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04.03.2009 | 20:44 | Offener Brief 

Offener Brief an Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Aigner,

Ihre persönliche Wahrnehmung, gentechnisch veränderte Pflanzen brächten keinen Nutzen, ist zu respektieren. Eine Beratung zum Beispiel mit den hierzu seit Jahren forschenden Wissenschaftlern in Bundes- und Landeseinrichtungen oder auch deutschen Landwirten, die zugelassene Produkte seit Jahren nutzen, könnte aber gegebenenfalls aufschlussreich sein.

Offener Brief an Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(c) Remar - fotolia.com
Nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik bergen sicherheitsbewertete und zugelassene transgene Pflanzen keine anderen Gefahren, als herkömmlich gezüchtete Pflanzen. Die Ihnen unterstellten Behörden bestätigen dies. Dass Sie nun trotzdem das Verbot einer seit einem Jahrzehnt zugelassenen Maissorte in Erwägung ziehen, und darüber hinaus Stimmen aus ihrer Partei mit wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Argumenten zur Sicherheit zugleich eine massive Blockade der Forschung im Bereich der Grünen Gentechnik einfordern, löst bei uns gleichermaßen Verwunderung aus. - Nicht etwa wissenschaftlich fundierte Sicherheitsbedenken nämlich – die dann selbstverständlich ernst zu nehmen wären – sondern vielmehr Ihre persönlichen und parteipolitischen Beweggründe scheinen die Motivationsfeder zu sein.

Es ist überdies ein bedauernswertes, wenngleich nicht neues Phänomen, dass Politiker gerade die Ergebnisse jahrelanger Sicherheitsforschung in Deutschland – gefördert von einer Bundesregierung, der sie bisweilen selbst angehören – ignorieren und somit gleichzeitig signalisieren, nicht zu den Ergebnissen der beteiligten Forscher zu stehen. Das ist nicht nur ein fatales Signal für den Wissenschaftsstandort Deutschland, dessen Ergebnisse zur Sicherheitsforschung bislang international Beachtung finden, sondern setzt gleichzeitig Wissenschaftler wie Anwender dem Verdacht aus, fahrlässig zu handeln.

Da die Ergebnisse jahrelanger, intensiver Sicherheitsforschung ignoriert werden, ist in der Öffentlichkeit die Auffassung weit verbreitet, mögliche Folgen gentechnisch veränderter Pflanzen für die Umwelt seien weitgehend unerforscht. Anstatt dieser Annahme mit den entsprechenden Fakten zu entgegnen, soll aber nach Maßgabe von CSU-Politikern gerade diese Sicherheitsforschung zukünftig behindert werden, mit der Begründung sie sei zu riskant. Ein grotesker Vorgang.

Von politischer Seite hätte es in Deutschland bereits vielfältige Chancen zu einer sachlichen und vor allem konsequenten Aufklärung über die Grüne Gentechnik gegeben. Sie wurden bislang nicht genutzt und wir scheinen, bedenkt man Ihre jüngsten Wortmeldungen, von einer Trendwende weiter denn je entfernt. Zwar hat sich an der Sachlage der Sicherheitsstudien nichts geändert.

Es gibt nach wie vor keinerlei belastbaren wissenschaftlichen Beweise dafür, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel gesundheitsschädlich sind. Doch anstatt diese Tatsache offen zu proklamieren, bestätigen Sie durch vage Aussagen lieber die Ängste und die daraus abgeleiteten Zweifel in der Bevölkerung. Zweifel ernst zu nehmen heißt aber nicht, Ängste zu bestätigen, für die es keinen nachvollziehbaren Grund gibt. Zweifel ernst zu nehmen heißt in erster Linie, für Aufklärung zu sorgen!

Wissenschaftliche Forschungsprojekte im Zusammenhang mit der Grünen Gentechnik werden in Deutschland in trauriger Regelmäßigkeit von militanten Gentechnikgegnern gewaltsam unterbunden, Inhalte und Verantwortliche unwidersprochen diffamiert, Sachverhalte bis zur Unkenntlichkeit verfälscht wiedergegeben. Doch anstatt der ideologiebegründeten Unterdrückung der Wissenschaft entschlossen und wissenschaftsoffen entgegenzutreten, flüchten sich die politisch Verantwortlichen in Schweigen und vage Ausflüchte ohne Bestand. Schlussendlich stehen dann gar Wissenschaftler als die vermeintlich Schuldigen im Raum, haben sie doch Forschung betrieben im Bereich einer Technik, die hierzulande derzeit nicht opportun ist.

In seiner Rede zur Verabschiedung des Gentechnikgesetzes vor einem Jahr sagte der damalige Landwirtschaftsminister Seehofer noch, er stelle Wissenschaftlern in Deutschland, ob im öffentlichen Dienst, in Universitäten oder in der Wirtschaft beschäftigt, immer die Frage, wo sie in Europa auf diesem Feld besser als in der Bundesrepublik Deutschland forschen könnten. Er bezog dies auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, die seiner Meinung nach beste Voraussetzungen für die Durchführung von Forschungsprojekten schaffen. Was aber nutzen die besten rechtlichen Rahmenbedingungen, wenn sie nicht einmal vor Politikern selbst Bestand haben? Und was nutzen noch so seriöse wissenschaftliche Erkenntnisse, wenn sie ignoriert werden, weil sie nicht ins politische Bild passen? Nichts.

Wir bitten Sie nachdrücklich, nicht eine mit zweifellos großen Potentialen ausgestattete Zukunftstechnologie kurzfristigen politischen Machtkalkülen zu opfern! Bitte treten Sie in einen Dialog mit den Experten der relevanten Forschungsgebiete und nutzen Sie deren wissenschaftliches Know-how sowohl für politische Entscheidungen als auch für eine aktive und sachliche Aufklärung der Bevölkerung!

Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. (WGG)
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