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21.11.2021 | 06:45 | Pflanzenschutz 

Zuckerindustrie mahnt Entwicklung von Alternativen zur Rübenbeize an

Berlin / Parma / Worms - Die Möglichkeiten der Zuckerwirtschaft zur Entwicklung alternativer Bekämpfungsmöglichkeiten gegen Krankheiten und Schädlinge müssen deutlich verbessert werden.

Zuckerrübensaatgut
(c) proplanta
Das hat die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ) nach der Ablehnung ihres Antrags auf Notfallzulassung für eine Saatgutbeizung mit dem Neonikotinoid Thiamethoxam durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gefordert.

So müsse ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der die Anwendung neuer Züchtungsmethoden erlaube. Diese böten großes Potential, Kulturpflanzen schneller als mit klassischen Züchtungsmethoden an Stressfaktoren anzupassen und damit den Zuckerrübenanbau resilienter und über die Einsparung von Pflanzenschutzmitteln nachhaltiger zu gestalten.

Die WVZ gab zu bedenken, dass sich hiesige Anbauer in Zukunft gegen Rüben entscheiden würden, wenn sie diese nicht mehr ausreichend schützen könnten. Damit ginge ein wertvoller Beitrag für die Biodiversität auf dem Acker verloren und die Produktion von regionalem Zucker aus Deutschland wäre bedroht. Hingegen würden Importe von Zucker aus Drittstaaten zunehmen, die zu geringeren Sozial- und Umweltstandards produzieren würden.

Das BVL teilte gegenüber AGRA-EUROPE auf Anfrage mit, dass es eine Notfallzulassung für die Saatgutbehandlung von Zuckerrüben mit dem neonikotinoiden Wirkstoff Thiamethoxam für 2022 abgelehnt habe, da die Voraussetzungen des Artikels 53 der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung nicht erfüllt seien. Derweil bewertete die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die 2020 und 2021 erteilten Notfallzulassungen für insektizide Behandlungen auf neonikotinoider Basis für in allen 17 Fällen als gerechtfertigt.

Nicht mit Notfallsituation zu rechnen

Im Gegensatz zur Situation im Dezember 2020, als eine Notfallzulassung für den Wirkstoff Thiamethoxam zur Beizung von Zuckerrüben erteilt wurde, zeigen dem BVL zufolge die aktuellen Prognosen der Pflanzenschutzdienste der Länder, dass in der kommenden Saison nicht mit einer Notfallsituation zu rechnen ist. Vergilbungsviren übertragende Blattläuse seien in diesem Jahr in nur geringem Umfang aufgetreten.

Das sei neben der Notfallzulassung im Jahr 2020/21, durch die die Ausbreitung der Viren in den Befallsgebieten habe eingedämmt werden können, insbesondere auch auf Witterungseinflüsse zurückzuführen. Im Anbaujahr 2022 könnten dennoch örtlich begrenzt vermehrt Blattläuse mit entsprechender Viruslast auftreten. In diesem Fall schloss das BVL nicht aus, dass eine Notfallzulassung für lokale Spritzanwendungen mit anderen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen beantragt werde.

Rübenanbau bedroht

Die WVZ stellte indes weiter fest, dass die Rübenanbauer nach der Ablehnung des BVL im kommenden Jahr über keine wirksame Option zur Bekämpfung von Blattläusen und damit dem Überträger der virösen Vergilbung verfügten.

Sollte im Frühjahr 2022 erneut ein verstärktes Auftreten von virusübertragenden Blattläusen festgestellt werden, seien die Rüben dem schutzlos ausgeliefert. Auch wenn Alternativen mit Nachdruck gesucht würden, seien die Neonikotinoide als Saatgutbeizung bislang die einzige Lösung, wie Rüben vor diesen Viren geschützt werden könnten. „Die Lage im Pflanzenschutz bedroht den Rübenanbau zunehmend“, betonte die WVZ.

Aktionsbündnis begrüßt Ablehnung

Derweil begrüßte das Aktionsbündnis für Neonic-freie Landwirtschaft die Ablehnung des BVL. Für die Imker im Bündnis erklärte die Präsidentin des Deutschen Berufs und Erwerbs Imker Bundes (DBIB), Annette Seehaus-Arnold, dass für 2022 der Schutz der Insekten an erster Stelle stehe.

Die Honiguntersuchung werde zeigen, was auf den Flächen angebaut werde und ob dort Beikräuter wüchsen, was laut den Bestimmungen auch im Folgejahr verboten sei, um Bestäuber zu schützen. Günter Ries vom Bund Naturschutz in Bayern (BN) mahnte, wachsam zu bleiben und die Abläufe der Notfallzulassungen in der Landwirtschaft weiter kritisch zu verfolgen.

Segen aus Parma

Unterdessen gab die EFSA im Rückblick ihren Segen zu Notfallzulassungen für Neonikotinoide in diversen Mitgliedsländern. Ihrem am Donnerstag (18.11.) in Parma veröffentlichten Bericht zufolge standen entweder keine alternativen - chemischen oder nicht-chemischen - Produkte beziehungsweise Methoden zur Verfügung oder es lag die Gefahr vor, dass der Schädling gegen verfügbare Alternativprodukte resistent werden könnte.

Laut EFSA-Angaben umfasst ihre Bewertung die Notfallzulassungen für Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam und Thiacloprid, die von Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Litauen, Polen, Rumänien, der Slowakei und Spanien im vergangenen und in diesem Jahr erteilt wurden.

Witterungsverlauf abwarten

Unterdessen bestätigte der Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer die Einschätzung des BVL. Wie dieser am Donnerstag (18.11.) mitteilte, sehen sowohl Beratung als auch Zuckerrübenanbauer im Südwesten zum aktuellen Zeitpunkt für 2022 eine geringere Gefahr durch Blattläuse und durch die sie übertragenen Vergilbungsviren als im Vorjahr.

Beratung, Wissenschaftler und offizielle Stellen in der Arbeitsgemeinschaft Zuckerrübe Südwest seien sich einig darin, dass die kühlere Witterung und die Bekämpfung durch neonikotinoide Beizen die Blattläuse erfolgreich von den Rüben ferngehalten hätten.

Im Hinblick auf 2022 zeichne sich ab, dass die Verbreitung der Vergilbungsviren in Zuckerrüben, aber auch die Vermehrung der Blattläuse deutlich geringer sein werde als im Vorjahr. Das gehe aus dem Monitoring im Rahmen des Projekts „Nachhaltiges Insekten- und Krankheitsmanagement im Zuckerrübenanbau der Zukunft“ (NIKIZ) hervor.

Der Verband verwies aber auch auf die Einschätzung des „Arbeitskreises Viren & Bakterien im Zuckerrübenanbau“ der Arbeitsgemeinschaft Zuckerrübe Südwest, wonach in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz grundsätzlich das Risiko bestehe, dass es je nach Witterungsverlauf 2022 wieder zu einem starken Infektionsgeschehen kommen könne.

Entscheidend werde sein, ob die erwachsenen virusbeladenen Blattläuse den Winter überdauerten und so eine frühe Virusinfektion der jungen Zuckerrüben möglich werde. Laut Verbandsangaben ist ein Schutz der Zuckerrüben unbedingt notwendig, da Ertragsverluste von bis zu 45 % drohen, wenn Viren oder Bakterien zur Vergilbung der Blätter führen.
AgE
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