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16.03.2023 | 15:21 | Oldenburger Palme  

Wie sieht der perfekte Grünkohl aus?

Oldenburg - Grünkohl ist Grünkohl? Nicht auf dem Versuchsfeld von Christoph Hahn an der Universität Oldenburg. «Wir haben mehr als 100 Sorten auf dem Feld», sagt der frisch promovierte Wissenschaftler.

Grünkohl
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Doktor Grünkohl züchtet die perfekte Oldenburger Palme. (c) proplanta
150 bis 160 Sorten des Wintergemüses gebe es weltweit. Auf dem Außengelände im Stadtteil Wechloy wachsen heimische Sorten wie die Ostfriesische Palme mit hohem Strunk. Es gibt halbhohe Industriezüchtungen mit dicken krausen Blättern, rötliche Grünkohle aus Italien, Kale aus Amerika und die sibirischen Verwandten des Grünkohls. Auf eine selbstgezüchtete Sorte ist Hahn (34) besonders stolz: die Oldenburger Palme. «Das ist unser Supergrünkohl», sagt er.

Oldenburg sieht sich als Grünkohlhauptstadt und als Hauptstadt der Kohltouren, deshalb beschäftigt sich auch die Universität mit dem krausen Gemüse. «Grünkohl hat regional große Bedeutung, weil er einfach zur Kultur gehört», sagt Professor Dirk Albach vom Institut für Biologie und Umweltwissenschaften. Etwa zehn Jahre hat er mit Hahn und anderen Studierenden zum Grünkohl geforscht. «Aber das heißt nicht, dass alles über Grünkohl bekannt ist.» Der Antrag auf Fortsetzung des Projekts ist gestellt.

Natürlich sei der norddeutsche Grünkohl «national ein Nischenmarkt», sagt der Professor. Aber: «Küche lebt von der Vielfalt, von Gemüsesorten, die nicht jeder gleich auf dem Schirm hat.» Zwei Erkenntnisse habe die Forschung erbracht. «Es gibt bei Grünkohl eine große Sortenvielfalt. Jede schmeckt unterschiedlich, hat eine andere Zusammensetzung an Inhaltsstoffen», sagt Albach. Zweitens lohne es sich, in Nischengemüse nach wertvollen Inhaltsstoffen zu suchen.

Hahn hat sein ganzes Studium an dem Projekt mitgewirkt, erst den Bachelor und dann - scherzhaft gesagt - den «Master of Grünkohl» gemacht. Nun ist er «Doktor Grünkohl» und sucht nach einer Stelle in der Pflanzenforschung. In seiner Dissertation hat Hahn eine alte Bauernregel widerlegt: Dass Grünkohl vor der Ernte Frost braucht.

Schon bei sinkenden Temperaturen bilde der Kohl Zucker in den Zellen, sagt er. Die Pflanze reagiere dabei auf einstellige Plusgrade. «Der Zucker ist für sie ein Frostschutzmittel.» Würde der Kohl erst bei Frost mit dem Einlagern anfangen, wäre es zu spät.

Der Biologe Hahn gärtnert auch privat gerne. Er mag Spaghetti Carbonara, ist als Oldenburger aber natürlich auch mit Grünkohl aufgewachsen und kennt die Küchentradition. «Es ist eins der wenigen Gemüse, die im Winter frisch verfügbar sind.» Meist werde Grünkohl lange gekocht, um die Blätter aufzubrechen und Bitterstoffe zu reduzieren. Ordentlich Fleisch und Wurst gehörten in den Topf. «Das ist eine wunderbare Quelle, um sich die nötigen Kalorien zuzuführen.»

Das Kochen zerstöre aber viele wertvolle Inhaltsstoffe, sagt Hahn. Roh habe Grünkohl doppelt so viel Vitamin C wie Zitronen. Es gebe Flavonoide, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen können. Carotinoide unterstützten die Augen. Den bitteren Beigeschmack hat Grünkohl durch Senfölglycoside. Das Abbauprodukt eines dieser Stoffe, das Sulforaphan aus Glucoraphanin, sei möglicherweise krebshemmend, sagt Professor Albach. Glucoraphanin werde oft aus Broccoli gewonnen und in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt. «Die Konzentration ist aber in Grünkohl viel höher.»

Hahns kulinarischer Tipp zum Genuss von Grünkohl ist also: Nicht kochen, sondern lieber einen Smoothie oder Salat daraus machen! Für Salat könne man den Kohl mit heißem Wasser blanchieren. Oder man könne die Blätter massieren, also mit den Fingern weichkneten, «damit man nicht das ganz Harte, Rohe im Salat hat.» Gerade die milden italienischen Sorten seien von Natur aus gut zum Rohverzehr.

In die Neuzüchtung Oldenburger Palme hat Hahn alles hineingekreuzt, was ihm an Grünkohl wichtig ist. Die Palme enthalte viele wertvolle Inhaltsstoffe; die Bitterkeit sei etwas reduziert, der Geschmack mild-aromatisch. Die Pflanze sei resistent gegen Schädlinge und komme mit Trockenheit zurecht. Für die Optik schimmern die Stiele leicht rötlich. Doch die Blätter sind so kraus, der Strunk ist so hoch, wie man es im Norden liebt. «Die Oldenburger wollten einen krausen Kohl haben, den sie auch als Grünkohl erkennen.»
dpa
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