zu 50 Prozent reduzieren. Mögliche Folgen sind zudem akute Vergiftungserscheinungen, Nervenschäden, Immunstörungen und Krebs.
Auf allen Stufen der Getreideherstellung und -weiterverarbeitung sind daher Anstrengungen nötig, um die Qualität der Produktion zu gewährleisten: Von vorbeugenden Maßnahmen auf dem Feld bis hin zum Schutz der Lebens- und Futtermittel vor dem Verschimmeln. Denn die chemisch sehr stabilen Verbindungen der Mykotoxine lassen sich auch durch Abkochen nicht entfernen und in manchen Fällen sogar überhaupt nicht zerstören. (bayer)